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VwGH vom 22.01.2015, Ro 2014/21/0069

VwGH vom 22.01.2015, Ro 2014/21/0069

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des K A, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-13-0088, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die zugrunde liegende Administrativbeschwerde und den Antrag auf Kostenersatz abweist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen (Ausspruch nach § 83 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen) wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger von Algerien und reiste am von Ungarn kommend in das Bundesgebiet ein. Noch am selben Tag begab er sich zur Erstaufnahmestelle Ost nach Traiskirchen, wo er einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. In der Folge wurde er in der Betreuungsstelle Ost untergebracht.

Mit erging unter Bezugnahme auf seit mit Ungarn geführte "Dublin-Konsultationen" die Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005, dass die Zurückweisung des gestellten Antrags auf internationalen Schutz nach § 5 AsylG 2005 beabsichtigt sei. Hierauf erließ die Bezirkshauptmannschaft Baden (BH) einen Festnahmeauftrag, in dessen Vollzug ihr der Revisionswerber am vorgeführt wurde. Nach dessen Einvernahme ordnete die BH mit Bescheid vom gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 und zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) an.

Unter der Überschrift "einzelfallbezogene Prüfung bezüglich ihrer Person" führte die BH aus, "die Erhebungen haben ergeben", dass der Revisionswerber am in Österreich einen "Asylantrag" gestellt und dass er sich vor der illegalen Einreise in Ungarn und Griechenland aufgehalten "bzw." dort bereits einen Asylantrag eingebracht habe. Ungarn sei ein Mitgliedstaat der Europäischen Union und "Unterzeichner des Dublin II-Abkommens". Es sei daher davon auszugehen, dass der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden würde. "Zur sozialen Verankerung" stellte die BH fest, dass der Revisionswerber in Österreich "in keinster Weise" sozial integriert sei; er habe hier weder Wohnung noch Einkommen und auch keine nahen Familienangehörigen. "Wie bereits oben ausgeführt", könne er seinen Aufenthalt in Österreich nicht legalisieren. Es sei daher die Annahme gerechtfertigt, dass er sich dem behördlichen Zugriff entziehen werde, um die Vollstreckung fremdenpolizeilicher Maßnahmen gegen seine Person zu verhindern oder zumindest erheblich zu erschweren. Der Zweck der Schubhaft könne daher mit gelinderen Mitteln nicht erreicht werden.

Mit am erlassenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 zurück, verbunden mit seiner Ausweisung nach Ungarn gemäß § 10 AsylG 2005. Der Revisionswerber verblieb in Schubhaft und erhob dann gegen deren Verhängung sowie die "fortdauernde" Anhaltung mit Schriftsatz vom eine Administrativbeschwerde mit dem Antrag, die genannten Maßnahmen unter Kostenersatz für rechtswidrig zu erklären.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) der Administrativbeschwerde gemäß § 83 FPG iVm § 67c AVG keine Folge. Außerdem stellte die belangte Behörde gemäß § 83 Abs. 4 FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und sprach aus, dass ein Kostenzuspruch nicht stattfinde.

Begründend führte die belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, der Revisionswerber habe sich wiederholt über Einreisevorschriften hinweggesetzt. Außerdem habe er das anhängige Asylverfahren in Ungarn, an dem er offensichtlich kein Interesse gehabt habe, nicht abgewartet; er habe nur eine Arbeitsaufnahme in Europa beabsichtigt und insoweit auch "das Regelwerk für schutzbedürftige Personen" missbräuchlich in Anspruch genommen. Angesichts der ihm zur Kenntnis gebrachten Fortführung des Asylverfahrens in Ungarn und der beabsichtigten Rücküberstellung dorthin könne der BH somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Schubhaft für erforderlich erachtet habe. Zwischenzeitlich habe die Asylbehörde die Ausweisung und die Rücküberstellung des Revisionswerbers nach Ungarn verfügt. Es lägen daher auch aktuell die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 761/2013-4, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In dieser Konstellation kann - analog § 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) - in sinngemäßer Anwendung des Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Davon wurde nach Abtretung der Beschwerde in Befolgung des dann erteilten Verbesserungsauftrages Gebrauch gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß dem zweiten Satz des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG ist die gegenständliche Revision nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG (idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) vorliegen. Nach der zuletzt genannten Bestimmung ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den auftragsgemäß erstatteten Ausführungen zur Darlegung der Gründe, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, macht der Revisionswerber geltend, dass der angefochtene Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Im Besonderen stehe er im Gegensatz zum hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0225, welches "einen praktisch ident gelagerten Fall" betreffe.

Dieses Vorbringen ist insoweit zutreffend, als es auch im Fall des genannten Erkenntnisses um einen algerischen Staatsangehörigen ging, der am von Ungarn kommend unmittelbar nach seiner Einreise nach Österreich in der Erstaufnahmestelle Ost in Traiskirchen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte und gegen den dann am seitens der BH Schubhaft - allerdings auf Basis des § 76 Abs. 2 Z 4 FPG - verhängt worden war. Von seiner Begründung her gleicht dieser Schubhaftbescheid nahezu vollständig dem gegenständlichen Schubhaftbescheid. Wie hier hatte die belangte Behörde die gegen die Verhängung und die "fortdauernde" Anhaltung in Schubhaft erhobene Administrativbeschwerde abgewiesen, was der Verwaltungsgerichtshof als inhaltlich rechtswidrig beurteilte. Aus den im angesprochenen Erkenntnis vom näher dargestellten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ist daher auch die im vorliegenden Fall erfolgte Abweisung der Administrativbeschwerde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, zumal - wie sich aus den seinerzeitigen Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes zum damals auch zu beurteilenden Fortsetzungsausspruch ergibt - dem Umstand, dass hier die Schubhaftnahme auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt werden konnte, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt und die hier ergänzend angestellten Erwägungen der belangten Behörde keine andere Beurteilung ergeben können. Im erwähnten Umfang (Abweisung der zugrunde liegenden Administrativbeschwerde; damit auch in seinem Kostenausspruch) ist mithin auch der gegenständliche Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Was dagegen den Fortsetzungsausspruch nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG anlangt, so ist entscheidungswesentlich, dass mittlerweile im Asylverfahren bereits ein Zurückweisungsbescheid nach § 5 AsylG 2005 - in Verbindung mit einer durchsetzbaren Ausweisung nach Ungarn - ergangen war. Insoweit lag daher nunmehr der Schubhafttatbestand nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG vor (und auch jener nach § 76 Abs. 2a Z 1 FPG), was in typisierender Betrachtungsweise die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht (vgl. etwa das eine ähnliche Konstellation betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0178). Insoweit ist der vorliegende Fall nicht mehr mit demjenigen des vom Revisionswerber angesprochenen Erkenntnisses vom vergleichbar, weil der dort zu beurteilende Ausspruch nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG "bloß" auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG basierte. Damit ist bezogen auf den gegenständlichen Fortsetzungsausspruch kein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich, weshalb - weil diesbezüglich auch sonst keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen ist - die gegenständliche Revision in diesem Umfang gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG mit Beschluss zurückgewiesen werden kann.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 3 Z 1 iVm § 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am