VwGH vom 07.03.2017, Ra 2015/02/0006

VwGH vom 07.03.2017, Ra 2015/02/0006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Dr. Lehofer sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des L in T, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in 1090 Wien, Porzellangasse 4-6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW- 042/014/6702/2014-14, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Das Kostenbegehren der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht wird abgewiesen.

Begründung

I. Sachverhalt und Revisionsverfahren:

1 Mit Schreiben vom erstattete das Verkehrs-Arbeitsinspektorat beim Magistrat der Stadt Wien Anzeige gegen die Ö AG wegen der Übertretung von Bestimmungen der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO). Am habe sich bei einem Ö-Personenzug R eine automatische Türe aus einem Waggon gelöst und sei auf die Schienen gefallen, kurz darauf sei sie von einem Regionalzug gerammt worden. Dieses Ereignis sei durch das Verkehrs-Arbeitsinspektorat aus der Sicht der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen untersucht worden. Im Rahmen dieser Überprüfung sei unter anderem am bei drei näher bezeichneten R-Zügen jeweils hinsichtlich zweier Türen das Vorliegen der Prüfbefunde über die letzte Abnahmeprüfung und über die wiederkehrenden Prüfungen der kraftbetriebenen Türen überprüft worden; dabei sei übereinstimmend festgestellt worden, dass bei allen drei Fahrzeugen keine Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung und über die wiederkehrenden Prüfungen der kraftbetriebenen Türen "gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 11, 8 Abs. 1 Z 9 sowie 11 Abs. 3 AM-VO am Einsatzort des Arbeitsmittel(s) (im Fahrzeug)" vorhanden gewesen seien.

2 Über Aufforderung zur Rechtfertigung der Strafbehörde vom erstattete der Revisionswerber durch seine rechtsfreundliche Vertretung eine Stellungnahme vom , in welcher er ua. vorbrachte, die Ö AG habe alle "gemäß § 11 Abs. 3 AM-VO" erforderlichen Prüfungen und wiederkehrenden Prüfungen, auch hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen R, regelmäßig durchgeführt, die Prüfungsergebnisse entsprechend den Vorgaben des § 11 Abs. 1 AM-VO in Form von Prüfbefunden festgehalten und die Prüfbefunde "entsprechend den gesetzlichen Vorgaben" aufbewahrt. Die gesamte Dokumentation der Türüberprüfungen der in Rede stehenden R liege in der jeweiligen Servicestelle der Ö GmbH bzw. im dem jeweiligen R zugehörigen Werk auf und könne jederzeit zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden. Im vorliegenden Fall sei dies die "Ö GmbH/Standort M (‚TS-M')". Die vorgeworfene Übertretung der §§ 7 und 8 AM-VO scheide aus, weil nachweislich alle Überprüfungen durchgeführt worden seien. Auch betreffend die Frage der Aufbewahrung der Prüfbefunde liege der vorgeworfene Verstoß nicht vor, weil diese entsprechend den "internationalen Usancen und in Abstimmung mit dem BMVIT" aufbewahrt worden seien und aufgrund der Besonderheiten von Eisenbahnzügen das beschriebene Vorgehen "geboten" sei. Der Begriff des "Einsatzortes" in § 11 Abs. 3 AM-VO sei entsprechend weiter auszulegen. In der Vergangenheit sei entsprechend der Absprache mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) in der Art vorgegangen worden, dass die Türprüfprotokolle binnen 1 bis 2 Tagen nach einem Vorfall an das BMVIT übermittelt worden seien. Jedenfalls habe der Revisionswerber die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht auf Verschuldensebene zu verantworten; sollte nach Ansicht der Strafbehörde das Tatbild der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung gemäß § 11 Abs. 3 AM-VO erfüllt und das Verfahren nicht bereits mangels Schuldvorwurfes einzustellen sein, sei von der Verhängung einer Strafe gemäß § 21 VStG abzusehen.

3 Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 22. Bezirk, vom wurde dem Revisionswerber als Vorstandsmitglied und somit zur Vertretung nach außen Berufenem gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Ö Aktiengesellschaft, zur Last gelegt, er habe zu verantworten, dass am bei drei näher bezeichneten R-Zügen der genannten Gesellschaft als Arbeitgeberin jeweils im Bahnhof W, im Bahnhof W, sowie in der TS-Werkstätte M

"entgegen § 7 Abs. 1 Ziffer 11, § 8 Abs. 1 Ziffer 9 und § 11 Abs. 3 AM-VO, wonach kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher von Fahrzeugen vor der ersten Inbetriebnahme einer Abnahmeprüfung zu unterziehen sind, mindestens einmal im Kalenderjahr, jedoch längstens im Abstand von 15 Monaten, einer wiederkehrenden Prüfung zu unterziehen sind, sowie die darüber auszustellenden Prüfbefunde von den ArbeitgeberInnen bis zum Ausscheiden des Arbeitsmittels aufzubewahren sind und am Einsatzort des Arbeitsmittels die Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung, über die wiederkehrenden Prüfungen und über die Prüfungen nach Aufstellung vorhanden sein müssen,

keine Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung und die wiederkehrenden Prüfungen der kraftbetriebenen Türen am Einsatzort des Arbeitsmittels vorhanden waren, wodurch die Arbeitgeberin die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt" habe.

Der Revisionswerber habe damit "§ 7 Abs. 1 Ziffer 11, § 8 Abs. 1 Ziffer 9 und § 11 Abs. 3" der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO), "BGBl. II Nr. 164/2000 idgF in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Ziffer 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz" verletzt; über ihn wurden drei Geldstrafen von je EUR 420,-- sowie Ersatzfreiheitsstrafen in näher bezeichneter Höhe verhängt und der Revisionswerber zum Kostenbeitrag im Verwaltungsstrafverfahren verpflichtet. Weiters wurde in diesem Straferkenntnis die Haftung der Ö AG über die verhängte Strafe zur ungeteilten Hand gemäß § 9 Abs. 7 VStG ausgesprochen.

4 Begründend führte die Behörde ua. aus, bei der Überprüfung zum angelasteten Tatzeitpunkt durch das Verkehrs-Arbeitsinspektorat sei festgestellt worden, dass am Einsatzort der Arbeitsmittel, nämlich "im Fahrzeug", keine Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung und die wiederkehrenden Prüfungen der kraftbetriebenen Türen vorhanden gewesen seien. Dass die in der AM-VO normierten Prüfungen tatsächlich stattgefunden hätten, sei "nicht Gegenstand dieses Verwaltungsstrafverfahrens", weshalb auf das diesbezügliche Vorbringen des Revisionswerbers nicht einzugehen gewesen sei. Minderes Verschulden könne nicht angenommen werden, weil durch das tatbestandsmäßige Verhalten die Aufsichtstätigkeit der Aufsichtsorgane des Verkehrs-Arbeitsinspektorates wesentlich erschwert worden sei und "gerade der Zweck des "§ 11 Abs. 3 AM-VO die Möglichkeit der sofortigen Überprüfung des Vorliegen(s) der Befunde durch die Prüforgane" sei.

5 In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung führte der Revisionswerber im Wesentlichen dieselben Argumente ins Treffen wie in seiner Rechtfertigung vor der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz. Weiters wurde vorgebracht, es habe "in der Zwischenzeit" seitens der Ö AG mit dem Verkehrs-Arbeitsinspektorat eine "Einigung" dahingehend erzielt werden können, dass anstelle der Prüfberichte eine paraphierte Auflistung der Prüfberichte im jeweiligen R aufzubewahren sei. Darüberhinaus wurde - erstmals - unter Beilage der entsprechenden Bestellungsurkunde auf die Bestellung einer näher genannten Person als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Beauftragter "für den verfahrensgegenständlichen Bereich Produktionsmanagement" hingewiesen und im Hinblick darauf die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Revisionswerbers in der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache bestritten.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom bestätigte das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen das Straferkenntnis vom unter gleichzeitiger Änderung der verbalen Tatumschreibung und unter Verhängung von sechs Geldstrafen von jeweils EUR 210,-- sowie näher bezeichneter Ersatzfreiheitsstrafen und führte hierzu aus, in Ansehung der vier verfahrensgegenständlichen Türen der beiden erstgenannten R lägen vier Übertretungen des § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG iVm § 11 Abs. 1 Z 2 und § 8 Abs. 1 Z 9 AM-VO, hinsichtlich der beiden Türen des drittgenannten R lägen zwei Übertretungen § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG iVm § 11 Abs. 1 Z 1 und § 7 Abs. 1 Z 11 AM-VO vor. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Mit Berichtigungsbeschluss vom selben Tag wurde das genannte Erkenntnis dahingehend berichtigt, dass "bei der jeweiligen Bezeichnung der verletzten Verwaltungsvorschrift der sechs Übertretungen jeweils § 11 Abs. 3 AM-VO mitzuzitieren" sei.

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht hierzu ua. aus, die jeweilige Erstinbetriebnahme der beiden erstgenannten Züge sei vor Inkrafttreten der AM-VO Novelle BGBl. II Nr. 21/2010 erfolgt, wodurch hinsichtlich der diese Züge betreffenden vier verfahrensgegenständlichen Türen keine Abnahmeprüfungen bezüglich deren erster Inbetriebnahme erforderlich gewesen seien. Im Hinblick darauf, dass der erste Zug jedoch bereits seit , und der zweite Zug bereits seit in Betrieb gewesen sei, habe es hinsichtlich deren in Rede stehender vier Türen jedoch der einmal im Kalenderjahr, längstens im Abstand von 15 Monaten durchzuführenden wiederkehrenden Prüfungen bedurft und habe die Verpflichtung der Arbeitgeberin bestanden, die diesbezüglichen Prüfbefunde oder Kopien darüber am Einsatzort aufzubewahren. Der Einsatzort sei das gegenständliche Fahrzeug. Die erste Inbetriebnahme des drittgenannten Zuges sei am erfolgt, weshalb es zum Tatzeitpunkt noch keiner wiederkehrenden Befundung gemäß § 8 Abs. 1 Z 9 AM-VO bedurft habe, jedoch habe die Verpflichtung zur Abnahmeprüfung gemäß § 7 Abs. 1 Z 11 AM-VO bestanden und seien zum Tatzeitpunkt keine diesbezüglichen Prüfbefunde oder Kopien über die Abnahmeprüfung im Fahrzeug vorhanden gewesen. Insgesamt lägen daher sechs einzelne Verstöße gegen die (pro überprüfte kraftbetriebene Türe bestehende) Aufbewahrungspflicht der Prüfbefunde bzw. von deren Kopien gemäß § 11 Abs. 3 AM-VO vor.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit näher ausgeführten Eventualanträgen an den Verwaltungsgerichtshof auf Entscheidung in der Sache selbst sowie dem Antrag auf Kostenzuspruch.

Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete einen als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz, in welcher sie unter gleichzeitigem Antrag auf Kostenzuspruch mitteilte, von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand zu nehmen. II. Rechtslage:

9 §§ 2, 7, 8 und 11 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über den Schutz der ArbeitnehmerInnen bei der Benutzung von Arbeitsmitteln (Arbeitsmittelverordnung - AM-VO), BGBl. II Nr. 164/2000 in der Fassung BGBl. II Nr. 21/2010, lauten (auszugsweise):

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Arbeitsmittel im Sinne dieser Verordnung sind alle Maschinen, Apparate, Werkzeuge, Geräte und Anlagen, die zur Benutzung durch ArbeitnehmerInnen vorgesehen sind. Zu den Arbeitsmitteln gehören insbesondere auch Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen oder Gütern, Aufzüge, Leitern, Gerüste, Dampfkessel, Druckbehälter, Feuerungsanlagen, Behälter, Silos, Förderleitungen, kraftbetriebene Türen und Tore sowie Hub-, Kipp- und Rolltore.

(...)"

"Abnahmeprüfung

§ 7. (1) Folgende Arbeitsmittel sind vor der ersten Inbetriebnahme einer Abnahmeprüfung zu unterziehen:

(...)

11. kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher

von Fahrzeugen,

(...)"

"Wiederkehrende Prüfung

§ 8. (1) Folgende Arbeitsmittel sind mindestens einmal im Kalenderjahr, jedoch längstens im Abstand von 15 Monaten, einer wiederkehrenden Prüfung zu unterziehen:

(...)

9. kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher

von Fahrzeugen,

(...)"

"Prüfbefund, Prüfplan

§ 11. (1) Die Ergebnisse folgender Prüfungen sind in einem

Prüfbefund festzuhalten:

1. Abnahmeprüfungen,

2. wiederkehrende Prüfungen,

(...)

(2) Der Prüfbefund muss beinhalten:

1. Prüfdatum,

2. Namen und Anschrift des Prüfers bzw. Bezeichnung der

Prüfstelle,

3. Unterschrift des Prüfers,

4. Ergebnis der Prüfung,

5. Angaben über die Prüfinhalte.

(3) Die Prüfbefunde sind von den ArbeitgeberInnen bis zum Ausscheiden des Arbeitsmittels aufzubewahren. Am Einsatzort des Arbeitsmittels müssen Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung, über die wiederkehrenden Prüfungen und über die Prüfungen nach Aufstellung vorhanden sein.

(3a) Abs. 3 zweiter Satz gilt nicht, wenn lediglich für die

wiederkehrenden Prüfungen eines Arbeitsmittels ein Prüfbefund

erforderlich ist und am Arbeitsmittel eine Prüfplakette angebracht

ist, die

1. das Datum der letzten wiederkehrenden Prüfung aufweist,

2. eine eindeutige Zuordnung zum Prüfbefund des

Arbeitsmittels aufweist,

3. unverwischbar und gut lesbar beschriftet ist,

4. an gut sichtbarer Stelle am Arbeitsmittel angebracht ist.

(...)"

10 § 130 Abs. 1 Z 16 des Bundesgesetzes über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2013 lautet:

"Strafbestimmungen

§ 130. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8 324 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen

(...)

16. die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die

Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt

(...)"

III. Erwägungen:

11 Der Revisionswerber erachtet die Revision zum einen aufgrund des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes "Einsatzort" im Sinne des § 11 Abs. 3 AM-VO, zum anderen aufgrund des Fehlens einer einheitlichen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Auslegung des räumlichen und sachlichen Verantwortungsbereiches eines bestellten verantwortlich Beauftragten als zulässig.

12 Im Sinne der Zulässigkeitsbegründung des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes "Einsatzort" im Sinne des § 11 Abs. 3 AM-VO erweist sich die Revision als zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

13 Vorauszuschicken ist, dass eine Revision gegen den Berichtigungsbeschluss des Verwaltungsgerichtes vom vom Revisionswerber nicht erhoben wurde. Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG berichtigt und wurde gegen diesen Berichtigungsbeschluss keine Revision erhoben, so hat nach der hg. Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshof als Prüfungsgegenstand die angefochtene Entscheidung in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses zugrunde zu legen (vgl. z.B. , mwN).

14 Gemäß § 1 Abs. 1 der Eisenbahn-ArbeitnehmerInnenschutzverordnung, BGBl. II Nr. 384/1999 in der Fassung BGBl. II Nr. 215/2012, gilt diese Verordnung "für Arbeitsstätten (...) von Eisenbahnunternehmen im Sinn des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. Nr. 60, im Bereich von Gleisen von Haupt- und Nebenbahnen, Straßenbahnen und Anschlussbahnen gemäß § 1 des Eisenbahngesetzes".

15 § 1 Abs. 5 der Eisenbahn-ArbeitnehmerInnenschutzverordnung in der genannten Fassung bestimmt, dass "die Bestimmungen der Arbeitsmittelverordnung, BGBl. II Nr. 164/2000 gelten soweit diese Verordnung keine Abweichungen festlegt".

16 Im hg. Erkenntnis vom , 2009/02/0152, führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage von "kraftbetriebenen Türen" als Arbeitsmittel gemäß der AM-VO Folgendes aus:

"(...)

Aus der Aufzählung der Betriebsmittel in § 2 Abs. 1 AM-VO ist (...) zu ersehen, dass die ‚kraftbetriebenen Türen' als eigene Arbeitsmittel z.B. nach den ‚Beförderungsmitteln zur Beförderung von Personen oder Gütern' genannt werden. Da aber die ‚Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen', insbesondere Straßenbahnfahrzeuge, in der Regel mit kraftbetriebenen Türen ausgestattet und diese Türen fix eingebauter Bestandteil von solchen Fahrzeugen sind, ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber den Begriff ‚Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen' zunächst umfassend - also unter Einschluss der dort allenfalls eingebauten ‚kraftbetriebenen Türen' - verstanden hat. Dies zeigt sich auch daran, dass erst mit der Novelle zur AM-VO, BGBl. II Nr. 21/2010, die jedoch im Beschwerdefall noch nicht anzuwenden ist, in § 7 Abs. 1 Z. 11 und in § 8 Abs. 1 Z. 9 AM-VO jeweils die Wendung ‚einschließlich solcher von Fahrzeugen' ergänzt und dadurch klargestellt wird, dass nunmehr auch jene kraftbetriebenen Türen, die in Fahrzeugen eingebaut sind, u.a. von den Regelungen der AM-VO betreffend die Abnahmeprüfung, wiederkehrende Prüfung und Prüfung nach außergewöhnlichen Ereignissen umfasst werden.

(...)"

17 Im Hinblick auf den im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren angelasteten Tatzeitpunkt (), welcher nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. II Nr. 21/2010 zur AM-VO mit , und damit nach Einfügung der Wortfolge "einschließlich solcher von Fahrzeugen" in § 7 Abs. 1 Z 11 bzw. § 8 Abs. 1 Z 9 AM-VO liegt, folgt daraus, dass die insgesamt sechs einer Überprüfung durch das Verkehrs-Arbeitsinspektorat unterzogenen kraftbetriebenen Türen der drei im angefochtenen Erkenntnis näher genannten R-Züge zum Tatzeitpunkt jeweils für sich allein genommen den Regelungen der AM-VO ua. hinsichtlich der Abnahmeprüfung bzw. der wiederkehrenden Prüfung unterworfen waren. Mangels entsprechender Übergangsbestimmung mit Inkrafttreten der AM-VO Novelle BGBl. II Nr. 21/2010 ist das Verwaltungsgericht auf dem Boden seiner Sachverhaltsfeststellungen im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich der überprüften kraftbetriebenen Türen der beiden in den Jahren 2008 und 2009 in Betrieb gegangenen Züge selbständige Prüfbefunde betreffend eine Abnahmeprüfung (jedenfalls nach der AM-VO) nicht erforderlich waren, jedoch Prüfbefunde (bzw. Kopien davon) hinsichtlich der wiederkehrenden Prüfung gemäß § 8 Abs. 1 Z 9 AM-VO am Einsatzort vorhanden sein hätten müssen. Zutreffend ist weiters die rechtliche Schlussfolgerung, dass hinsichtlich der beiden überprüften Türen des im Jahr 2012 in Betrieb gegangenen Zuges am noch keine Prüfbefunde betreffend eine wiederkehrende Prüfung gemäß § 8 AM-VO, jedoch jeweils Prüfbefunde (bzw. deren Kopien) betreffend die Abnahmeprüfung gemäß § 7 Abs. 1 Z 11 am Einsatzort aufliegen hätten müssen.

18 Dabei ist der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes, der Wendung "am Einsatzort des Arbeitsmittels" gemäß § 11 Abs. 3 zweiter Satz AM-VO sei im gegenständlichen Fall die Bedeutung beizumessen, dass die entsprechenden Prüfbefunde bzw. deren Kopien im jeweiligen Fahrzeug vorhanden zu sein haben, nicht entgegenzutreten:

19 Wenn der Revisionswerber diesbezüglich ausführt, es handle sich im gegenständlichen Fall um "nicht ortsgebundene Arbeitsmittel", hinsichtlich derer der Verpflichtung zur Aufbewahrung von Prüfbefunden bzw. deren Kopien am Einsatzort des Arbeitsmittels bereits dann entsprochen sei, wenn eine Aufbewahrung an "einem von mehreren möglichen Einsatzorten vorgenommen" werde, übersieht er, dass, wie oben dargestellt, im gegenständlichen Fall nicht der gesamte Zug bzw. ein ganzer Waggon ("Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen") das "Arbeitsmittel" im Sinne der AM-VO darstellt, hinsichtlich dessen fehlender Prüfberichte bzw. Kopien davon am Einsatzort der Revisionswerber verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde, sondern die einzelnen, in die jeweiligen Zugwaggons eingebauten Türen, hinsichtlich derer - nach der nunmehrigen Rechtslage - jeweils selbständige Prüfbefunde bzw. Kopien davon am Einsatzort vorhanden sein müssen. Der Natur der Sache entsprechend ist die einzelne Tür dabei insoweit ortsgebunden, als sie in einen Waggon der jeweiligen Zuggarnitur fix eingebaut ist. "Einsatzort" des Arbeitsmittels "kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher von Fahrzeugen" im Sinne der § 7 Abs. 1 Z 11 und § 8 Abs. 1 Z 9 AM-VO ist damit im Hinblick auf die nunmehr bestehende Rechtslage bereits seiner begrifflichen Bedeutung nach das jeweilige Fahrzeug, in welchem die betreffende kraftbetriebene Tür oder das betreffende kraftbetriebene Tor fix eingebaut ist.

20 Für eine solche Auslegung spricht auch der nach dem Willen des Verordnungsgebers erkennbare Zweck der Norm (§ 11 Abs. 3 zweiter Satz AM-VO), nämlich die Möglichkeit der zeitnahen und effizienten Überprüfung von Prüfbefunden des jeweiligen Arbeitsmittels durch das mit dem Vollzug der Verordnung betraute Organ. Nur für den Fall, dass lediglich für die wiederkehrenden Prüfungen eines Arbeitsmittels ein Prüfbefund erforderlich ist und am Arbeitsmittel eine Prüfplakette angebracht ist, soll unter den in § 11 Abs. 3a AM-VO genannten Voraussetzungen der Entfall des Erfordernisses des Aufliegens von Prüfbefunden am Einsatzort gelten, weil in einem solchen Fall unter den genannten Voraussetzungen durch die angebrachte Prüfplakette eine eindeutige Zuordenbarkeit zum jeweiligen Prüfbefund des Arbeitsmittels und damit die erleichterte Auffindbarkeit gegeben ist. Dass an einem oder mehreren der gegenständlich sechs überprüften Arbeitsmittel eine Prüfplakette gemäß § 11 Abs. 3a AM-VO angebracht gewesen sei, wurde vom Revisionswerber ebenso wenig vorgebracht, wie Ausführungen zu der Frage, aus welchem Grund eine solche Tatsache hinsichtlich einzelner vorgeworfener Übertretungen strafbefreiend hätte wirken können.

21 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass hinsichtlich der Arbeitsmittel "kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher von Fahrzeugen" das jeweilige Fahrzeug den "Einsatzort" gemäß § 11 Abs. 3 zweiter Satz AM-VO darstellt, an welchem die bezughabenden Prüfbefunde bzw. deren Kopien vorhanden sein müssen.

22 Soweit der Revisionswerber weiters vorbringt, das Verwaltungsgericht hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung von der Rechtswirksamkeit der Bestellung eines näher genannten verantwortlich Beauftragten und damit von der Verneinung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung des Revisionswerbers für die verfahrensgegenständliche Verwaltungsübertretung ausgehen müssen, ist er zunächst auf die ständige hg. Rechtsprechung zu § 9 Abs. 2 VStG zu verweisen, wonach der Umfang des übertragenen Verantwortlichkeitsbereiches ausschließlich aus dem Inhalt der Bestellungsurkunde ohne weitere Ermittlungstätigkeit und Zuhilfenahme weiterer Beweise zu ermitteln ist. Bei der Auslegung der Bestellungsurkunde ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Diese Grundsätze gelten sowohl für den Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches als auch für die Zustimmungserklärung (vgl etwa , und vom , 2007/02/0277, je mwN).

23 Der im vorliegenden Fall vom Revisionswerber vorgelegten, mit datierten Bestellungsurkunde ist hinsichtlich des Bestellungsbereiches des damit bestellten gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlich Beauftragten Folgendes zu entnehmen:

"(...)

Bereich

Dem Bereich Produktionsmanagement der Ö AG obliegt die österreichweite Verkehrsleitung Schiene, die Fahrzeugzulassung sowie das Sicherstellen der Grundlagen und der ordnungsgemäßen Funktion aller Produktionssysteme der Ö AG.

Der verantwortliche Beauftragte ist leitender Angestellter der Ö AG. Ihm ist die Leitung des o.a. Bereichs übertragen. Seine Aufgabe ist es, innerhalb des ihm zugewiesenen Bereichs die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften selbstverantwortlich zu verfügen und zu überwachen. Diese Verantwortung umfasst auch die Einhaltung der Arbeitszeitregelungen im Bereich Produktionsmanagement.

(...)"

24 Der Revisionswerber vertritt die Ansicht, die "verfahrensgegenständlichen Türüberprüfungen" der im angefochtenen Erkenntnis angeführten R-Waggons "und die entsprechenden Befunde sowie deren Aufbewahrung" ließen sich schon nach der Formulierung der maßgeblichen Bestellungsurkunde dem Bereich der Fahrzeugzulassung sowie der Sicherstellung der Grundlagen der ordnungsgemäßen Funktion aller Produktionssysteme zuordnen.

25 Im Hinblick darauf, dass gegenständlich jedoch weder die Fahrzeugzulassung, noch die Funktion der Produktionssysteme der Ö AG an sich, sondern die Frage der Einhaltung konkreter Arbeitnehmerschutzvorschriften im Vordergrund steht, ist der fallbezogenen Auslegung des Verwaltungsgerichtes, wonach mangels klarer Abgrenzung des Verantwortungsbereiches in der Bestellungsurkunde ein verantwortlich Beauftragter für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahrens als nicht bestellt gilt, nicht entgegenzutreten.

26 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die ständige hg. Rechtsprechung zu § 9 Abs. 2 VStG, wonach aus dem Wortlaut der genannten Bestimmung klar ersichtlich ist, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne dieser Bestimmung vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Jedenfalls soll vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortungsbereiches entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibt (vgl. z.B. , mwN).

27 Für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren liegt mangels klarer Abgrenzung des Verantwortungsbereiches in der vorgelegten Bestellungsurkunde die rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nicht vor, sodass der Revisionswerber seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit für die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht enthoben ist.

28 Der Revisionswerber führt schließlich aus, es wäre im gegenständlichen Fall "richtigerweise mit Verfahrenseinstellung, allenfalls mit dem Ausspruch einer bloßen Ermahnung, höchstens jedoch mit Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe der Mindeststrafe iSd § 130 Abs 1 ASchG unter Anwendung des § 20 VStG vorzugehen" gewesen.

29 Dem ist zum einen zu entgegnen, dass das Verwaltungsgericht vorliegend die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG, insbesondere unter Hinweis auf die Bedeutung des geschützten Rechtsgutes, in nicht zu beanstandender Weise verneint hat.

30 Hinsichtlich der Frage des außerordentlichen Strafmilderungsrechtes des § 20 VStG ist zum anderen darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht fallbezogen als Erschwerungsgrund nichts und als Milderungsgrund die Unbescholtenheit des Revisionswerbers gewertet hat. Von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung kann in einem solchen Fall nicht gesprochen werden; dass darüber hinaus Milderungsgründe bestünden, welche im Zusammenhang mit der Frage einer außerordentlichen Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG beachtlich wären, ist der Revision nicht zu entnehmen und nach Lage des Falles auch nicht ersichtlich.

31 Im Hinblick auf den in § 130 Abs. 1 ASchG normierten Strafrahmen von EUR 166,-- bis EUR 8.324,-- sind die konkreten, vom Verwaltungsgericht unter näher begründeter Strafbemessung im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens verhängten Verwaltungsstrafen insgesamt nicht als rechtswidrig zu erkennen.

32 Die Revision erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

33 Das durch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht gestellte Kostenbegehren war abzuweisen, weil im eingebrachten, als "Revisionsbeantwortung" bezeichneten Schriftsatz lediglich mitgeteilt wurde, dass von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand genommen werde. Die Revisionsbeantwortung enthielt damit keine auf die Revision abstellenden Ausführungen, insbesondere auch zur Zulässigkeit, sodass kein Schriftsatzaufwand gebührt (z.B. , mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.