VwGH vom 09.11.2011, 2011/22/0209
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des EA, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 157.540/2-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 und § 44b Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen.
In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde darauf ab, dass gegen den Beschwerdeführer seit eine rechtskräftige Ausweisung bestehe.
Der Beschwerdeführer sei im Jänner 1990 in das Bundesgebiet eingereist. Er habe bis "sechs Sichtvermerke" erhalten. Zuletzt habe er über eine Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck unselbständige Erwerbstätigkeit, welche bis gültig gewesen sei, verfügt. Mit Bescheid vom sei sein verspätet gestellter Verlängerungsantrag rechtskräftig abgewiesen worden. Bereits im Februar 1995 sei seitens der Fremdenpolizeibehörde gegen den Beschwerdeführer ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden. Ein später im Jahr 2002 gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei ebenfalls abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei allerdings weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet geblieben. Zuletzt sei der Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , welcher seit rechtskräftig und durchsetzbar sei, ausgewiesen worden. Dabei sei eine Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK durchgeführt worden. An diese Entscheidung seien die "NAG-Behörden" gebunden.
Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, auf Grund seines 20- jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet und seiner "zahlreichen Beschäftigungen" in Österreich integriert zu sein. Er habe auch Nachweise über einen "positiven Deutschkurs" vorgelegt. Er verfüge aber über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Es seien in Bezug auf sein Privatleben auch "keine zu berücksichtigenden Interessen" gegeben. Auf Grund seiner Beschäftigung sei "eine entsprechende Integration" gegeben, jedoch sei der Beschwerdeführer seit Oktober 1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Die zuletzt für seine Erwerbstätigkeit erteilte Beschäftigungsbewilligung sei bis gültig gewesen. Seine "nachherigen beruflichen Tätigkeiten" seien als "Schwarzarbeit" zu bezeichnen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der belangten Behörde ist eine Verkennung der Rechtslage vorzuwerfen.
Nach dem von ihr herangezogenen § 44b Abs. 1 Z 1 NAG darf nach Erlassung einer Ausweisung mit Antragszurückweisung nur dann vorgegangen werden, wenn im Hinblick auf das Antragsvorbringen eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht erforderlich ist. Dass eine solche Neubeurteilung hier geboten ist, erhellt schon der Umstand, dass die belangte Behörde die inhaltliche Bewertung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten integrationsbegründenden Umstände - wenn auch unvollständig - vorgenommen hat. Ausgehend davon, dass im vorliegenden Fall mit Blick auf die im Mai 2006 (also vor mehr als fünf Jahren) ergangene Ausweisung eine Änderung des Sachverhaltes vorliegt, die einer Neubewertung nach Art. 8 EMRK zu unterziehen ist, erweist sich die dennoch auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gestützte Antragszurückweisung als rechtlich verfehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/22/0018, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom selben Tag, 2011/22/0127; vgl. ausführlich zu den für eine Antragszurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG maßgeblichen Kriterien das hg. Erkenntnis vom , 2011/22/0035 bis 0039, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-92501