VwGH vom 18.05.2010, 2007/09/0214
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der S D GesmbH Co KG in W, vertreten durch Mag. Thomas Spiegel, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Theobaldgasse 16/2, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt.3/08114/2668808/2686864/2007, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe EUR 610,60 von binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Die beschwerdeführende Partei beantragte bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (in der Folge: AMS) die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die tschechische Staatsangehörige V für die Tätigkeit "Buchhaltung/Sachbearbeiterin für Tschechien + Slowakei" bei einer monatlichen Entlohnung von brutto EUR 2.500,-- und 38,5 Wochenarbeitsstunden. Als Anforderungsprofil nannte die beschwerdeführende Partei "Buchhaltung" sowie "Sprachkenntnisse" in Deutsch, Englisch, Tschechisch und Slowakisch. V, die bisher noch nicht in Österreich beschäftigt gewesen sei, sei eine "Vertrauensperson aus familiären Umfeld", nämlich die Tochter der Cousine der D (Anm.: diese ist Prokuristin der beschwerdeführenden Partei). Die Vermittlung von Ersatzkräften wurde erwünscht.
Mit Bescheid vom lehnte das AMS die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Buchhalterin gemäß § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG ab. Begründend wurde auf die Überschreitung der Landeshöchstzahl und die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 6 AuslBG Bezug genommen und festgestellt, dass der Regionalbeirat die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet habe und "nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 6 genannten Voraussetzungen" vorlägen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei zusammengefasst vor, dass die vom AMS vermittelten zehn Bewerberinnen "weit davon entfernt" gewesen seien, die Ansprüche der beschwerdeführenden Partei zu erfüllen. Die beschwerdeführende Partei würde "eine Nachfolgerin für die Geschäftsleitung mit Prokura Vollmacht" suchen, da sich die Prokuristin D "langsam aus dem Geschäftsleben zurückziehen möchte". Dafür sei eine Person mit perfekten Tschechisch- und Slowakisch-Kenntnissen (im Hinblick auf das Absatzgebiet) sowie Englisch- und Deutsch-Kenntnissen (auf Grund des Sitzes der Lieferanten in Asien) erforderlich. Diese sollte im Besitz eines B-Führerscheins sein; weiters sei auch eine flexible Arbeitszeit und eine hohe Stressresistenz erforderlich. Die beschwerdeführende Partei sei "gerne bereit, Arbeitskräfte aus dem österreichischen Markt einzustellen, sofern ....eine wirklich geeignete Kraft vorgestellt werden kann". Abschließend wird ersucht, "den
ablehnenden Bescheid zu überdenken oder ... eine entsprechend
qualifizierte Person in den nächsten Wochen vorzustellen".
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 AuslBG keine Folge gegeben.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen aus, mit Verordnung BGBl. II Nr. 445/2006 sei für das Bundesland Wien für das Jahr 2007 die Landeshöchstzahl mit 66.000 festgesetzt worden. Nach der zuletzt Anfang August 2007 veröffentlichten Statistik seien auf diese Höchstzahl 80.551 ausländische beschäftigte und arbeitslose Arbeitskräfte anzurechnen gewesen. Die Landeshöchstzahl sei somit um 14.551 ausländische Arbeitskräfte überschritten.
Die belangte Behörde setzte im Wesentlichen fort, dass V für die Tätigkeit "Buchhalterin/Sachbearbeiterin für Tschechien und die Slowakei" beantragt worden sei. V sei laut Antrag bisher noch nicht in Österreich beschäftigt gewesen; auf die Dauer des Aufenthaltes in Österreich werde (im Antrag) nicht eingegangen. Für den zu besetzenden Arbeitsplatz sei ein Vermittlungsauftrag erteilt worden. Die vermittelten Ersatzkräfte seien infolge zu geringer Buchhaltungskenntnisse oder mangels tschechischer oder slowakischer Sprachkenntnisse nicht eingestellt worden; eine der zugewiesenen Ersatzkräfte habe laut Rückmeldung über keine Englischkenntnisse verfügt. Erst in der Berufung sei bekannt gegeben worden, dass V Prokuristin werden und als solche D ablösen solle, worin die belangte Behörde eine unzulässige Änderung des Antrages vor der Berufungsinstanz erblickt.
Die belangte Behörde führte weiters zusammengefasst aus, dass eine Verwendung als unselbständige Schlüsselkraft grundsätzlich den Abschluss eines akademischen Studiums voraussetze. An diesem müsse im Inland eine besondere Nachfrage bestehen. Könne mit diesem nicht das Auslangen gefunden werden oder werde diese nicht angeboten, könne auf vergleichbare spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten, verbunden mit entsprechender beruflicher Erfahrung als unselbständige Schlüsselkraft verwiesen werden. Auf eine berufliche Erfahrung als Führungskraft könne nach den vorgelegten Daten nicht geschlossen werden. Die im Berufungsverfahren beantragte Verwendung unterscheide sich wesentlich von dem bei der ersten Instanz gestellten Antrag. Es seien keine Schritte nachgewiesen worden, dass die Eintragung von V als Prokuristin im Firmenbuch erfolgt sei, wenngleich die Beschäftigung davon unabhängig erst mit der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung aufgenommen werden dürfe. Hinsichtlich neuer EU-Staatsbürger sei gemäß § 32a Abs. 1 bis 3 AuslBG auf eine fortgeschrittene persönliche Integration im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG zu schließen, wenn diese in Österreich im Zusammenhang mit einer Niederlassung bereits länger ein ausreichendes Einkommen aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit erzielten oder in Österreich in der Vergangenheit bereits einer bewilligten Dauerbeschäftigung nachgegangen seien oder zu einem in Österreich bereits integrierten Arbeitsmarkt zugehörigen Elternteil/Ehegatten nachgezogen seien. Der im erstinstanzlichen Verfahren angehörte Regionalbeirat habe die Erteilung nicht befürwortet. Nach der Aktenlage sei auf keine fortgeschrittene persönliche Integration im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG iVm den Übergangsbestimmungen für neue EU-Staatsbürger zu schließen gewesen. Eine weitere Zugehörigkeit zum Personenkreis gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG sei weder im Ermittlungsverfahren festgestellt, noch behauptet worden. Die besonderen Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 5 AuslBG für die Zulassung als Schlüsselkraft liegen nicht vor. Somit stehe § 4 Abs. 6 leg. cit. - unabhängig von weiteren Erteilungsvoraussetzungen - bereits der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung entgegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher dessen Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit begehrt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
II.1. Gemäß § 4 Abs. 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 101/2005, dürfen nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen gemäß § 13 weitere Beschäftigungsbewilligungen nur dann erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen und
1. der Regionalbeirat die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung einhellig befürwortet oder
2. die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf seine fortgeschrittene Integration geboten erscheint oder
3. die Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß § 5 ausgeübt werden soll oder
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4. | der Ausländer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 erfüllt oder |
4a. | der Ausländer Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind (einschließlich Stief- und Adoptivkind) eines auf Dauer rechtmäßig niedergelassenen und beschäftigten Ausländers ist oder |
5. | die Beschäftigung auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt werden soll oder |
6. | der Ausländer einer Personengruppe angehört, die auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2). |
Nach § | 2 Abs. 5 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 101/2005, gelten Ausländer als Schlüsselkräfte, die über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung oder über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung verfügen und für die beabsichtigte Beschäftigung eine monatliche Bruttoentlohnung erhalten, die durchwegs mindestens 60 v.H. der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zuzüglich Sonderzahlungen zu betragen hat. Überdies muss mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: |
1. | die beabsichtigte Beschäftigung hat eine besondere, über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung für die betroffene Region oder den betroffenen Teilarbeitsmarkt oder |
2. | die beabsichtigte Beschäftigung trägt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze bei oder |
3. | der Ausländer übt einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Betriebes (Führungskraft) aus oder |
4. | die beabsichtigte Beschäftigung hat einen Transfer von Investitionskapital nach Österreich zur Folge oder |
5. | der Ausländer verfügt über einen Abschluss einer Hochschul- oder Fachhochschulausbildung oder einer sonstigen fachlich besonders anerkannten Ausbildung. |
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. | etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/09/0043, und vom , Zl. 2005/09/0180, jeweils mwN) muss neben einem der in den Z. 1 bis 5 des zweiten Satzes des § 2 Abs. 5 AuslBG genannten - besonderen - Kriterien zumindest eine der im Einleitungssatz des § 2 Abs. 5 AuslBG alternativ genannten Voraussetzungen einer "besonderen, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung" oder "spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung" vorliegen, um die Zulassung als Schlüsselkraft im Sinne dieser Gesetzesbestimmung erwirken zu können (die weitere für die Anerkennung als Schlüsselkraft erforderliche gesetzliche Voraussetzung der Höhe der monatlichen Bruttoentlohnung hat die belangte Behörde auch in diesem Fall ohnedies offenkundig als gegeben angesehen). |
II.2. Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Partei in der Berufung vorgebracht, "eine Nachfolgerin für die Geschäftsleitung mit Prokura Vollmacht" zu suchen, da D im pensionsfähigen Alter sei und sich "langsam aus dem Geschäftsleben zurückziehen möchte". Im Zusammenhang mit dem weiteren - | oben zusammengefasst wiedergegeben - Berufungsvorbringen können diese Ausführungen aber nicht als Absicht einer fixen Verwendung als Prokuristin ab Beginn der Tätigkeit verstanden werden. Erkennbar sollten damit vielmehr die gestellten Anforderungen (wie insbesondere die Sprachkenntnisse, welche von den vermittelten Ersatzkräften nicht erfüllt wurden) durch die Inaussichtnahme einer späteren Verwendung mit gesteigertem Verantwortungsbereich als Nachfolgerin der Prokuristin D (arg.: "langsames" Zurückziehen von D) unterstrichen werden. |
Es kann dahin gestellt bleiben, ob - | wie in der Beschwerde ausgeführt wird - eine Änderung des Antrages in Form einer näheren Konkretisierung der Tätigkeit in Richtung von § 4 Abs. 6 Z. 4 iVm § 2 Abs. 5 AuslBG zulässig wäre (vgl. dazu jedoch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/09/0043), weil - wie sich aus den obigen Ausführungen zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei im Berufungsverfahren ergibt - eine derartige Änderung nicht erfolgt ist. Auch mit dem übrigen Beschwerdevorbringen kann keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt werden: |
Dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Landeshöchstzahl für Wien nach der zuletzt Anfang August 2007 veröffentlichten Statistik erheblich überschritten gewesen ist, wird in der Beschwerde nicht bestritten. Damit lagen aber bereits die Voraussetzungen des "erschwerten Verfahrens" nach § | 4 Abs. 6 AuslBG vor. |
Die Tatsache der nicht einhelligen Befürwortung der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Arbeitskraft durch den Regionalbeirat im Sinne des § | 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG wird in der Beschwerde ebenfalls nicht in Abrede gestellt. Dass ferner einer der oben genannten Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 3, 4a, 5 oder 6 AuslBG vorgelegen sei, wurde von der beschwerdeführenden Partei weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde konkret behauptet und ist auch aus dem Akt nicht zu entnehmen. Auch der dringende Bedarf wird in der Beschwerde nicht mehr releviert. |
Weiters ist unstrittig, dass V bisher noch nicht in Österreich beschäftigt gewesen ist. Auch sonst wurden von der beschwerdeführenden Partei weder Umstände für eine fortgeschrittene persönliche Integration von V im Sinne von § | 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG iVm den Übergangsbestimmungen für neue EU-Staatsbürger vorgebracht, noch ergaben sich dafür Anhaltspunkte aus den vorgelegten Verwaltungsakten. Ebenso ist zu beachten, dass ein möglicher Anwendungsfall von § 4 Abs. 6 Z. 4 AuslBG schon mangels einer Behauptung bzw. Hinweisen aus dem Akt bezüglich des Vorliegens einer der in § 2 Abs. 5 Z. 1 bis 5 leg. cit. genannten Voraussetzungen ausscheidet. |
Bei dieser Sachlage kann die Beschwerde der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegentreten, wenn diese im Ergebnis zu Recht die beantragte Beschäftigungsbewilligung versagt hat. | |
II.3. Die Beschwerde war daher gemäß § | 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. |
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ | 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2. |
Wien, am 18. | Mai 2010 |
Fundstelle(n):
WAAAE-92414