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VwGH vom 16.12.2014, Ro 2014/22/0018

VwGH vom 16.12.2014, Ro 2014/22/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lechner, über die Revision des S in W, vertreten durch Dr. Albert Birkner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA35-9/2898161- 01, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, reiste am in Österreich ein und stellte am darauffolgenden Tag einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom rechtskräftig abgewiesen.

Am beantragte der Revisionswerber die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), der nunmehr als Antrag gemäß § 43 Abs. 4 NAG zu werten ist. Mit diesem Antrag legte der Revisionswerber unter anderem Nachweise über Gutschriften der P GmbH und der CP GmbH auf Grund abgeschlossener Werkverträge vor.

Mit Schreiben des Landeshauptmannes von Wien (im Folgenden: belangte Behörde) vom wurde der Revisionswerber aufgefordert, als Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag, Vermögensnachweise in ausreichender Höhe oder eine Patenschaftserklärung vorzulegen. Ein weiteres Aufforderungsschreiben erging am . Mit Schreiben vom wurde der Revisionswerber vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihm wurde die beabsichtigte Abweisung seines Antrages mitgeteilt. Der Revisionswerber legte daraufhin einen Arbeitsvorvertrag (betreffend eine Einstellung als Hilfskraft zu einem Bruttolohn von EUR 990,-- monatlich) und Gutschriften der W GmbH aus den vorangegangenen drei Monaten (als Zeitungszusteller) basierend auf einem Werkvertrag vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 43 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 2 und Abs. 5 NAG ab. In ihrer Begründung hielt sie fest, dass das vom Revisionswerber "vorgelegte Einkommen (Gutschriften) der (W) GmbH aufgrund fehlender arbeitsmarktrechtlicher Bewilligung nicht als Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes herangezogen werden" könne und dieser Nachweis somit nicht erbracht worden sei. Es liege daher die allgemeine Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht vor, weshalb der Antrag abzuweisen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision.

Die belangte Behörde erstattete dazu eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1

Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen.

Vorauszuschicken ist Folgendes: Entgegen der Auffassung der

belangten Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung ist die vorliegende Revision nicht verspätet, weil der Revisionswerber innerhalb der gegen den angefochtenen Bescheid ursprünglich zur Verfügung stehenden Beschwerdefrist die Gewährung der Verfahrenshilfe beantragt hat, die durch die Einbringung des Verfahrenshilfeantrages unterbrochene Frist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung als Verfahrenshelfer gemäß § 26 Abs. 3 VwGG neu zu laufen begann und innerhalb dieser Frist Revision erhoben wurde.

Da der angefochtene Bescheid vor Ablauf des erlassen wurde und - wie dargestellt - infolge der Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag die Beschwerdefrist mit Ende dieses Tages noch gelaufen ist, gelten für die Behandlung der Revision gemäß § 4 Abs. 5 iVm Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung - mit einer fallbezogen nicht relevanten Maßgabe - sinngemäß.

Angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am sind die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 68/2013 maßgeblich.

§ 11 NAG lautet auszugsweise wie folgt:

"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) ...

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

...

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen

Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

...

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage."

Der Revisionswerber vertritt in der Revision die Auffassung, er habe mit seinen Einkommensnachweisen seine Selbsterhaltungsfähigkeit dargetan. Auch bislang habe er keine finanziellen Leistungen einer Gebietskörperschaft in Anspruch genommen. Weiters verweist er auf den von ihm vorgelegten Arbeitsvorvertrag.

Dem Revisionsvorbringen kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Die belangte Behörde begründete das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG damit, dass die vorgelegten Gutschriften auf Grund des Nichtvorliegens einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung nicht als Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes herangezogen werden könnten. Soweit die belangte Behörde damit das Nichtvorliegen einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ansprechen sollte, ist ihr vorzuhalten, dass sie nicht dargelegt hat, weshalb der Revisionswerber für seine (wie aus den vorgelegten Unterlagen, auf die sich die belangte Behörde bezieht, abzuleiten ist) selbständige Erwerbstätigkeit eine derartige Bewilligung benötigt (vgl. das Erkenntnis vom , 2013/22/0248). Selbst wenn die belangte Behörde mit dem Verweis auf die "arbeitsmarktrechtliche Bewilligung" auf eine Gewerbeberechtigung abstellen sollte, wäre ihr ebenfalls anzulasten, dass sie nicht hinreichend dargelegt hat, wieso sie von der Notwendigkeit des Vorliegens einer solchen ausgegangen ist. Die belangte Behörde nimmt im angefochtenen Bescheid auch nur kursorisch auf die vom Revisionswerber vorgelegten Gutschriften Bezug. Nähere Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Revisionswerbers bleibt sie schuldig.

Die belangte Behörde erwähnt im angefochtenen Bescheid zwar den vom Revisionswerber vorgelegten Arbeitsvorvertrag. Nähere Ausführungen dazu, warum sie (ungeachtet des Umstandes, dass sie selbst den Revisionswerber zur Vorlage eines Vorvertrages aufgefordert hat) davon ausgeht, damit könne ein gesicherter Lebensunterhalt nicht nachgewiesen werden, tätigt sie aber nicht einmal im Ansatz (vgl. das Erkenntnis vom , 2013/22/0231).

Da nicht ausgeschlossen ist, dass die belangte Behörde bei einer mängelfreien Auseinandersetzung mit den dargelegten Umständen zu einer anderen Entscheidung hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 und § 4 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am