VwGH vom 09.11.2011, 2011/22/0250
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2011/22/0251
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der 1. V B und 2. L B, beide in S, beide vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwalt in 4690 Schwanenstadt, Stadtplatz 22, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom , 1.) Zl. 320.045/3-III/4/10 (hg. Zl. 2011/22/0250), 2.) Zl. 320.045/2-III/4/10 (hg. Zl. 2011/22/0251), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.212,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wies die Bezirkshauptmannschaft V im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich als Behörde erster Instanz die Anträge der Beschwerdeführerinnen (Mutter und Tochter serbischer Staatsangehörigkeit) vom auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen nach § 44 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gemäß dieser Bestimmung und § 44b Abs. 1 Z 3 NAG zurück.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die dagegen gerichtete Berufung als unbegründet ab.
Zur Begründung führte sie aus, die Zweitbeschwerdeführerin habe am und die Erstbeschwerdeführerin nach ihrer Geburt am einen Asylantrag gestellt. Über beide Anträge sei mit "rechtskräftig negativ entschieden" worden. Im Verfahren betreffend die Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 3 NAG sei von der Erstbehörde die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich um Stellungnahme ersucht worden. Mit habe die Sicherheitsdirektion festgestellt, dass fremdenpolizeiliche Maßnahmen bis zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes der Zweitbeschwerdeführerin vorübergehend unzulässig seien, weil eine Risikoschwangerschaft vorliege. In der dazu im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Äußerung hätten die Beschwerdeführerinnen ausgeführt, es sei unverständlich, dass sie ausreisen sollten, während ihr Vater bzw. Ehemann in Österreich bleiben dürfe. Auf Grund der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion, so die belangte Behörde weiter, habe die erstinstanzliche Behörde die Anträge zurückweisen müssen. Es seien auch keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer maßgeblichen Änderung des Sachverhaltes vorgelegen. Die Zurückweisungsentscheidung sei daher korrekt gewesen, und die Berufung müsse folglich abgewiesen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde hat den Anwendungsbereich des herangezogenen Zurückweisungsgrundes des § 44b Abs. 1 Z 3 NAG (idF BGBl. I Nr. 29/2009) verkannt. Dieser ist nämlich nur dann gegeben, wenn sich die Erlassung einer Ausweisung bisher als nicht zulässig dargestellt hat, diese Unzulässigkeit aber nur als vorübergehend anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0148), nicht hingegen dann, wenn über die Zulässigkeit einer Ausweisung noch gar nicht zu befinden war. Das kommt in den diese Bestimmung betreffenden Erläuterungen zur Regierungsvorlage (88 BlgNR 24. GP, 12) klar zum Ausdruck. Dort heißt es wörtlich: "Die ebenfalls zur Zurückweisung führende Stellungnahme der Sicherheitsdirektion im Sinne der Z 3 wird in Fällen zum Tragen kommen, in welchen die Zulässigkeit einer Ausweisung bereits im Asylverfahren zu prüfen war, jedoch noch kein Ausspruch über den Aspekt der Dauerhaftigkeit zu erfolgen hatte. Die Fremdenpolizeibehörden sollen in diesen Fällen nicht formal abzusprechen haben, sondern lediglich die 'Dauerhaftigkeit' beurteilen"; und weiter (88 BlgNR 24. GP, 13): "Ist eine Ausweisungsentscheidung in einem vorangegangen asylrechtlichen Verfahren aufgrund einer drohenden Verletzung des Privat- und Familienlebens unterblieben, so hat die Fremdenpolizeibehörde darüber im allgemeinen nicht formal abzusprechen (siehe auch § 125 Abs. 10 (neu)), sondern unter Berücksichtigung der in der asylrechtlichen Entscheidung enthaltenen Begründung, die Aufenthaltsbehörde zu informieren, ob die Unzulässigkeit der Ausweisung als auf Dauer oder bloß vorübergehend beurteilt wird, was wiederum ein Vorgehen der Aufenthaltsbehörde nach § 44a oder § 44b Abs. 1 Z 3 nach sich zieht. Selbstverständlich hat die Fremdenpolizeibehörde aber allenfalls geänderte Umstände zu berücksichtigen. Hat sich daher der Sachverhalt seit der asylrechtlichen Entscheidung maßgeblich geändert und ist die Ausweisung (z.B. auf Grund von Straffälligkeit des Fremden) gemäß § 66 FPG mittlerweile möglich, so ist diese selbstverständlich zu erlassen". In den vorliegenden Fällen wurde aber in den Asylverfahren über eine Ausweisung in keiner Weise abgesprochen, weil die Ausweisung - entsprechend der von den Asylbehörden anzuwendenden Rechtslage - nicht Gegenstand dieser Verfahren war. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich daher schon deshalb als rechtswidrig, weil der Zurückweisungstatbestand des § 44b Abs. 1 Z 3 NAG nicht erfüllt war.
Weiters ist die belangte Behörde in rechtswidriger Weise davon ausgegangen, dass sie jedenfalls an die Ausführungen der Sicherheitsdirektion gebunden sei (vgl. dazu ausführlich das genannte Erkenntnis vom , auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).
Aus den genannten Gründen waren die angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am
Fundstelle(n):
PAAAE-92545