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VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0208

VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0208

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Durch § 28 Abs. 7 VwGVG 2014 wird dem VwG die Wahlmöglichkeit eingeräumt, im Falle einer zulässigen Säumnisbeschwerde die Zuständigkeit in der Angelegenheit unter den näher bestimmten Voraussetzungen wieder auf die Behörde zu übertragen. Eine maßgebliche Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass das VwG darin über einzelne maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit entscheidet (Hinweis Erkenntnisse vom , Ra 2014/22/0106, und vom , Ra 2015/19/0144). Diesem Erfordernis ist das BVwG nicht nachgekommen, wenn es keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt, sondern - ohne die im konkreten Fall zu lösenden Rechtsfragen zu entscheiden - der Verwaltungsbehörde die Erlassung des versäumten Bescheides unter Setzung einer Nachfrist aufgetragen hat. Beschränkt sich das Erkenntnis in seiner Begründung im Wesentlichen auf allgemeine Ausführungen zum Flüchtlingsbegriff, zum Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie zur Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen, wird damit dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 7 VwGVG 2014, nämlich der Behörde eine Entscheidung in den einzelnen (und daher fallbezogen) maßgeblichen Rechtsfragen vorzugeben, jedoch nicht entsprochen. Diese Entscheidung hat im Spruch des Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. zu § 42 Abs. 4 VwGG aF etwa das E vom , 2009/10/0160).

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2016/20/0127 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des M G in M, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W124 2107629-1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz, über den das BFA in weiterer Folge nicht entschied. Mit dem am beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) eingelangten Schriftsatz erhob der Revisionswerber Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in Folge: BVwG) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das BFA.

2 Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogenen Erkenntnis vom beauftragte das BVwG das BFA gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG, den versäumten Bescheid "unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des BVwG binnen acht Wochen zu erlassen" (A.). Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (B.).

3 Gegen das angeführte Erkenntnis des BVwG richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung insbesondere vorgebracht wird, das BVwG sei von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es der belangten Behörde zwar einen Auftrag gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG erteilt, jedoch keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen darlegt habe, unter deren Zugrundelegung die Behörde einen Bescheid zu erlassen habe. Dadurch habe es das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

4 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich im Wesentlichen den Revisionsausführungen anschloss.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

7 Im gegenständlichen Verfahren sind die Bestimmungen des VerwaltungsgerichtsverfahrensgesetzesVwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, idF BGBl. I Nr. 82/2015 - maßgebend. Dessen § 28 lautet auszugsweise:

"Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(...)

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

(...)"

8 § 28 Abs. 7 VwGVG sieht im Säumnisbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit vor, dass sich das Verwaltungsgericht auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und das Verfahren an die Behörde mit dem Auftrag zurückverweisen kann, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes innerhalb einer Frist von maximal acht Wochen nachzuholen. Durch diese gesetzliche Regelung wird dem Verwaltungsgericht die Wahlmöglichkeit eingeräumt, im Falle einer zulässigen Säumnisbeschwerde die Zuständigkeit in der Angelegenheit unter den näher bestimmten Voraussetzungen wieder auf die Behörde zu übertragen. Eine maßgebliche Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass das Verwaltungsgericht darin über einzelne maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit entscheidet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/22/0106, und vom , Ra 2015/19/0144).

9 Diesem Erfordernis ist das Bundesverwaltungsgericht nicht nachgekommen, weil es keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt, sondern - ohne die im konkreten Fall zu lösenden Rechtsfragen zu entscheiden - der Verwaltungsbehörde die Erlassung des versäumten Bescheides unter Setzung einer Nachfrist aufgetragen hat. In seiner Begründung beschränkt sich das gegenständliche Erkenntnis im Wesentlichen auf allgemeine Ausführungen zum Flüchtlingsbegriff, zum Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie zur Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen. Damit wird dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 7 VwGVG, nämlich der Behörde eine Entscheidung in den einzelnen (und daher fallbezogen) maßgeblichen Rechtsfragen vorzugeben, jedoch nicht entsprochen (vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse vom und vom ). Diese Entscheidung hat im Spruch des Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. zu § 42 Abs. 4 VwGG aF etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0160).

10 Da das BVwG dies verkannte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 19325 A/2016
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015010208.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAE-92394