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VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123

VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching, sowie durch die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des A A in N, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W211 1427898-1/10E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 In seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt (BAA; nunmehr:

Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - BFA) am brachte er ua. vor, er sei Moslem und gehöre der Volksgruppe der J an. Er stamme aus Merka, wo die Islamisten regieren würden und habe Somalia aus Angst vor Al-Shabaab verlassen.

3 Mit Bescheid vom wies das BAA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab und sprach gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. die Ausweisung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia aus.

Dazu führte des BAA zusammengefasst aus, die Identität des Revisionswerbers stehe nicht fest. Weder seine Clanzugehörigkeit noch seine behauptete Herkunftsregion Merka habe festgestellt werden können. Es sei lediglich plausibel, dass er Staatsbürger von Somalia sei und aus Südsomalia stamme. Plausibel sei weiters, dass er aufgrund der "allgemein kritischen Situation im Bereich Südsomalia" beschlossen habe, seine Heimat zu verlassen. Das Vorbringen zu seinen Fluchtgründen sei widersprüchlich und nicht plausibel. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber "ausgerechnet wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder aus sonstigen Gründen der Konvention verfolgt" werde oder bei einer Rückkehr Verfolgung zu befürchten hätte. Laut seinen Angaben habe er Somalia mit einem Flugzeug von Mogadischu ausgehend verlassen. Es sei glaubhaft, dass der Revisionswerber aus Mogadischu stamme. Eine Arbeitsaufnahme sei ihm zuzumuten, seine Angehörigen lebten nach wie vor in Südsomalia. Über Anfangsschwierigkeiten hinausgehende Probleme seien nicht zu erwarten. Der Revisionswerber habe in Österreich keine Familienangehörigen und auch keine relevanten privaten Beziehungen; er sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Zur Entscheidungsfindung habe das BAA eine aktuelle Information der Staatendokumentation zum Herkunftsland Somalia, Stand Juni 2012, eine Internetrecherche zu Merka, sowie Informationen der Staatendokumentation zum Clan der J und zu markanten Vorfällen in Merka herangezogen.

4 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Asylgerichtshof, in welcher er die Feststellungen und Erwägungen des bekämpften Bescheides ausführlich bestritt und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragte.

5 Das beim Asylgerichtshof anhängige Verfahren wurde ab durch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) weitergeführt (§ 75 Abs. 19 AsylG 2005).

6 Mit dem angefochtenen Beschluss vom behob das BVwG den Bescheid des BAA vom gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Verwaltungsbehörde zurück. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt. Hierzu führte das BVwG zusammengefasst aus, es lägen krasse Ermittlungs- und Feststellungsmängel der Verwaltungsbehörde vor. Es erschließe sich nicht, auf welchen Ermittlungsergebnissen die Feststellung beruhen solle, dass der Revisionswerber aus Mogadischu stamme. Habe die belangte Behörde Zweifel an der Herkunft des Revisionswerbers aus Merka, habe sie "geeignete Ermittlungsschritte" zu setzen, "um diese Zweifel entsprechend zu erhärten". Es sei nicht nachvollziehbar, warum durch die belangte Behörde keine Clanzugehörigkeit festgestellt worden sei. Diese sei ein wesentliches entscheidungsrelevantes Merkmal in Fällen somalischer Staatsangehöriger. Könne keine Clanzugehörigkeit festgestellt werden, müsse "sich das in der rechtlichen Beurteilung auf z.B. auch Fragen in Bezug auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auswirken". Es seien keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob der Revisionswerber über Familienangehörige in Somalia verfüge. Die Annahme, dass seine Familie in Mogadischu aufhältig sei, fuße auf keinerlei Ermittlungsergebnissen. Die belangte Behörde werde im fortgesetzten Verfahren "weitere Ermittlungen" zur Herkunft des Revisionswerbers, zu dessen Clanzugehörigkeit und zum Verbleib von dessen Familie in Somalia anzustellen haben. Weiters werde der Revisionswerber "näher" zu seinem "eigentlichen Fluchtvorbringen" zu befragen sein.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben können.

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision führt zur Zulässigkeit aus, das Verwaltungsgericht habe durch seine Entscheidung, die Sache an das BFA zurückzuverweisen, seine meritorische Entscheidungspflicht verletzt. Es sei dabei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063) abgewichen.

9 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. Gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zu § 28 VwGVG - unter Hinweis auf die einschlägigen Gesetzesmaterialien - die Auffassung, dass in dieser Bestimmung ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2014/20/0029, vom , Ro 2014/03/0066, und vom , Ra 2014/22/0087, mwN).

10 Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall nicht vor:

11 Das Bundesasylamt hat am eine Einvernahme des Revisionswerbers durchgeführt. Zu dessen Vorbringen hinsichtlich seiner behaupteten Herkunft aus Merka wurde eine Internetrecherche in Bezug auf die genannte Stadt durchgeführt, zum Vorbringen der behaupteten Clanzugehörigkeit zog das BAA Informationen der Staatendokumentation zum Clan der J und zu besonderen Vorfällen in Merka heran. Weiters legte das BAA seiner Entscheidung vom Feststellungen der Staatendokumentation zu Somalia, Stand Juni 2012, zugrunde.

12 Die Verwaltungsbehörde hat somit Ermittlungen zum Sachverhalt durchgeführt und sich auf Grundlage dieser Ermittlungen beweiswürdigend mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu dessen Fluchtgründen auseinandergesetzt.

13 Wenn das BVwG der Auffassung ist, dass im Hinblick auf die vom BAA getroffenen Feststellungen verfahrenswesentliche Fragen (ua. hinsichtlich des Herkunftsortes des Revisionswerbers, dessen Clanzugehörigkeit bzw. noch bestehender familiärer Anknüpfungspunkte in Somalia) ungeklärt geblieben sind, so wäre es dem BVwG ausgehend vom vorangegangenen Verwaltungsgeschehen sowie dem Vorbringen in der Beschwerde im gegenständlichen Fall möglich gewesen, im Zuge einer Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG die Verfahrensergebnisse zu ergänzen und in der Sache selbst zu entscheiden. Mit dem - letztlich vage gebliebenen - Prüfungsauftrag an die Verwaltungsbehörde werden keine Ermittlungslücken aufgezeigt, die den Ermittlungshorizont des BVwG überstiegen hätten (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/18/0099). Anhaltspunkte, die im Revisionsfall dagegen sprechen würden, dass die aufgetragenen Ermittlungen im Interesse der Raschheit im Sinne des § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG unmittelbar auf der Ebene des Verwaltungsgerichts durchgeführt werden, sind nicht ersichtlich. Damit fehlen aber Anhaltspunkte, die im Revisionsfall ungeachtet der bereits langen Verfahrensdauer eine Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigen.

14 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

15 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am