VwGH vom 09.11.2011, 2011/22/0264
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des AÖ, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom , Zl. UVS-8/10206/11- 2011, betreffend Aufenthaltsverbot (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 67 Abs. 1 und Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
In ihrer Begründung ging die belangte Behörde - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - davon aus, der Beschwerdeführer sei am in Österreich geboren. Zwischen seinem vierten und neunten Lebensjahr habe er in der Türkei gelebt und dort die Volksschule besucht. Seine weitere Schulausbildung sowie seine Berufsausbildung (zum Gas- und Wasserleitungsinstallateur und Zentralheizungsbauer) habe er in Österreich absolviert. In der Zeit von 1996 bis 2004 sei er nahezu durchgehend in Österreich beschäftigt gewesen. Seit 2005 beziehe er eine Invaliditätspension. Der Beschwerdeführer verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Er sei mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet, Kinder habe er keine. Seine Eltern und auch seine sonstigen Verwandten lebten in Österreich.
Erstmals sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom wegen versuchten Raubes, Körperverletzung sowie schwerer Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Dazu stellte die belangte Behörde das der Verurteilung zugrunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers des Näheren dar.
Im Weiteren listete die belangte Behörde die danach ergangenen Verurteilungen sowie die diesen Verurteilungen zugrunde liegenden Taten im Einzelnen auf, wobei sich der Beschwerdeführer immer wieder Körperverletzungsdelikte, aber auch strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen, wie etwa schweren Betruges und versuchten Diebstahls, und anderer Delikte (Urkundenfälschung, Verleumdung) schuldig machte. Des Weiteren weist der Beschwerdeführer - insbesondere aus jüngerer Zeit - mehrere rechtskräftige Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz (SMG) auf, wobei er zuletzt mit Urteil des Landesgerichts Salzburg wegen gewerbsmäßigen Suchtgifthandels mit einer das 25-fache der Grenzmenge (iSd SMG) übersteigenden Menge von Suchtmitteln - zum Teil im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen, insbesondere auch seiner Ehefrau - zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wurde. Einer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom keine Folge.
Nach Wiedergabe von Bestimmungen des FPG führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer komme eine Rechtsstellung nach Art. 6 und auch Art. 7 ARB 1/80 zu. Davon ausgehend sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nur unter den Voraussetzungen des § 67 FPG zulässig. Da der Beschwerdeführer bereits mehr als zehn Jahre im Bundesgebiet aufhältig sei, sei darüber hinaus das Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG zu prüfen.
Die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall als erfüllt anzusehen. Der Beschwerdeführer sei zuletzt wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels verurteilt worden. Er habe über mehrere Jahre hinweg insgesamt eine das 25- fache der Grenzmenge übersteigende Menge von Suchtmitteln anderen Personen überlassen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer mehrfach und zum Teil einschlägig rechtskräftig verurteilt worden sei. Bei dem dem letzten Urteil zugrunde liegenden Verhalten handle es sich um ein solches, das durch raschen Rückfall gekennzeichnet gewesen sei. Seine Taten habe er zum Teil während anhängiger Verfahren begangen. Die ihm eingeräumten "Bewährungschancen" habe er nicht genutzt, vielmehr habe er im Gegenteil den Handel mit morphinhältigen Tabletten fortgesetzt. Zum Teil habe er seine Ehefrau zu Übergaben gezwungen. Die bisherigen Verurteilungen hätten den Beschwerdeführer nicht von der Fortsetzung seines "delinquenten Verhaltens" abhalten können. Seine Suchtgiftabhängigkeit ändere an der Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nichts, weil neben einer erfolgreichen Suchtmitteltherapie, was im vorliegenden Fall aber gar nicht gegeben sei, auch eine entsprechend lange Zeit des Wohlverhaltens erforderlich sei. Es seien aber auch die bisherigen therapeutischen Maßnahmen ohne sichtbaren Erfolg geblieben. Die bisherigen Therapieangebote habe der Beschwerdeführer nicht entsprechend genutzt. Eine Therapie im Jahr 2006 habe er bereits nach zwei Tagen abgebrochen. Aus einer in Deutschland begonnenen Therapie sei der Beschwerdeführer "nach kurzer Zeit wegen Aggression vorzeitig entlassen" worden. Es sei sohin davon auszugehen, dass im Fall des Beschwerdeführers die Annahme gerechtfertigt sei, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit nachhaltig und maßgeblich gefährden werde sowie eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
Dem Beschwerdeführer komme eine Aufenthaltsverfestigung im Sinn des § 64 Abs. 1 FPG nicht zugute. Ihm hätte vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden können. Es sei aber auch § 64 Abs. 1 Z 2 FPG nicht zur Anwendung zu bringen. Die dort enthaltene Wendung "von klein auf" sei so zu deuten, dass eine Person, die zwar bis zum vierten Lebensjahr in Österreich eingereist bzw. hier geboren ist, sich jedoch danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben habe und somit nicht bereits im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert worden sei, nicht als eine Person zu betrachten sei, die in Österreich von klein auf aufgewachsen sei.
Schließlich führte die belangte Behörde noch des Näheren aus, weshalb ihrer Ansicht nach auch die nach Art. 8 EMRK gebotene Interessenabwägung der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
1. § 64 Abs. 1 und § 67 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 - FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011) lauten (jeweils samt Überschrift):
"Aufenthaltsverfestigung
§ 64. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
…
Aufenthaltsverbot
§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.
(5) § 59 Abs. 1 gilt sinngemäß."
2. Dem angefochtenen Bescheid ist - im Einklang mit den Verwaltungsakten - zu entnehmen, dass die Behörde erster Instanz das von ihr erlassene Aufenthaltsverbot auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG - diese beiden Bestimmungen bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in der Stammfassung - gestützt hat. Gegen die - in der Beschwerde nicht weiter angegriffene - Ansicht der belangten Behörde, das gegenständliche Verfahren sei anhand der Bestimmungen des FPG in der Fassung des FrÄG 2011 zu Ende zu führen, bestehen zum einen vor dem Hintergrund, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidung die sich zu dieser Zeit darbietende Sach- und Rechtslage zu Grunde zu legen hatte (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66, Rz 83 ff, sowie die dort näher dargestellte hg. Rechtsprechung), und zum anderen mit Blick auf den hier relevanten Gegenstand des Berufungsverfahrens keine Bedenken.
3.1. Die belangte Behörde geht davon aus, dem Beschwerdeführer komme eine ihn nach Art. 6 (und auch Art. 7) ARB 1/80 begünstigende Rechtsstellung zu. Daher sei die Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes anhand der in § 67 Abs. 1 FPG enthaltenen Voraussetzungen zu prüfen.
3.2. Auch diese Ansicht entspricht dem Gesetz. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner zur nahezu gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 86 Abs. 1 FPG ergangenen ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben die in § 86 Abs. 1 FPG genannten Kriterien - und daher auch jene, die in dessen fünftem Satz festgelegt waren - auch im Fall der Aufenthaltsbeendigung gegen einen türkischen Staatsangehörigen, dem eine Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 zukommt, als die relevanten anzusehen sind (vgl. des Näheren etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/21/0215, mwN, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird). Diese Rechtsprechung ist auch für die nunmehrige Rechtslage nach dem FrÄG 2011, die sich insofern inhaltlich als unverändert darstellt, beachtlich.
4. Des Weiteren ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie die Ansicht vertritt, die Anwendbarkeit des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG sei fallbezogen zu bejahen. Zwar zog die belangte Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbotes auch Fehlverhalten des Beschwerdeführers heran, das er bereits am gesetzt hat - den unbestrittenen Feststellungen zufolge kehrte er im neunten Lebensjahr, also im Jahr 1989, dauerhaft nach Österreich zurück -, jedoch stellt die Bestimmung des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG (nunmehr nur noch) darauf ab, dass die betreffenden Fremden ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, um in den Anwendungsbereich des dort genannten Gefährdungsmaßstabes zu kommen. Die in § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG (in der Fassung vor dem FrÄG 2011) noch enthaltene Wendung "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" findet sich in der nunmehrigen Bestimmung des § 67 Abs. 1 FPG nicht mehr, sodass eine solche Einschränkung nach der hier maßgeblichen Rechtslage nicht (mehr) Platz zu greifen hat. Nach § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG ist es (anders als nach der früheren Rechtslage nach § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG) hinreichend, vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes einen zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt zu haben.
5. Ein Vergleich des bisherigen § 86 Abs. 1 FPG mit der nunmehrigen Bestimmung des § 67 Abs. 1 FPG zeigt allerdings, dass jene Kriterien, die erfüllt sein müssen, um davon ausgehen zu können, es liege nach diesen Bestimmungen eine maßgebliche vom Fremden ausgehende Gefahr vor, inhaltlich nahezu unverändert geblieben sind. Lediglich in § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG wird nunmehr nur noch auf die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, nicht aber auch auf eine solche der öffentlichen Ordnung (so noch der zuvor bis zur Novellierung mit BGBl. I Nr. 122/2009 geltende § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG) abgestellt. Demgemäß ist davon auszugehen, dass die bisherige zu § 86 Abs. 1 FPG ergangene Rechtsprechung im Wesentlichen - lediglich unter Bedachtnahme auf die Einschränkung in § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG - auf die Beurteilung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG vorliegt, übertragbar ist. Darüber hinaus ergeben sich auch weitere Hinweise zur Auslegung betreffend das Vorliegen einer Gefährdung nach § 67 Abs. 1 FPG anhand des § 67 Abs. 3 FPG, weil in den dort genannten Fällen der Gesetzgeber festgelegt hat, dass das sonst mit einer Höchstdauer von zehn Jahren zu befristende Aufenthaltsverbot (§ 67 Abs. 2 FPG) sogar auf unbestimmte Zeit ("unbefristet") ausgesprochen werden kann. Insoweit ist davon auszugehen, dass bei Erfüllen eines der in § 67 Abs. 3 FPG enthaltenen Tatbestände das Vorliegen einer Gefährdung im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG indiziert ist.
6. Vor diesem Hintergrund und angesichts des im angefochtenen Bescheid festgestellten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer stelle eine Gefahr im Sinn des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG dar, nicht zu beanstanden. Der im Jahr 1981 geborene Beschwerdeführer hat bereits im Jahr 1997 begonnen, gerichtlich strafbare Handlungen zu setzen und sein strafbares Verhalten in weiterer Folge fortgesetzt. Er hat andere Personen immer wieder vorsätzlich - zum Teil schwer - am Körper verletzt, Betrugs- und Diebstahlsdelikte gesetzt, Urkundenfälschung begangen, einen anderen verleumdet und - insbesondere ab dem Jahr 2007 - nachhaltig und wiederkehrend gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen, indem er (zum Teil) gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Suchtmittelhandel - unter anderem auch gemeinsam mit seiner Ehefrau - betrieben hat.
Infolge des vom Beschwerdeführer gezeigten Verhaltens, das durch stetigen Rückfall und stetige Erhöhung seiner kriminellen Energie gekennzeichnet war, hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, durch seinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet werde die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich gefährdet.
Soweit der Beschwerdeführer auf seine Therapie hinweist, hat ihm schon die belangte Behörde zutreffend entgegengehalten, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die positive Absolvierung der Therapie, sondern auch auf einen entsprechend langen Zeitraum des Wohlverhaltens ankommt, um davon ausgehen zu können, die Gefährdung sei weggefallen oder als maßgeblich gemindert anzusehen (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , 2011/22/0072, mwN). Vor dem Hintergrund der zahlreichen Rückfälle gilt dies beim Beschwerdeführer in besonderem Maß. Darüber hinaus hat die belangte Behörde aber auch festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits mehrfach ihm zur Verfügung gestellte Therapieangebote nicht genutzt bzw. nicht erfolgreich abgeschlossen hat, wobei er in einem Fall sogar auf Grund seines aggressiven Verhaltens von der Therapie ausgeschlossen werden musste. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann in seinem Fall keinesfalls davon ausgegangen werden, die von ihm bisher verbüßte lange Haft, eine Therapie und die angekündigte bedingte Entlassung aus der Strafhaft böten schon allein ausreichend Gewähr dafür, dass von ihm keine weitere Gefahr ausgehe.
7.1. Der Beschwerdeführer wendet sich schließlich auch gegen die Ansicht der belangten Behörde, er erfülle die Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 FPG nicht. Er verweist dazu auf seine in Österreich erfolgte Geburt sowie darauf, dass er lediglich zwischen seinem vierten und neunten Lebensjahr in der Türkei gewesen sei. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
7.2. Zunächst ist festzuhalten, dass § 64 Abs. 1 Z 2 FPG in der Fassung des FrÄG 2011, anders als die Vorgängerbestimmung des § 61 Z 4 FPG, die Einschränkung, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Fall des Vorliegens bestimmter Verurteilungen doch wieder zulässig war, nicht mehr enthält.
7.3. Weiters ist zu konstatieren, dass § 64 Abs. 1 FPG seinem Wortlaut nach auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG nicht anzuwenden wäre, weil in § 64 Abs. 1 FPG nur die Ausweisung gemäß § 62 FPG und das Aufenthaltsverbot gemäß § 63 FPG genannt werden. Zutreffend ging die belangte Behörde aber - um nicht auflösbare Wertungswidersprüche zu vermeiden - davon aus, dass auch im Fall der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 1 FPG zu prüfen ist, ob dem eine "Aufenthaltsverfestigung" nach § 64 Abs. 1 FPG entgegensteht.
7.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat (u.a.) in seinem Erkenntnis vom , 2008/22/0920, das die Auslegung des § 61 Z 4 FPG in der vor dem FrÄG 2011 geltenden Fassung betraf, in der die hier interessierende Wortfolge "von klein auf im Inland aufgewachsen" bereits enthalten war (dass der Gesetzgeber insoweit mit § 64 Abs. 1 Z 2 FPG eine inhaltliche Änderung herbeiführen wollte, ist nicht erkennbar), ausgeführt:
"Nach der Rechtsprechung kommt es für die Frage, welches Lebensalter der Wendung 'von klein auf' zu subsumieren ist, maßgeblich auf die Integration in das in Österreich gegebene soziale Gefüge sowie auf die Kenntnis der deutschen Sprache an. Die Einübung in soziale Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises, wie sie für die vom Schutzzweck der hier relevanten Bestimmung geforderte Vertrautheit mit dem sozialen Gefüge eines Staates maßgeblich ist, beginnt aus dem Blickwinkel der Sozialisation des Kindes etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres, wobei jedoch die Abgrenzung zum vorangehenden Lebensabschnitt fließend ist. Die genannte altersmäßige Abgrenzung ist auch aus entwicklungspsychologischer Sicht von Bedeutung, wird doch die 'Phase der ersten Verselbständigung' - das ist das Stadium, in dem Kinder auch familienfremde Erzieher akzeptieren, mit anderen Kindern Freundschaften anbahnen, Spiele spielen, sich im Gruppenleben integrieren und somit ihren Lebensbereich über ihre unmittelbare familiäre Sphäre hinaus ausdehnen können - mit etwa drei Jahren erreicht. Vor diesem Hintergrund ist die Wendung 'von klein auf' so zu deuten, dass sie jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommen kann. Aber auch eine Person, die zwar vor Vollendung ihres vierten Lebensjahres nach Österreich eingereist bzw. in Österreich geboren ist, sich jedoch danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben hat und somit nicht bereits im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert wurde, wird man von dieser Regelung - weil eine solche Person nicht in Österreich 'aufgewachsen ist' - nicht als erfasst ansehen können (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , 2006/18/0363). Im Falle von 'Heimataufenthalten' des Fremden kommt es darauf an, ob diese in ihrer Gesamtheit dazu geführt haben, dass der Fremde mit diesem Land ähnlich wie ein ständig dort Lebender vertraut ist und es somit tatsächlich als seine Heimat angesehen werden kann. Dabei kommt es jedenfalls primär auf die Dauer dieser Aufenthalte (in Relation zum Lebensalter des Fremden) an; nicht unwesentlich ist aber auch, in welchen Lebensabschnitt diese Aufenthalte fallen (vgl. das zur insoweit gleichartigen Rechtslage nach § 38 Abs. 1 Z 4 FrG ergangene hg. Erkenntnis vom , 2000/18/0136).
Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof einem Fremden, der im Alter von rund fünfdreiviertel Jahren das Bundesgebiet verlassen und lediglich während eines Zeitraumes von etwa vierdreiviertel Jahren in der Heimat die Volksschule besucht hat, zugebilligt, im Sinn dieser Bestimmung von klein auf im Inland aufgewachsen zu sein (vgl. wiederum das bereits erwähnte Erkenntnis vom , auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird)."
Im genannten Erkenntnis vom ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der dortige im Jahr 1981 geborene Beschwerdeführer, der im Alter von fünf Jahren mit seinen Eltern in sein Heimatland gegangen war und dort fünf Jahre gelebt hatte, wobei er drei Jahre lang die Volksschule besucht hatte und anschließend mit den Eltern wieder nach Österreich gezogen war, wo er seither gelebt hatte, als "von klein auf im Inland aufgewachsen" zu betrachten sei.
Eine dem vergleichbare Konstellation liegt ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde auch hier vor, sodass der Beschwerdeführer im Sinn des § 64 Abs. 1 Z 2 FPG als von klein auf im Inland aufgewachsen anzusehen ist. Daran, dass er hier auch langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, wovon auch die belangte Behörde ausging, bestehen angesichts ihrer Feststellungen, anhand deren sie zum Ergebnis gelangte, dem Beschwerdeführer komme eine ihn nach dem ARB 1/80 begünstigende Rechtsstellung zu, und am Boden des Inhaltes der vorgelegten Verwaltungsakten keine Zweifel. Dann aber erweist sich gemäß § 64 Abs. 1 Z 2 FPG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer als unzulässig.
8. Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Bei diesem Ergebnis musste auf das übrige Beschwerdevorbringen zur Interessenabwägung der belangten Behörde nicht weiter eingegangen werden.
9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am