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VwGH vom 30.07.2014, Ro 2014/22/0006

VwGH vom 30.07.2014, Ro 2014/22/0006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Revision der H, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft New Delhi vom , Zl. VAN141477, betreffend Visum, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Österreichische Botschaft New Delhi (in der Folge kurz "Behörde") den Antrag der Revisionswerberin vom auf Ausstellung eines Schengen-Visums, eingebracht am , gemäß "Art. 32

(1) b8" des Visakodex unter Verwendung eines Formblattes - durch Ankreuzen des entsprechenden Textbausteins - mit der Begründung ab, die vorgelegten Informationen über den Zweck und die Bedingungen des beabsichtigten Aufenthaltes seien nicht glaubhaft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Revision nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die Behörde erwogen:

Da der angefochtene Bescheid vor Ablauf des erlassen wurde und die Beschwerdefrist mit Ende dieses Tages noch gelaufen ist, gelten gemäß § 4 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, für die Behandlung der Revision die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.

Gemäß Art. 32 Abs. 1 lit. b des Visakodex (Verordnung Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über einen Visakodex der Gemeinschaft) ist das Visum zu verweigern, wenn begründete Zweifel an der Echtheit der von dem Antragsteller vorgelegten Belege oder am Wahrheitsgehalt ihres Inhalts, an der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen oder der von ihm bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass ein Bescheid der österreichischen Botschaft betreffend die Erteilung eines Visums nicht schon deshalb an einem Begründungsmangel leidet, wenn er sich auf das Ankreuzen von Textbausteinen beschränkt, ohne auf den konkreten Fall Bezug zu nehmen und Feststellungen dazu zu treffen. Diese Vorgangsweise entspricht nämlich den besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden (vgl. § 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG) sowie dem seit geltenden Visakodex. Der für eine Entscheidung maßgebliche Sachverhalt muss aber im Akt nachvollziehbar sein und es ist die Behörde in einem solchen Verfahren gehalten, dem Antragsteller vor der Abweisung seines Antrages Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/21/0344). Gewährt die Behörde zu den Verweigerungsgründen des Art. 32 Visakodex zwar formal Parteiengehör, ohne die Fremde allerdings davon in Kenntnis zu setzen, auf Grund welcher konkreten Umstände sie diese Tatbestände verwirklicht sieht, erweist sich die Gewährung des Parteiengehörs als unzureichend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/21/0100).

Im vorliegenden Fall beantragte die Revisionswerberin ein Visum für den Zeitraum bis zwecks Besuches ihres in Österreich lebenden Onkels und dessen Familie. Diesem Antrag legte sie u.a. eine Bestätigung eines indischen Unternehmens vor, derzufolge sie seit dort angestellt sei und die Erlaubnis erhalten habe, für 90 Tage nach Österreich zu reisen.

Auf dieser Bestätigung wurde durch einen Mitarbeiter der Botschaft vermerkt, dass die angegebene Adresse dieses Unternehmens falsch sei und er mehrmals vergeblich versucht habe, dieses Unternehmen telefonisch zu erreichen.

Die Behörde forderte die Revisionswerberin mit Schreiben vom , übergeben am , auf, innerhalb von sieben Kalendertagen Stellung zu nehmen. Eine Prüfung habe ergeben, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden könne, weil "(d)ie vorgelegten Informationen über den Zweck und die Bedingungen des beabsichtigten Aufenthalts (...) nicht glaubhaft (waren)".

In einem Aktenvermerk vom hielt die Behörde fest, welche Gründe zur Abweisung des Antrages geführt hätten, nämlich:

" Grad keinerlei Deutsch- oder Englischkenntnisse

Grad mehrere Male gefragt, wann Antragsteller ihren

derzeitigen Job begonnen hat, jedesmal mit Mai 2013

geantwortet, obwohl in der Arbeitsbestätigung der

angegeben ist.

Grad gab an als Personal Assistant tätig zu sein,

und nicht wie in Arbeitsbestätigung als Marketing Controller.

Grad meinte erst, sie würde in einem Monat heiraten,

danach widersprach sie sich und meinte nach Ablauf der 90

Tage Österreichreise

Grad auf die Frage, wie sie sich nach erst 8 Monaten

Arbeitsaufnahme (laut eigenen Angaben) 90 Tage frei nehmen

konnte, meinte sie nur, dass dies kein Problem sei"

Aus diesem Aktenvermerk geht als tragender Grund für die Abweisung des Antrages hervor, dass die Behörde den Angaben der Revisionswerberin über ihre berufliche Verankerung im Heimatland die Glaubwürdigkeit abspricht. Wenn die Behörde nun in der Gegenschrift vorrangig darauf verweist, dass keine regelmäßigen Einzahlungen, die auf Lohnzahlungen hindeuten könnten, auf den Bankauszügen aufschienen, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie diesbezüglich der Revisionswerberin nur unzulänglich Parteiengehör gewährt hat. Die Behörde hätte der Revisionswerberin ermöglichen müssen, weitere Nachweise über das Dienstverhältnis, dessen Existenz von der Behörde in Zweifel gezogen wird, zu erbringen. Divergenzen in den Angaben über den Arbeitsbeginn allein berechtigten die Behörde nicht, die Glaubwürdigkeit der Revisionswerberin und die Existenz eines Dienstverhältnisses in Frage zu stellen. Gleiches gilt für die genaue Bezeichnung der Arbeitstätigkeit als "Personal Assistant" oder "Marketing Controller".

Zu dem von der Behörde herangezogenen Argument der Unglaubwürdigkeit eines dreimonatigen Fernbleibens von der Arbeitsstelle ist der Behörde vorzuwerfen, dass sie die vorgelegte Mitteilung des Arbeitgebers nicht berücksichtigt hat, wonach dies der Revisionswerberin gestattet worden wäre.

Die weiteren Argumente für eine Unglaubwürdigkeit der Behauptungen der Revisionswerberin, nämlich das Fehlen von Deutsch- oder Englischkenntnissen und widersprüchliche Angaben über die beabsichtigte Hochzeit, reichen für sich nicht aus, um insgesamt auf eine Unglaubwürdigkeit der Angaben der Revisionswerberin schließen zu dürfen. Da diese Schlussfolgerung - wie bereits ausgeführt - in tragender Weise von der Richtigkeit der Angaben über das Dienstverhältnis abhängt, ist der Behörde diesbezüglich die Verletzung des Parteiengehörs als relevanter Verfahrensmangel anzulasten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am