VwGH vom 19.12.2012, 2011/22/0124
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2011/22/0125
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden 1. des V und 2. der N, beide vertreten durch die Kraft Winternitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 153.760/7- III/4/11 (ad 1., protokolliert zu 2011/22/0124) und Zl. 153.760/6- III/4/11 (ad 2., protokolliert zu 2011/22/0125), jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien, Geschwister mit iranischer Staatsangehörigkeit, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 1 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden annähernd gleichlautend aus, die beschwerdeführenden Parteien hätten bereits mit Gültigkeit vom bis eine Niederlassungsbewilligung zwecks Familienzusammenführung mit ihren Eltern erhalten. Am hätten sie bei der erstinstanzlichen Behörde Verlängerungsanträge eingebracht. Im Verlängerungsverfahren seien die beschwerdeführenden Parteien aufgefordert worden, Schulbesuchsbestätigungen nachzureichen. Aus den vorgelegten Bescheinigungen gehe hervor, dass die beschwerdeführenden Parteien eine Schule im Heimatland besuchen würden. Aus der Berufung sei ersichtlich, dass die beschwerdeführenden Parteien zum Zeitpunkt der Antragstellung im Oktober 2010 bereits im Wissen hätten gewesen sein müssen, dass sie erst mit September 2011 in eine Schule in Wien einzutreten planen würden. Daraus ergebe sich, dass die beschwerdeführenden Parteien rund ein Jahr vorher einen Aufenthaltstitel anstreben würden, obwohl sie beabsichtigen würden, ihre Einreise in das Bundesgebiet erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt vorzunehmen. "Geht die Berufungsbehörde im Verwaltungsakt noch weiter zurück, so ist anzunehmen, dass sie vor diesem Hintergrund auch den im Jahre 2009 gestellten Antrag einbrachten."
Gemäß § 1 Abs. 1 NAG regle dieses Gesetz die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Erstanträge sei die Behörde davon ausgegangen, dass die beschwerdeführenden Parteien unmittelbar nach positiver Erledigung in das Bundesgebiet einreisen und mit den Eltern ein gemeinsames Familienleben in Österreich begründen würden, was jedoch nicht erfolgt sei. Der nun beantragte Titel hätte bei einer Einreise im September 2011 lediglich für einen Monat gegriffen. Es möge sein, dass eine Übersiedlung eine umfassende Planung voraussetze, jedoch sei es nicht im Sinn des NAG, bereits im Jahr 2009 einen Aufenthaltstitel zu beantragen, der tatsächlich erst für September 2011 benötigt werde. Die zweite Instanz bezweifle nicht den Willen der beschwerdeführenden Parteien, in das Bundesgebiet zu ziehen. Laut vorliegender Schulbesuchsbestätigung befänden sich die beschwerdeführenden Parteien nachweislich nicht im Bundesgebiet, obwohl sie bereits über einen Aufenthaltstitel verfügten und die Eltern in Österreich wohnhaft seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung der angefochtenen Bescheide im März 2011 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 111/2010 und der KM BGBl. I Nr. 16/2011 maßgeblich sind und sich nachfolgende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.
Gemäß § 1 Abs. 1 NAG regelt dieses Bundesgesetz die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen. Daraus ergibt sich unschwer die Richtigkeit der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht voraussetzt, dass die Fremden bereits im Bundesgebiet niedergelassen sind.
Die belangte Behörde stellt nicht in Abrede, dass die beschwerdeführenden Parteien eine Niederlassung in Österreich mit ihren Eltern beabsichtigen. Die Argumentation der belangten Behörde geht dahin, dass der Aufenthaltstitel nicht erteilt werden dürfe, weil der nach der geplanten Einreise verbleibende Gültigkeitszeitraum des Aufenthaltstitels weniger als sechs Monate betrage.
Die belangte Behörde verkennt dabei, dass das NAG keine Voraussetzung dergestalt normiert, dass der Aufenthaltstitel zu mehr als sechs Monaten ausgenützt werden muss. Um den Zweck dieses Gesetzes sicherzustellen, räumt es der Behörde in § 10 Abs. 2 NAG die Befugnis ein, mit Bescheid festzustellen, dass ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr in Österreich aufhältig oder niedergelassen ist, woraufhin Aufenthaltstitel ungültig werden.
Davon ausgehend bietet das Gesetz keine Grundlage, einen Aufenthaltstitel deswegen zu versagen, weil die Einreise nach Österreich erst zu einem späteren Zeitpunkt geplant ist.
Ob die beschwerdeführenden Parteien bereits bei der Erstantragstellung im Jahr 2009 eine Niederlassung in Österreich erst mit September 2011 geplant haben, ist nicht von rechtlicher Bedeutung, könnten sie doch nun noch während der Geltungsdauer des beantragten Titels die Niederlassung in Österreich beginnen. Diese Absicht wird ihnen durch die belangte Behörde nicht abgesprochen.
Da der von der belangten Behörde herangezogene Grund für die Versagung der Aufenthaltstitel nicht greift, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das den dort festgelegten Pauschalbetrag und die Eingabengebühr übersteigende Begehren war abzuweisen.
Wien, am