VwGH vom 13.12.2011, 2011/22/0259

VwGH vom 13.12.2011, 2011/22/0259

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des L in S, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelder Straße 120/2/28, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 318.233/8-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, beantragte am (datiert mit ) die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als "Schlüsselkraft - selbständig" gemäß § 41 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG. Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom gemäß § 41 NAG iVm § 12 Abs. 8 und § 24 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG ab. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Während das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof noch anhängig war, stellte er am einen neuerlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als "Schlüsselkraft - selbständig" gemäß § 41 NAG. Dieser wurde vom Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom gemäß § 41 NAG iVm § 12 Abs. 8 und § 24 AuslBG unter Hinweis auf negative Gutachten des Arbeitsmarktservice vom , vom und vom abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde.

Mit Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0191, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 19 Abs. 2 NAG ab. Begründend führte sie aus, dass infolge der Aufhebung des Bescheides vom bei der belangten Behörde nun "erneut ein Berufungsverfahren anhängig" sei. Gemäß § 19 Abs. 2 NAG sei u. a. das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nicht zulässig. Deshalb sei der Beschwerdeführer von der belangten Behörde darauf hingewiesen worden, dass nicht nur hinsichtlich des Antrages vom , sondern auch hinsichtlich des Antrages vom ein Berufungsverfahren anhängig sei. Der Beschwerdeführer sei aufgefordert worden, bekannt zu geben, ob "die Berufung und der Folgeantrag vom " zurückgezogen würden. Jedoch habe der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter mitgeteilt, dass nach rechtskräftiger Abweisung des Antrages vom auf Grund einer Änderung maßgeblicher Umstände am ein neuerlicher Erstantrag eingebracht worden wäre; dieses Vorgehen wäre durch § 19 NAG nicht ausgeschlossen, weil weder gleichzeitig noch während eines anhängigen Verfahrens nach dem NAG ein weiterer Antrag gestellt worden wäre. Es handelte sich daher um eine rechtmäßige Antragstellung, und es würde keiner der beiden Anträge zurückgezogen. Im Fall einer positiven Bescheidung eines der beiden Anträge würde jedoch das jeweils andere Verfahren gegenstandslos und vom Beschwerdeführer selbstverständlich nicht mehr weitergeführt werden. Für die belangte Behörde stehe zusammengefasst fest, dass sowohl hinsichtlich des Antrages vom "" (gemeint offenbar vom ) als auch hinsichtlich des Folgeantrages vom jeweils ein Berufungsverfahren anhängig sei; aus diesem Sachverhalt gehe eindeutig hervor, dass es sich um Mehrfachanträge handle. Da der Beschwerdeführer trotz Belehrung beide Anträge aufrecht halte und der Gesetzgeber die Unzulässigkeit von Mehrfachanträgen normiert habe, sei die Berufung gemäß § 19 Abs. 2 NAG abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 19 Abs. 2 NAG in der Stammfassung sind u.a. das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz unzulässig.

Es trifft nicht zu, dass der Beschwerdeführer entgegen § 19 Abs. 2 NAG während eines anhängigen Verfahrens einen weiteren Antrag gestellt hat. Zum Zeitpunkt der Einbringung des zweiten Antrages am war nämlich das Verfahren über den ersten Antrag rechtskräftig abgeschlossen; es war lediglich ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig, ein solches ist aber nicht als Verfahren "nach diesem Bundesgesetz" (dem NAG) zu qualifizieren (so im Ergebnis auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0073). Erst mit der Aufhebung des verfahrensbeendenden Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis vom wurde das Verfahren über den am eingebrachten Antrag wieder anhängig. § 19 Abs. 2 NAG in der Stammfassung bietet jedoch keine Grundlage für die Zurückweisung von Anträgen, die nicht während eines anhängigen Verfahrens nach diesem Bundesgesetz gestellt worden sind, auch wenn in der Folge die Aufhebung eines Bescheides durch den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof dazu führt, dass mehrere (Berufungs )Verfahren gleichzeitig anhängig sind.

§ 19 Abs. 2 NAG in der am in Kraft getretenen Fassung des FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38, bestimmt zwar, dass auch das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens bei den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts unzulässig ist. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es sich entgegen den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1078 BlgNR 24. GP 12) nicht um eine bloße "Klarstellung", sondern nach dem oben Gesagten um eine inhaltliche Änderung dieser Regelung handelt. Die belangte Behörde hat aber zu Recht nicht § 19 Abs. 2 NAG in der Fassung des FrÄG 2011, sondern -

wie aus der Wiedergabe der Bestimmung im angefochtenen Bescheid hervorgeht - in der Stammfassung angewendet. Gesetzliche Formalvoraussetzungen für die Antragstellung sind nämlich, sofern (wie hier) Übergangsbestimmungen nichts anderes vorsehen, nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Einbringung - womit die Antragstellung verwirklicht ist - und nicht nach jener zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu beurteilen (vgl. in diesem Sinn auch die Erläuterungen zu § 81 Abs. 1 NAG, 952 BlgNR 22. GP 149).

Der angefochtene Bescheid war nach dem oben Gesagten gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am