VwGH vom 13.07.2015, Ra 2015/02/0050

VwGH vom 13.07.2015, Ra 2015/02/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revision des F in S, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler, Mag. Helmut Leitner, Mag. Roland Stöglehner, Mag. Thomas Bodingbauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 31a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-600576/12/KH, betreffend Wiedereinsetzung iA Übertretungen des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom wurden über den Revisionswerber mehrere Geldstrafen wegen Übertretungen des Kraftfahrgesetzes verhängt. Mit Schriftsatz vom brachte der Revisionswerber in diesem Verfahren einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruchs gegen diese Strafverfügung ein. Begründet wurde der Antrag damit, dass der Rechtsvertreter des Revisionswerbers den Einspruch innerhalb offener Frist zur Post gebracht habe. Ein Mitarbeiter der Kanzlei habe kurze Zeit später festgestellt, dass der Einspruch nicht im Behördenakt eingelangt sei. Der Einspruch sei daher entweder am Postweg verloren gegangen oder bei der Behörde in Verlust geraten.

Dieser Wiedereinsetzungsantrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom als unbegründet abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Gleichzeitig sprach es aus, dass gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

Das Verwaltungsgericht legt im angefochtenen Erkenntnis zunächst den Verfahrensgang dar, wobei die Inhalte des Wiedereinsetzungsantrages, des Bescheides der belangten Behörde und der Beschwerde sowie die Aussage des zeugenschaftlich vernommenen Rechtsvertreters des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung wiedergegeben werden.

Im Zuge der rechtlichen Erwägungen hält das Verwaltungsgericht zur Aussage der Kanzleimitarbeiterin des Rechtsvertreters des Revisionswerbers vor der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung fest, dass diese in ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme angegeben habe, dass sie sich an den Einspruch genau erinnern könne, weil der Revisionswerber sehr oft in der Kanzlei sei und dort mehrere Akten von ihm bearbeitet würden, sowie dass sie den Einspruch zwischen 19. und zur Post gebracht habe.

In weiterer Folge legt das Verwaltungsgericht dar, aus welchen Gründen es der Zeugin nicht gelungen sei, "alle Zweifel an der tatsächlich erfolgten Postaufgabe (des Einspruchs) auszuräumen."

Weiters führt das Verwaltungsgericht aus, auch wenn im vorliegenden Fall behauptet werde, dass der Einspruch tatsächlich zur Post gegeben worden sei und der vorliegende Fall kein Anwendungsfall des Organisationsverschuldens darstelle, sei es unbestritten, dass in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Revisionswerbers keinerlei Nachweise vorliegen bzw. keine Aufzeichnungen geführt werden, ob bzw. welche Poststücke tatsächlich zur Post gegeben wurden. Das Verwaltungsgericht hält nach weiteren Ausführungen über die Notwendigkeit einer eingeschriebenen Postaufgabe fest, dass ein Einschreiben im gegenständlichen Fall nicht erfolgt sei und dies Zweifel daran aufkommen lassen vermag, dass die dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers obliegende erhöhte Sorgfaltspflicht als beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter entsprechend erfüllt worden sei. Der behauptete Verlust des Einspruchs könne nicht als unvorhergesehenes Ereignis angesehen werden. Auch mangelndes Verschulden oder minderer Grad des Versehens könne im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, weil dem berufsmäßigen Parteienvertreter eben besondere, erhöhte Sorgfaltspflichten auferlegt seien, welche auch den Schriftverkehr mit Behörden betreffen und welche aus Sicht des Verwaltungsgerichtes nicht in vollem Umfang erfüllt worden seien.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision zulassen und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 leg. cit. den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach dieser Rechtsprechung bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung 1. in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, 2. in der Beweiswürdigung, 3. in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei über die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/03/0045, mwN).

2. Diesen gesetzlichen Anforderungen genügt das vorliegende Erkenntnis nicht. Mangels entsprechender Feststellungen ist nicht erkennbar, welchen Sachverhalt das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legt. Insbesondere geht aus dem Erkenntnis nicht hervor, ob das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass der Einspruch ursprünglich fristgerecht bei der Post aufgegeben wurde. Die im Zuge der rechtlichen Beurteilung gemachten, der Sache nach eher beweiswürdigenden Ausführungen zur Aussage der vor der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vernommenen Zeugin ("scheint nicht zur Gänze nachvollziehbar", "vermag (...) nicht in vollem Umfang zu überzeugen", "vermag (...) nicht alle Zweifel an der tatsächlichen Postaufgabe auszuräumen") legen zwar nahe, dass das Verwaltungsgericht erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Postaufgabe hat. Eine Feststellung, wonach der Einspruch gar nicht zur Post gegeben worden wäre, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, zumal sich das Verwaltungsgericht in der Folge auch mit der Frage der nicht eingeschriebenen Aufgabe des Einspruchs auseinandersetzt.

3. Soweit das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Gefahrtragung für den Verlust einer zur Post gegebenen Sendung verweist (insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/12/0060) und dazu ausführt, dass der Revisionswerber den Beweis des Einlangens der Eingabe bei der Behörde nicht erbracht habe, übersieht es im Übrigen, dass im vorliegenden Fall unstrittig kein innerhalb der Einspruchsfrist zur Post gegebener Einspruch bei der Behörde eingelangt ist.

Verfahrensgegenständlich wäre vielmehr (sofern die - rechtzeitige - Postaufgabe des Einspruchs festgestellt wird), ob der Umstand, dass ein zur Post gegebener Einspruch nicht bei der Behörde eingelangt ist, für den Revisionswerber ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Hindernis darstellte, und ob den Revisionswerber daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens traf. Dazu ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der Verlust eines nicht eingeschriebenen Briefes auch für einen beruflichen Parteienvertreter kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden darstellt, weil auch ohne diese besondere Form der Postaufgabe mit dem Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde gerechnet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0154, mwH).

4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Das auf den Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil die verzeichnete Umsatzsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/07/0254, mwH). Da der Revisionswerber von der Entrichtung der Eingabegebühr befreit wurde, war auch das den Ersatz dieser Gebühr betreffende Mehrbegehren abzuweisen.

Wien, am