VwGH vom 04.09.2012, 2009/12/0174

VwGH vom 04.09.2012, 2009/12/0174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Zens, die Hofrätin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des A W in V, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom , Zl. BMJ-6000097/0002-StV/2009, betreffend Aufwandsentschädigung gemäß § 20 GehG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der mit der Beschwerde vorgelegte angefochtene Bescheid hat auszugsweise folgenden Inhalt:

" Bescheid

Der Berufung des Beschwerdeführers , vertreten durch Mag. N, Sekretär der Gewerkschaft, vom gegen den Bescheid der Vollzugsdirektion vom , BMJ- 3001580/0008-VD 4/2008, wird k e i n e Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Begründung:

Der Beschwerdeführer steht als Justizwachebeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Justizanstalt Innsbruck.

Mit Ansuchen vom ersuchte der Beschwerdeführer um Kostenübernahme einer Bildschirmbrille gemäß § 20 GehG 1956. Er sei als Leiter der Depositenstelle in Verwendung und handle es sich bei diesem Arbeitsplatz tatsächlich um einen Bildschirmarbeitsplatz, an dem vorwiegend (ca. 90%) Bildschirmarbeit zu verrichten sei. Dem Ansuchen wurden vier Kostenvoranschläge angeschlossen, von denen das Angebot der Firma F in der Höhe von 579,--Euro für zwei Gleitsichtspitzengläser das günstigste war.

Diesem Antrag wurde mit Bescheid der Vollzugsdirektion vom , BMJ-3001580/0008-VD 4/2008, unter Bezugnahme auf das Rundschreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom insoweit entsprochen, als dem Beschwerdeführer als Abgeltung des Mehraufwandes für die Anschaffung einer Bildschirmbrille ein Betrag von 236,--Euro zuerkannt wurde. Dabei wurde von der Dienstbehörde festgestellt, dass auf Grund des beim Beschwerdeführer diagnostizierten Astigmatismus die Anschaffung von neuen entspiegelten Kunststoffgläsern (Multifokalgläser) erforderlich ist. Die Abweisung des Mehrbegehrens wird von der Dienstbehörde mit den im Rundschreiben des Bundesministeriums für Finanzen (Punkt 4. und 5.) festgelegten Beschränkung des Kostenersatzes auf die unbedingt notwendigen medizinischen Anforderungen begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung des Beschwerdeführers , vertreten durch Mag. N, Sekretär der Gewerkschaft, vom . Begründend wird darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die erforderlichen Kostenvoranschläge beigeschafft habe und nach dem Erlass der Vollzugsdirektion vom , BMJ-41000/0001-VD4/2007, das preisgünstigste Angebot zu nehmen ist.

Die Berufung ist zulässig und rechtzeitig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 20 Abs. 1 GehG 1956 hat der Beamte Anspruch auf Ersatz des Mehraufwandes, der ihm in Ausübung des Dienstes oder aus Anlass der Ausübung des Dienstes notwendigerweise entstanden ist.

Darunter kann - unter bestimmten Voraussetzungen - auch die Anschaffung einer speziellen Sehhilfe zum notwendigen Schutz bei Bildschirmarbeit (sog. 'Bildschirmbrille') fallen.

Der Erlass der Vollzugsdirektion vom , BMJ- 41000/0001-VD4/2007, stützt sich auf die Verordnung der Bundesregierung über den Schutz der Bundesbediensteten bei Bildschirmarbeit (B-BS-V), BGBI. 11 Nr. 453/1999, und übernimmt im Wesentlichen die - aufgrund dieser Verordnung - in einem Rundschreiben des Bundesministeriums für Finanzen, GZ 920.611/4- VII/A/6/00, vom , ergangenen Empfehlungen betreffend die Kostenübernahme für 'Bildschirmbrillen'.

Die relevanten Bestimmungen der Verordnung der Bundesregierung in Verbindung mit der Bildschirmarbeitsverordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, BGBI. II Nr. 124/1998, BS-V betreffend 'Bildschirmbrillen' lauten:

§ 1 B-BS-V iVm § 12 BS-V betreffend Sehhilfen:

(1) Bediensteten sind spezielle Sehhilfen zur Verfügung zu stellen, wenn die Ergebnisse der Untersuchungen nach § 11 Abs. 1 und 4 ergeben, dass diese notwendig sind, weil normale Sehhilfen nicht verwendet werden können. Spezielle Sehhilfen müssen folgenden Anforderungen entsprechen:

1. Abstimmung auf eine Arbeitsdistanz zum Bildschirm und zu den Belegen,

2. Abstimmung auf die physiologischen Gegebenheiten und pathologischen Befunde des Bediensteten,

3, die Gläser müssen entspiegelt, dürfen aber nicht getönt sein.

(2) Hinsichtlich der Brillenglasqualität sind unter Berücksichtigung des Abs. 1 Z 2 zu verwenden:


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1.
Einstärkengläser für die Arbeitsdistanz zum Bildschirm,
2.
Mehrstärkengläser, entweder hohe Bifokalgläser für die Arbeitsdistanz zum Bildschirm und Beleg oder Trifokal- oder Multifokalgläser mit besonders breitem Korridor für die Arbeitsdistanz zum Bildschirm.

(3) Die Kosten für Sehhilfen, die ausschließlich durch den notwendigen Schutz bei Bildschirmarbeit unter Beachtung der Abs. 1 und 2 entstehen, sind vom Dienstgeber zu tragen, sofern nicht die Träger der Sozialversicherung diese übernehmen.

Das Bundesministerium für Finanzen hat dazu im oben zitierten Rundschreiben vom Folgendes ausgeführt:

Unter Punkt 4. wird dargestellt, dass wahlweise ein Ersatz der Kosten der Bildschirmbrille gegen Vorlage eines Beleges oder eine Direktbeschaffung der Bildschirmbrille durch den Bund in Betracht (Direktvereinbarung mit einem Optiker) kommt. Welche dieser beiden Möglichkeiten gewählt wird, sollte von do. festgelegt werden. Der Kostenersatz hat sich auf die unbedingt notwendigen medizinischen Anforderungen der Bildschirmbrille zu beschränken. Arbeitsmedizinisch nicht erforderliche Sonderwünsche (betreffend Glasqualität oder Fassung) sind nicht zu ersetzen. Von den Bediensteten, die einen Kostenersatz begehren, sollte vor Anschaffung der Bildschirmbrille eine angemessene Preisrecherche verlangt werden; allenfalls können Preislimits, bis zu denen Kosten ohne Vorlage einer Preisrecherche ersetzt werden, bekannt gegeben werden.

Bei Ersatzbegehren über 2000 S (EUR 145,35) für eine Bildschirmbrille sollten jedenfalls detaillierte Begründungen und Nachweise verlangt werden und der Bedienstete schriftlich bestätigen, von mehreren Angeboten das preisgünstigste Angebot vorgelegt zu haben. Allenfalls kann der Bedienstete zur Einholung und Vorlage von Alternativangeboten unter genauer Kostenangabe der Detailpositionen, also zB betreffend Fassung und/oder Glasqualität aufgefordert werden.

In Punkt 5. wird darauf hingewiesen, dass nur die Kosten für notwendige Bildschirmbrillen als ein in Ausübung oder aus Anlass der Ausübung des Dienstes notwendigerweise entstandener Mehraufwand (§ 20 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54/1956, § 22 Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl. Nr. 86/1948) anzuerkennen sind. Sowohl beim Kostenersatz als auch bei der Beschaffung durch den Bund sind Sonderwünsche gegen Zuzahlung seitens des Bediensteten nur dann zu berücksichtigen, wenn der Charakter als Bildschirmbrille gewahrt bleibt (also nicht bei Gleitsichtbrille) und die Mehrkosten des Sonderwunsches (zB Fassung) vom Bediensteten übernommen werden.

Im konkreten Fall ist unstrittig, dass es sich beim Arbeitsplatz des Berufungswerbers als Leiter der Depositenstelle um einen sog. Bildschirmarbeitsplatz handelt. Auch die medizinische Notwendigkeit zur Anschaffung einer 'Multifokalbrille' steht außer Streit.

Auf Grund des Rundschreibens des Bundesministeriums für Finanzen ist der Kostenersatz auf die unbedingt notwendigen medizinischen Anforderungen beschränkt. Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 3 B-BS-V müssen Gläser von speziellen Sehbehelfen entspiegelt, dürfen jedoch nicht getönt sein.

Die Dienstbehörde hat erhoben, dass von der Firma F entspiegelte Kunststoffgleitsichtgläser zum Preis von 118,-- Euro angeboten werden. Diese Brillen entsprechen den zitierten Bestimmungen der Bundesbedienstetenschutzverordnung. Die Eignung dieser von der Firma F zum Preis von 118,-- Euro angebotenen Kunststoffgleitsichtgläser als Bildschirmbrille wird vom Beschwerdeführer in seinen Ausführungen auch nicht in Frage gestellt.

Der Beschwerdeführer wäre in Entsprechung des Punkt 4. des Rundschreibens des Bundesministeriums für Finanzen vom vielmehr dazu verhalten gewesen, Angebote, welche sich auf die unbedingt notwendigen medizinischen Anforderungen beschränken, einzuholen. Das vom Beschwerdeführer von der Firma F eingeholte Angebot bzw. die am zum Preis von 579,--Euro erworbenen Gleitsichtgläser überschreiten die unbedingt notwendigen medizinischen Anforderungen und stellen daher einen Sonderwunsch dar. Arbeitsmedizinisch nicht erforderliche Sonderwünsche (betreffend Glasqualität oder Fassung) sind jedoch nicht zu ersetzen.

Die über den im angefochtenen Bescheid gewährten Kostenersatz von 236,-- Euro hinausgehenden Mehrkosten hat der Beschwerdeführer selbst zu tragen.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Avbweisung der beschwerde beantragte: sie legte aber die Verwaltungsakten (trotz erfolgter Urgenz) nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 68 Abs. 1, 3 und 4 Bundes-Bedienstetenschutzgesetz in der Stammfassung BGBl. I Nr. 70/1999 lauten:

"§ 68. (1) Im Rahmen der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren ist auch auf die mögliche Beeinträchtigung des Sehvermögens sowie auf physische und psychische Belastungen besonders Bedacht zu nehmen. Auf Grundlage dieser Ermittlung und Beurteilung sind zweckdienliche Maßnahmen zur Ausschaltung der festgestellten Gefahren zu treffen, wobei das allfällige Zusammenwirken der festgestellten Gefahren zu berücksichtigen ist.

(3) Bei Beschäftigung von Bediensteten, die bei einem nicht unwesentlichen Teil ihrer normalen Arbeit ein Bildschirmgerät benutzen, gilt folgendes:

1. Der Dienstgeber hat die Tätigkeit so zu organisieren, daß die tägliche Arbeit an Bildschirmgeräten regelmäßig durch Pausen oder durch andere Tätigkeiten unterbrochen wird, die die Belastung durch Bildschirmarbeit verringern.

2. Die Bediensteten haben das Recht auf eine Untersuchung der Augen und des Sehvermögens, und zwar vor Aufnahme der Tätigkeit, sowie anschließend in regelmäßigen Abständen und weiters bei Auftreten von Sehbeschwerden, die auf die Bildschirmarbeit zurückgeführt werden können.

3. Die Bediensteten haben das Recht auf eine augenärztliche Untersuchung, wenn sich dies auf Grund der Ergebnisse der Untersuchung nach Z 2 als erforderlich erweist.

4. Den Bediensteten sind spezielle Sehhilfen zur Verfügung zu stellen, wenn die Ergebnisse der Untersuchungen nach Z 2 und 3 ergeben, daß diese notwendig sind.

(4) Maßnahmen nach Abs. 3 Z 2 bis 4 dürfen in keinem Fall zu einer finanziellen Mehrbelastung der Bediensteten führen.

…"

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass ein Anspruch auf Kostenersatz gemäß § 68 Abs. 3 Z. 4 B-BSG iVm § 20 GehG des Dienstgebers an den Dienstnehmer für die bereits ausgelegten Kosten einer Bildschirmbrille in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/12/0152 = VwSlg 17209 A/2007).

Im Beschwerdefall lehnte die belangte Behörde die Übernahme der gesamten Kosten der vom Beschwerdeführer erworbenen Bildschirmbrille in der Höhe von EUR 579,00 ab, weil die unbedingt notwendigen medizinischen Anforderungen an die Bildschirmbrille überschritten worden seien und sie daher einen Sonderwunsch des Beschwerdeführers darstellten.

Gemäß § 68 Abs. 1 B-BSG sind u.a. Maßnahmen zur Ausschaltung der Gefahr der Beeinträchtigung des Sehvermögens zu treffen. Gemäß § 68 Abs. 3 Z. 4 B-BSG sind dem Bediensteten spezielle Sehhilfen zur Verfügung zu stellen, wenn die Ergebnisse der nach Z. 2 und 3 leg. cit. durchgeführten Untersuchungen ergeben, dass diese notwendig sind. Gemäß Abs. 4 leg. cit. dürfen Maßnahmen nach der soeben zitierten Bestimmung in keinem Fall zu einer finanziellen Mehrbelastung des Bediensteten führen.

Der Beschwerdeführer hat als Rechtswidrigkeit des Inhaltes in seiner Beschwerde geltend gemacht, die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, dass gemäß Punkt 4. des Rundschreibens des Bundesministeriums für Finanzen sich der Kostenersatz auf die unbedingt notwendigen medizinischen Anforderungen der Bildschirmbrille zu beschränken habe und arbeitsmedizinisch nicht erforderliche Sonderwünsche nicht zu ersetzen seien, wäre nur dann richtig, wenn die Anschaffung ohne berufliche und gesundheitlich Notwendigkeit erfolgt wäre. Davon könne keine Rede sein. Der Beschwerdeführer habe bereits vor zwei Jahren eine Bildschirmbrille mit Gläsern der preisgünstigsten Kategorie angeschafft, weil die minderwertige Qualität der Gläser seine Sehkraft jedoch erheblich beeinträchtigt habe, sei zur Prävention die Anschaffung einer Gleitsichtbrille mit teureren Gläsern unumgänglich gewesen.

Gemäß § 38 Abs. 2 VwGG hat die Behörde die Verwaltungsakten vorzulegen. Unterlässt sie dies, so kann der Verwaltungsgerichtshof, wenn er die Behörde auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen hat, aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen.

Die belangte Behörde wurde mit Verfügung vom betreffend die Einleitung des Vorverfahrens auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen, wonach der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Unterbleibens einer fristgerechten Aktenvorlage berechtigt sei, aufgrund der Beschwerdebehauptungen zu erkennen. Weiters wurde die Aktenvorlage mit Schreiben vom betrieben. Eine Aktenvorlage durch die belangte Behörde erfolgte nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof legt daher seinem Erkenntnis die Beschwerdebehauptung zugrunde, wonach durch minderwertigere Qualität der Gläser die Sehkraft des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt würde, sodass zum Schutze seiner Sehkraft die Anschaffung der Gleitsichtbrille mit teureren Gläsern unumgänglich gewesen sei. Da dem angefochtenen Bescheid die Aufschlüsselung der Kosten der vom Beschwerdeführer erworbenen Brille nicht zu entnehmen ist, die Verwaltungsakten trotz erfolgten Hinweises auf die Rechtsfolgen des § 38 Abs. 2 VwGG nicht vorgelegt wurden, war der vorliegenden Entscheidung die Beschwerdebehauptung zu Grunde zu legen, wonach es zur Vermeidung der Beeinträchtigung der Sehkraft des Beschwerdeführers notwendig war, die erworbene Brille anzuschaffen.

Die belangte Behörde wäre daher gemäß § 68 Abs. 3 Z. 4 B-BSG iVm § 20 GehG zum Ersatz der Kosten der Gleitsichtbrille verpflichtet gewesen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II NR. 455.

Wien, am