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VwGH vom 19.09.2012, 2011/22/0161

VwGH vom 19.09.2012, 2011/22/0161

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Johann Galanda und Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 320.341/2-III/4/10, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe in der Zeit vom bis über ein Visum verfügt. Bereits im Jahr 2004 sei der Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 aus Österreich ausgewiesen worden. Im Sommer oder Herbst 2007 sei er illegal wieder eingereist und habe ein halbes Jahr später einen Asylantrag gestellt. Dieser sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom in Verbindung mit einer Ausweisung rechtskräftig abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer habe am in Serbien eine bosnische Staatsangehörige geheiratet, die über einen gültigen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfüge. Im Anschluss an diese Hochzeit sei der Beschwerdeführer am erneut nach Österreich eingereist und habe sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Es dürften zwar Bürger von Serbien sichtvermerksfrei in den "Schengen-Bereich" einreisen, jedoch komme im Fall des Beschwerdeführers § 73 Abs. 1 FPG zum Tragen, demzufolge der Beschwerdeführer für den Zeitraum von 18 Monaten nach seiner Ausreise auf Grund einer Ausweisung zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt einer besonderen Bewilligung bedürfe. Sein Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" vom sei rechtskräftig mit erstinstanzlichem Bescheid vom abgewiesen worden.

Nach dieser Entscheidung sei der Beschwerdeführer am unter Nennung des Abmeldegrundes "ins Ausland verzogen" am Hauptwohnsitz der Ehefrau abgemeldet worden. Am habe er persönlich den gegenständlichen Antrag bei der österreichischen Botschaft in Belgrad eingebracht. In der Folge sei er seit abermals am Hauptwohnsitz der Ehefrau gemeldet und hier auch illegal aufhältig gewesen. Anlässlich einer Vernehmung am sei der Beschwerdeführer zur freiwilligen Ausreise aus Österreich aufgefordert worden. Daraufhin sei am die nunmehrige Abmeldung am Wohnsitz seiner Ehefrau erfolgt und es sei der Beschwerdeführer auch am in der genannten Wohnung nicht mehr angetroffen worden. Fest stehe allerdings, dass der Beschwerdeführer im Anschluss daran in der Zeit vom bis in der Wohnung seiner Ehefrau gemeldet sowie aufhältig gewesen sei. Er scheine auch zur Zeit seit dort als gemeldet auf, ohne über die hiefür notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen zu verfügen.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dürften einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreite. Gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG widerstreite der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Der Beschwerdeführer habe Bescheinigungen von serbischen Gerichten vorgelegt, denen zufolge er strafrechtlich nicht verfolgt werde. Entgegen dem Inhalt dieser Bescheinigungen sei jedoch gegen ihn mit Bescheid des Gemeindegerichtes in Tutin (in Serbien) vom ein Haftbefehl ausgeschrieben worden. Der Beschwerdeführer habe im Asylverfahren die Ladung zu einer Gerichtsverhandlung in Serbien vorgelegt und als Fluchtgrund u.a. den Umstand ins Treffen geführt, dass er "Probleme mit den Leuten in der Umgebung" gehabt hätte. Er habe es somit bewusst unterlassen, vor den österreichischen Niederlassungsbehörden die von ihm im Jahr 2007 begangene Strafhandlung offenzulegen.

"Trotz" des in Serbien ausgeschriebenen Haftbefehls vom habe der Beschwerdeführer in Österreich erneut gegen strafgesetzliche Bestimmungen verstoßen. Dies gehe aus einem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom hervor, in dem er wegen des Straftatbestandes der Sachbeschädigung und des Delikts der Urkundenfälschung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden sei. Die Bezirkshauptmannschaft V habe mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot verhängt, weil gegen ihn von seiner Exfreundin Anzeige wegen des Verdachts der schweren Nötigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung erstattet worden sei. Weiters sei der Beschwerdeführer mit einem gefälschten slowakischen Personalausweis angetroffen worden. Nach Angaben der seinerzeitigen Freundin hätte der Beschwerdeführer diese geschlagen und gedroht, deren vormaligen Freund zu töten. Er hätte vergeblich versucht, gewaltsam in die Wohnung des Mannes einzudringen und dann den Wagen des Mannes beschädigt. Obwohl der Beschwerdeführer lediglich wegen Sachbeschädigung und Urkundenfälschung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten schuldig gesprochen worden sei, werde von der belangten Behörde nicht zuletzt auf Grund des in seinem Heimatland noch immer bestehenden Verdachts des Delikts der schweren Körperverletzung davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer über ein erhebliches Gefahrenpotential verfüge.

Weiters habe der Beschwerdeführer gemäß den Erwägungen des Asylgerichtshofs den Asylantrag eindeutig in missbräuchlicher Absicht gestellt.

Damit widerstreite der Aufenthalt des Beschwerdeführers dem öffentlichen Interesse gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG und er erfülle nicht die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG könne ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 bis 6 NAG erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei. Der Beschwerdeführer sei nur vorübergehend zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen und es hätte ihm bewusst sein müssen, dass er sich unter Umständen nicht auf Dauer in Österreich niederlassen könne. Der Beschwerdeführer sei in Kenntnis der Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes immer wieder, zuletzt am , nach Österreich eingereist und halte sich hier illegal auf.

Dem Beschwerdeführer müsste es im Fall einer Rückkehr in seine Heimat möglich sein, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Sein in Österreich geführtes Familienleben sei erst zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem sein Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen gewesen sei.

Unbestrittener Weise bestünden durch den Aufenthalt seiner Ehefrau starke familiäre Bindungen in Österreich und diese besitze hier Wohnungseigentum und berufliche Interessen. Der Beschwerdeführer sei strafrechtlich nicht unbescholten und es sei in seinem Heimatland ein Haftbefehl gegen ihn ausgeschrieben worden, was er im gegenständlichen Verfahren bewusst verschwiegen habe. Somit müsse den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen der Vorrang eingeräumt werden, weil das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers zeige, dass seine Hemmschwelle in Bezug auf Verletzungen der österreichischen Rechtsordnung sehr niedrig liege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn sein Aufenthalt nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Dies ist gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 leg. cit. dann der Fall, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Bei der Beurteilung, ob eine solche Annahme gerechtfertigt ist, muss nicht auf das Vorliegen einer rechtskräftigen Bestrafung abgestellt werden. Auch das Anzeigen an Behörden oder Gerichte zu Grunde liegende Verhalten kann - wie auch sonstiges Fehlverhalten -

zur Annahme führen, der Aufenthalt eines Fremden würde eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit hervorrufen. Dabei ist aber auf die Art und Schwere des den Anzeigen zu Grunde liegenden Fehlverhaltens abzustellen. Die bloße Tatsache einer Anzeigeerstattung reicht für die genannte Annahme nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0711, Pkt. 4.2.).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ausdrücklich das von ihr angenommene Gefahrenpotential des Beschwerdeführers "nicht zuletzt" auf den "Verdacht" des Delikts der schweren Körperverletzung gestützt. Sie zitierte auch die Begründung der Bezirkshauptmannschaft V im Bescheid über die Verhängung eines Waffenverbots, derzufolge der Beschwerdeführer im "Verdacht" stehe, seine damalige Freundin bedroht, geschlagen und am Körper verletzt zu haben. Diese von der belangten Behörde ausgesprochenen Verdachtsmomente sind für sich allein nach dem Gesagten nicht geeignet, das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung begründen zu können. Soweit die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorwirft, die ihn betreffende Strafverfolgung in Serbien verschwiegen zu haben, führt sie im Gegensatz dazu in der Bescheidbegründung aus, der Beschwerdeführer habe im Asylverfahren die Ladung zur Gerichtsverhandlung zur Stützung seiner Fluchtgründe vorgelegt. Somit kann von einem Verschweigen der Strafverfolgung in Serbien nicht die Rede sein.

Auch mit den wiederholten illegalen Einreisen vermag die belangte Behörde ihre Annahme über die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht zu stützen. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt führt für sich allein nämlich nicht zum Fehlen der Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 1 NAG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/21/0255).

In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, dass das ihn betreffende Strafverfahren in seiner Heimat eingestellt worden sei. Weiters weist die Beschwerde darauf hin, dass die der österreichischen Verurteilung zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen mehr als drei Jahre zurücklägen und der Beschwerdeführer durch sein seitheriges Wohlverhalten unter Beweis gestellt habe, dass er bereit und willens sei, die österreichische Rechtsordnung zu achten.

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass eine ihn betreffende Gefährlichkeitsannahme nicht allein auf das Fehlverhalten gestützt werden kann, das zu der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten geführt hat. Wie bereits erwähnt ist der bloße Verdacht einer strafbaren Handlung in Serbien nicht geeignet, die Gefährlichkeitsprognose zu stützen. Diesbezüglich hätte die belangte Behörde konkrete Feststellungen über das Fehlverhalten treffen müssen.

Mangels schlüssiger Begründung der von der belangten Behörde getroffenen Gefährlichkeitsannahme war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-92407