VwGH vom 29.08.2018, Ro 2014/17/0114
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der E GmbH in S, vertreten durch die Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt, Völkermarkter Ring 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-LE./1459-I/7/2013, betreffend Bestandsprämie für Rinder 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die Berufung der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria (AMA) vom , mit dem der Revisionswerberin für das Kalenderjahr 2011 Rinderprämien in Höhe von insgesamt EUR 398,80 gewährt worden waren, ab.
2 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, von den am vorhandenen Fleischrassekühen seien 34 näher bezeichnete Tiere und eine am vorhandene Fleischrassekalbin, drei am vorhandene weitere Fleischrassekalbinnen sowie zwei am vorhandene zusätzliche Fleischrassekühe sowie eine zusätzliche Fleischrassekalbin laut "Alm/Weidemeldung Rinder für das Jahr 2011" am auf eine näher bezeichnete Alm aufgetrieben worden. Die entsprechenden (laut Angaben der Revisionswerberin am zur Post gegebenen) Formulare seien am bei der AMA eingelangt. Sie hätten jeweils den Eingangsstempel der AMA vom im betreffenden Feld "Eingangsdatum AMA" getragen. Eine (zeitlich vorgelagerte) Telefaxmeldung liege nicht auf. Das verspätete Einlangen der "Alm/Weidemeldung Rinder für das Jahr 2011" gehe zu Lasten der Revisionswerberin.
3 Eine rechtzeitige Meldung sei eine notwendige Voraussetzung für die Gewährung der Mutterkuhprämie für die beantragten Rinder im betreffenden Jahr. Liege diese rechtzeitige Meldung nicht vor, gelte das betreffende Tier als nicht ermittelt. Hierbei handle es sich nicht um eine Sanktion, sondern um eine Voraussetzung für die Gewährung der Prämie. Es sei daher auch nicht zu beurteilen, ob seitens der Revisionswerberin fahrlässiges Verhalten vorliege.
4 Ein rechtzeitiges Einlangen der Meldung innerhalb der vorgesehenen 15 Tages-Frist liege hinsichtlich der angeführten 37 (nach der Bescheidbegründung auch: 36) Kühe und 6 (nach der Bescheidbegründung auch: 5) Kalbinnen nicht vor, sodass die Mutterkuhprämie für diese Tiere unabhängig von der Anzahl der Tage des Postwegs nicht zu gewähren sei.
5 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom , B 92/2014-7, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde (nunmehr: Revision) beantragte die Revisionswerberin, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, kostenpflichtig aufheben.
7 Das gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) in Verbindung mit Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG eingetretene Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift sowie unter Hinweis auf die Stellungnahme der belangten Behörde vom vor. Es stellte den Antrag, die Revision kostenpflichtig abzuweisen.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Auf eine vom Verfassungsgerichtshof nach dem gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Bescheidbeschwerde ist § 4 VwGbk-ÜG sinngemäß anzuwenden (vgl. z.B. ). Die abgetretene Beschwerde gilt daher als Revision, für die die Regelung des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG Anwendung findet. Demnach gelten für die Behandlung der Revision die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.
10 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen lauten:
I. § 6 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern (Rinderkennzeichnungs-Verordnung 2008), BGBl. II Nr 201/2008 idF BGBl. II Nr 66/2010:
"Meldungen durch den Tierhalter
§ 6. (1) Innerhalb von sieben Tagen sind zu melden:
1. Tiergeburten, Todesfälle (Schlachtungen und Verendungen)
von kennzeichnungspflichtigen Tieren sowie Umsetzungen von Tieren
in den oder aus dem Betrieb unter Angabe der für den Tierpass
nötigen, ergänzenden Daten,
2. Umsetzungen von Tieren zwischen Betrieben eines
Tierhalters in verschiedenen Gemeinden unter Angabe der für den
Tierpass nötigen, ergänzenden Daten,
3. der Auftrieb auf Almen/Weiden, wenn es zu einer
Vermischung von Rindern mehrerer Tierhalter kommt,
4. der Auftrieb auf Almen/Weiden in einer anderen Gemeinde,
wenn für die Almen/Weiden eigene Betriebsnummern gemäß LFBIS-Gesetz, BGBl. Nr. 448/1980, in der jeweils geltenden Fassung, vorhanden sind oder die Flächenangaben zu den Almen/Weiden im Sammelantrag gemäß § 3 INVEKOS-CC-V 2010, BGBl. II Nr. 492/2009 anderer Bewirtschafter enthalten sind.
Davon ausgenommen ist jedoch der Auftrieb auf Zwischenweiden (zum Beispiel Vorsäß, Maisäß, Nachsäß, Aste) desselben Tierhalters vor oder nach einem meldepflichtigen Auftrieb auf eine Alm oder Weide.
(2) ...
(5) Die Alm/Weidemeldung ist unter Verwendung eines von der AMA aufzulegenden Formblattes durchzuführen und postalisch oder online bei der AMA einzubringen. Die übrigen Meldungen nach Abs. 1 bis 4 sind telefonisch, schriftlich oder online unbeschadet des § 5 Abs. 1 bei der AMA einzubringen.
(6) Für die Einhaltung der Frist ist der Eingang maßgeblich."
II. Entscheidung der Kommission vom , 2001/672/EG, in der Fassung des Beschlusses der Kommission vom , 2010/300/EU, mit besonderen Regeln für die Bewegungen von Rindern im Fall des Auftriebs auf die Sommerweide in Berggebieten (im Folgenden: Entscheidung der Kommission):
"Artikel 1
Diese Entscheidung gilt in den im Anhang genannten Mitgliedstaaten oder Teilgebieten derselben für die Bewegungen von Rindern von verschiedenen Haltungsorten zu Weideplätzen in Berggebieten in der Zeit vom 1. Mai bis zum 15. Oktober.
Artikel 2
(1) ...
(2) Die für die Weideplätze zuständige Person erstellt eine Liste der Rinder, die für eine Bewegung im Sinne von Artikel 1 vorgesehen sind. Diese Liste muss mindestens enthalten:
- die Registriernummer des Weideplatzes;
und für jedes Rind
- die individuelle Kennnummer des Tieres;
- die Kennnummer des Herkunftsbetriebes;
- das Datum der Ankunft auf dem Weideplatz;
- den voraussichtliche Zeitpunkt des Abtriebs.
(3) Die unter Ziffer 2 genannte Liste wird von dem für die Überwachung der Rinderbewegung zuständigen Tierarzt bestätigt.
(4) Die Angaben für die in Absatz 2 genannte Liste sind der zuständigen Behörde gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 spätestens 15 Tage nach dem Datum des Auftriebs der Tiere auf die Weide zu übermitteln.
(5) ..."
11 In der Revision wird die Ansicht vertreten, Art. 2 der Entscheidung der Kommission stelle nicht auf den "Eingang" bzw. das "Einlangen" der Almauftriebsmeldung ab, sodass die belastende "Eingangsfrist" des § 6 Abs. 6 Rinderkennzeichnungs-Verordnung 2008 in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nicht angewendet werden dürfe.
12 Aus Anlass des vorliegenden Revisionsfalls legte der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Beschluss vom , EU 2016/0004-1 (Ro 2014/17/0114-10), dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vor:
"1. Steht Art 2 Absatz 4 der Entscheidung der Kommission vom mit besonderen Regeln für die Bewegungen von Rindern im Fall des Auftriebs auf die Sommerweide in Berggebieten, 2001/672/EG (im Folgenden: Entscheidung der Kommission), ABl L 235 vom , S 23, in der Fassung des Beschlusses der Kommission vom , 2010/300/EU, ABl L 127 vom , S 19, einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift wie jener des § 6 Absatz 6 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern (Rinderkennzeichnungs-Verordnung 2008), BGBl II Nr 201/2008, die für die Einhaltung aller von dieser Bestimmung erfassten Fristen - und somit auch jener für die Meldung des Sommerweideauftriebs - den Eingang der entsprechenden Meldung als maßgeblich erklärt, entgegen?
2. ..."
13 Mit Urteil vom (EP Agrarhandel GmbH, C- 554/16) beantwortete der EuGH diese Frage wie folgt:
"Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672/EG der Kommission vom mit besonderen Regeln für die Bewegungen von Rindern im Fall des Auftriebs auf die Sommerweide in Berggebieten in der durch den Beschluss 2010/300/EU der Kommission vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die für die Einhaltung der Frist für die Meldung des Sommerweideauftriebs den Eingang der Meldung als maßgeblich erklärt."
In seiner Begründung legte der EuGH dar, dass er davon ausgeht, dass die nach Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672/EG vorgesehene Frist eingehalten wurde, wenn die verlangten Angaben spätestens 15 Tage nach der Ankunft der Tiere auf den Weiden an die zuständige Behörde abgeschickt wurden (vgl. Rz 43 und 45).
14 Daraus folgt für den vorliegenden Revisionsfall:
15 Die Berufungsbehörde ging unter Berufung auf § 6 Abs. 6 der Rinderkennzeichnungs-Verordnung 2008, wonach für die Einhaltung der Frist der Eingang maßgeblich ist, davon aus, dass es bei der Frage der Rechtzeitigkeit der (in Abs. 5 leg. cit. angeführten) "Alm/Weidemeldung" auf das Einlangen dieser Meldung bei der zuständigen Behörde ankommt und nicht auf das fristgerechte Absenden. Diese nationale Vorschrift steht nach dem in der vorliegenden Rechtssache eingeholten soweit sie Fristen für die Meldung des Sommerweideauftriebs im Sinn der Entscheidung der Kommission betrifft - in Widerspruch mit Unionsrecht, sodass sie nach der Rechtsprechung des EuGH unangewendet zu bleiben hat (vgl. Egenberger, C-414/16, Rn. 82; , Fuß, C-429/09, Rn. 40). Es kommt daher für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Meldung des Sommerweideauftriebs im Sinne der oben zitierten Ausführungen des EuGH auf den Zeitpunkt der Absendung dieser Meldung an die zuständige Behörde an.
16 Die Berufungsbehörde traf aufgrund ihrer unzutreffenden Rechtsansicht, es komme auf das Einlangen der Meldung an, keine Feststellung, an welchem Tag die Absendung der erforderlichen Mitteilung erfolgt ist. Damit liegt ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der die Berufungsentscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.
17 Die angefochtene Entscheidung war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
18 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2014170114.J00 |
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UAAAE-92312