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VwGH vom 30.09.2014, Ro 2014/22/0035

VwGH vom 30.09.2014, Ro 2014/22/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Revision der D, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW-151/063/23106/2014-2, betreffend Fortsetzung des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht Wien die Abweisung des Antrages der Revisionswerberin auf Fortsetzung des Verfahrens zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "Angehöriger" gemäß § 25 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mittels Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom . Das Verwaltungsgericht Wien erklärte weiters die ordentliche Revision für zulässig.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der am geborenen Revisionswerberin erstmals am eine "Niederlassungsbewilligung Privat" mit Gültigkeit bis erteilt worden sei. In der Folge sei ihr auf Grund eines Verlängerungsantrages eine Niederlassungsbewilligung "Privat - quotenfrei § 19 Abs. 5 FrG" erteilt worden und am ein Aufenthaltstitel "Angehöriger", der am verlängert worden sei. Am habe die Revisionswerberin einen weiteren Verlängerungsantrag bezüglich des Aufenthaltstitels "Angehöriger" gestellt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom sei die Revisionswerberin nach § 28 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden, woraufhin die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen habe. Der dagegen erhobenen Berufung habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien nur insofern Folge gegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf fünf Jahren herabgesetzt worden sei. Der dagegen erhobenen Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof am zunächst die aufschiebende Wirkung zuerkannt und die Beschwerde mit Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0396, als unbegründet abgewiesen.

Das Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels habe der Landeshauptmann von Wien am gemäß § 25 Abs. 2 NAG eingestellt.

Über Antrag vom habe die Landespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom das genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz - FPG aufgehoben. Am habe die Revisionswerberin die Fortsetzung des Verfahrens zur Erteilung des Aufenthaltstitels beantragt.

Dieser Antrag wurde durch den Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom abgewiesen.

Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht Wien, dass das gegen die Revisionswerberin erlassene Aufenthaltsverbot mit Wirkung ex nunc behoben worden sei. Somit könne während der Zeitspanne der Gültigkeit des Aufenthaltsverbotes bei gleichzeitiger Einstellung des Verlängerungsverfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht von einem rechtmäßigen Aufenthalt der Revisionswerberin im Bundesgebiet ausgegangen werden. Eine Fortsetzung des Verlängerungsverfahrens bezüglich des Aufenthaltstitels komme bei diesem Sachverhalt nicht in Betracht. Die Bestimmung des § 25 Abs. 2 zweiter Satz NAG, wonach das Verfahren im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag fortzusetzen sei, käme in diesem Zusammenhang denklogisch nur für die Fälle der Aufhebung mit ex tunc-Wirkung (also etwa im Fall eines das Aufenthaltsverbot behebenden höchstgerichtlichen Erkenntnisses) in Frage.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur zu lösenden Rechtsfrage Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten sowie einer Revisionsbeantwortung des Landeshauptmannes von Wien erwogen:

Die Revision ist zulässig, weil zur nachstehenden Rechtsfrage Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, sie ist aber nicht berechtigt.

Angesichts der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses im März 2014 sind die Bestimmungen des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 maßgebend.

§ 25 NAG lautet:

"§ 25. (1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.

(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen."

Strittig ist die Auslegung des § 25 Abs. 2 zweiter Satz NAG, demzufolge das Verfahren "im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung" fortzusetzen ist, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien darf das Verfahren nur im Fall einer ex tunc wirkenden Aufhebung der Aufenthaltsbeendigung fortgesetzt werden, nach Ansicht der Revisionswerberin auch im Fall einer Aufhebung ex nunc - wie dies vorliegend geschehen ist - in Anwendung des § 69 Abs. 2 FPG ("Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind").

Abgesehen vom - noch zu behandelnden - Zweck dieser Bestimmung und ihrem Zusammenhang mit anderen fremdenpolizeilichen Vorschriften ist schon vom Wortlaut her abzuleiten, dass eine Fortsetzung des Verfahrens nur nach einer ex tunc wirkenden Aufhebung angeordnet wird. Andernfalls hätte nämlich der Halbsatz "wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird" keinen Sinn. Dies kann sich nämlich nur auf eine Aufhebung im Rahmen der nachprüfenden gerichtlichen Kontrolle beziehen und nicht auf eine Aufhebung wegen Wegfalls der Voraussetzungen für die Maßnahme. Nur in diesem Fall stellt sich die Frage, ob im fortzusetzenden Verfahren neuerlich die aufenthaltsbeendende Maßnahme getroffen wird.

Im Gleichklang mit dieser Bestimmung steht jene des § 10 Abs. 1 NAG. ("Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts werden ungültig, wenn gegen Fremde eine Rückkehrentscheidung, ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig wird. Solche Fremde verlieren ihr Recht auf Aufenthalt. Ein Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts lebt von Gesetzes wegen wieder auf, sofern innerhalb ihrer ursprünglichen Geltungsdauer die Rückkehrentscheidung, das Aufenthaltsverbot oder die Ausweisung im Rechtsweg nachträglich behoben wird.")

Gemäß dieser Bestimmung leben somit in Folge einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ungültig gewordene Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes dann wieder auf, wenn innerhalb ihrer ursprünglichen Geltungsdauer die aufenthaltsbeendende Maßnahme "im Rechtsweg" nachträglich behoben wird. Hier ist somit eindeutig festgelegt, dass dies nicht für Fälle einer Aufhebung nach § 69 FPG in Frage kommt, sondern für Fälle der Aufhebung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch ein Erkenntnis des Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshofes.

Nichts anderes kann bei der ex nunc wirkenden Aufhebung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme für das Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels gelten (§ 25 Abs. 2 NAG), weil auch hier der Aufenthalt mit der rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahme unrechtmäßig geworden ist.

Es sind nämlich keine Gründe für die Annahme ersichtlich, dass die Wirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und deren nachfolgender Aufhebung während der Geltungsdauer eines Aufenthaltstitels (§ 10 NAG) anders sein sollten als im Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels (§ 25 NAG).

Offenkundig mit Blick auf den gleichgerichteten Zweck der beiden Bestimmungen halten Bichl/Schmid/Szymanski , Das neue Recht der Arbeitsmigration, 2006, § 25 NAG K5. fest, "Aufhebung der Aufenthaltsbeendigung meint hier - so wie in den Fällen des § 10 Abs. 1 - Aufhebung anders als nach § 65 FPG". (Bei § 65 FPG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 handelt es sich um die Vorgängerbestimmung des § 69 FPG.)

Dieses Ergebnis wird durch einen Blick auf die Vorgängerbestimmung zu § 25 NAG bekräftigt. § 25 NAG hat den Sinn, eine Doppelgleisigkeit dadurch zu vermeiden, dass bei Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 1 oder Abs. 2 NAG die Niederlassungsbehörde nicht den Verlängerungsantrag abzuweisen hat, sondern sogleich die Fremdenpolizeibehörde in die Lage versetzt wird, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erlassen. Diesem Zweck diente bereits während der Geltung des Fremdengesetzes 1997 (FrG) dessen § 15.

§ 15 Abs. 3 FrG lautete:

"Erwächst jedoch eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, so ist das Verfahren über den Antrag auf Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Dieses Verfahren ist fortzusetzen, sobald nach einer Aufhebung der Ausweisung oder des Aufenthaltsverbotes durch den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof feststeht, dass deren Verhängung nunmehr unterbleibt."

Diese Bestimmung enthielt somit ausdrücklich die Anordnung, dass eine Fortsetzung des Verlängerungsverfahrens nicht nach einer Aufhebung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß dem damals gültigen § 44 FrG (nunmehr § 69 FPG) wegen Wegfalls der Gründe für deren Erlassung in Betracht kommt, sondern nur nach Aufhebung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit ex tunc-Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof. Es gibt auch in den Erläuterungen zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP, S. 130) keinen Hinweis dafür, dass der Gesetzgeber die dementsprechende Regelung des FrG nicht auch auf die Rechtslage nach dem übertragen wollte. Im Gegenteil enthält § 10 Abs. 1 NAG im dritten Satz - wie bereits erwähnt - die ausdrückliche Bestimmung des Wiederauflebens des Aufenthaltstitels nur im Fall einer ex tunc-Aufhebung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme, nachdem im diesbezüglich maßgebenden § 16 FrG die

Formulierung verwendet worden war "sofern ... das

Aufenthaltsverbot oder die Ausweisung anders als gemäß § 44 behoben wird".

Demnach ist dem Verwaltungsgericht Wien Recht zu geben, dass im gegenständlichen Fall einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nach § 69 Abs. 2 FPG das Verfahren über die Verlängerung des Aufenthaltstitels nicht iSd § 25 Abs. 2 NAG fortzusetzen ist.

Da dem angefochtenen Erkenntnis die behauptete Rechtsverletzung somit nicht anhaftet, war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am