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VwGH vom 18.03.2014, 2011/22/0263

VwGH vom 18.03.2014, 2011/22/0263

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des G, vertreten durch Mag. Doris-Bettina Fürtbauer, Rechtsanwältin in 2340 Mödling, Enzersdorfer Straße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom , Zl. MDS3-F-091648, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines georgischen Staatsangehörigen, ihm aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, gemäß § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zunächst fest, der Beschwerdeführer stamme aus Georgien, sei, damals noch minderjährig, am gemeinsam mit seinem Vater illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Der Asylerstreckungsantrag sei in erster Instanz am abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei nicht selbsterhaltungsfähig, da er über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfüge und "zu keiner Zeit in Österreich einer Beschäftigung" nachgegangen sei. Er sei nicht "aus Eigenem" in der Lage, die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG zu erfüllen.

Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass "zum Nachweis der fehlenden Erteilungsvoraussetzungen" und der "Leistungsfähigkeit" für den Beschwerdeführer durch Dr. G.W. eine Patenschaftserklärung abgegeben worden sei. Zum Grad der Integration führte die belangte Behörde aus, dass "eine gewisse Integration (belegt durch beigelegte Unterstützungsschreiben) in Österreich" vorliege. Die für den Beschwerdeführer "sprechenden Umstände" seien zu berücksichtigen, ihr Gewicht werde aber "wegen des Erwerbs der integrationsbegründenden Umstände im Status eines unsicheren Aufenthalts als gemindert angesehen".

Die belangte Behörde kommt aus folgenden Erwägungen zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung-beschränkt" nicht vorlägen:

Im Rahmen der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer als Minderjähriger (mit 13 Jahren) eingereist sei, seit über acht Jahren in Österreich aufhältig sei und davon bis Mai 2009 über eine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung verfügt habe. Dem Beschwerdeführer und insbesondere seinem Vater habe aber bewusst sein müssen, dass es sich dabei nur um ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für die Dauer des Asylverfahrens und nicht etwa um einen dauerhaften Aufenthaltstitel gehandelt habe. Er und sein Vater hätten sich während des gesamten Asylverfahrens des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen, zumal der "erstinstanzliche (negative) Asylbescheid am ergangen" sei. Der Beschwerdeführer sei seit Mai 2009 weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig geblieben und habe nach dem Ende des Asylverfahrens und dem Verlust seiner vorläufigen Aufenthaltsberechtigung Österreich nicht freiwillig verlassen. Aufgrund des "ergangenen Erkenntnisses nach § 8 Asylgesetz" sei eine "Rückkehr in das Heimatland unter dem Blickwinkel der Gründe des § 50 FPG zumutbar". Die Bindungen zum Herkunftsstaat seien nicht zum Erliegen gekommen, da seine Mutter in Georgien lebe. Da er mit 13 Jahren nach Österreich gekommen sei, gehe die Behörde davon aus, dass er mit der Kultur und Muttersprache in seinem Heimatland vertraut sei. Im österreichischen Bundesgebiet lebten, außer dem Vater des Beschwerdeführers, keine Familienangehörigen. Da sowohl gegen den Beschwerdeführer als auch gegen seinen Vater aufenthaltsbeendende Maßnahmen gesetzt würden, liege kein Eingriff in das Familienleben gemäß Art. 8 EMRK vor. Aufgrund dieser für den Beschwerdeführer "nachteilig zu gewichtenden Umstände" sei "die Ausweisung dringend zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Weiters sind angesichts der Zustellung des gegenständlichen Bescheides im Mai 2011 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 111/2010 und der KM BGBl I Nr. 16/2011 maßgebend.

§ 44 NAG lautet auszugsweise wie folgt:

"Niederlassungsbewilligung - beschränkt

§ 44 ...

(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig

im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen

Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. ..."

Die belangte Behörde führte zunächst aus, dass der Beschwerdeführer "aus Eigenem" nicht in der Lage sei, die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG zu erfüllen, stellte jedoch weiters fest, dass zum Nachweis der angeführten Voraussetzungen eine Patenschaftserklärung abgegeben worden sei. Zweifel an der Tragfähigkeit der vorgelegten, notariell beglaubigten Patenschaftserklärung wurden im angefochtenen Bescheid nicht aufgeworfen, sondern die Patenschaftserklärung als Nachweis für die "fehlenden Erteilungsvoraussetzungen" und die "Leistungsfähigkeit" des Beschwerdeführers nicht in Abrede gestellt. Die belangte Behörde ging offenbar im angefochtenen Bescheid vom Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG aus.

Die belangte Behörde stellte auf Art. 8 EMRK ab, indem sie die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat zur Beurteilung herangezogen hat, und auf den Umstand, dass gegen den auch in Österreich lebenden Vater gleichfalls eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wurde, sodass kein Eingriff in das Familienleben gemäß Art. 8 EMRK vorliege. Damit verkennt sie jedoch die Rechtslage, da die Bestimmung des § 44 Abs. 4 NAG vielmehr gerade dann greifen soll, wenn ein Recht auf Aufenthalt aus Art. 8 EMRK nicht abgeleitet werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/21/0255, und , Zl. 2010/21/0255).

Die Prüfung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 44 Abs. 4 NAG - insbesondere des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles im Hinblick auf den Grad der Integration des Beschwerdeführers in Österreich - ist unzureichend geblieben. Da die belangte Behörde somit in Verkennung der Rechtslage die - im Beschwerdefall nicht von vornherein in Abrede zu stellenden (die belangte Behörde hat etwa die vorgebrachten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers und dessen schulische Ausbildung in Österreich nicht in ihre Abwägung miteinbezogen) - besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 44 Abs. 4 NAG nicht in einer dem Gesetz entsprechenden Weise geprüft hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am