zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 26.03.2015, Ra 2014/22/0179

VwGH vom 26.03.2015, Ra 2014/22/0179

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

Ra 2014/22/0180

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes Wien 1.) vom , VGW- 151/007/22047/2014-8 (protokolliert zu Zl. Ra 2014/22/0179) und

2.) vom , VGW-151/007/22045/2014-11 (protokolliert zu Zl. Ra 2014/22/0180), jeweils betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Parteien: 1. A; 2. A N, beide vertreten durch Mag. Wolfgang Moser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wächtergasse 1/11), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligten sind Staatsangehörige von Guinea. Der Erstmitbeteiligte stellte am , der Zweitmitbeteiligte bereits am jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte (§ 41/2/2) sonstige Schlüsselkraft" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Am modifizierten beide Mitbeteiligten ihre Anträge auf "Rot-Weiß-Rot-Karte unselbständig".

Der Revisionswerber forderte die Mitbeteiligten jeweils mit Schriftsatz vom auf, diverse weitere Unterlagen vorzulegen. Nachdem die geforderten Unterlagen nicht vorgelegt worden waren, wies der Revisionswerber die Anträge jeweils mit Bescheid vom ab; diese wurden den Mitbeteiligten am zugestellt.

In ihren Beschwerden brachten die Mitbeteiligten unter anderem vor, ihnen sei die Unterlagenanforderung vom nie zugegangen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am führten die Mitbeteiligten im Wesentlichen aus, sie seien Geschäftsführer von näher genannten Unternehmen, die seit beinahe 30 Jahren intensive Geschäftsbeziehungen mit der AT GmbH unterhielten, deren größter Kunde sie seien. Sie seien Eigentümer von mehreren Eigentumswohnungen in Wien und hätten auch Barmittel in Österreich veranlagt. Zu den in der mündlichen Verhandlung ausgehändigten Unterlagenanforderungen vom kündigte der Vertreter der Mitbeteiligten eine Stellungnahme und die Vorlage ergänzender Unterlagen innerhalb von drei Wochen an. In der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am führte der Vertreter der Mitbeteiligten aus, die geforderten Originaldokumente könnten nicht vorgelegt werden, weil sie im Wege über die österreichische Botschaft im Senegal der Behörde erster Instanz übermittelt worden seien.

In den angefochtenen Erkenntnissen führte das Verwaltungsgericht Wien nahezu gleichlautend aus, die langjährige und umfangreiche Geschäftsbeziehung der Mitbeteiligten mit der AT GmbH sei ausreichend dokumentiert. Bei den Mitbeteiligten handle es sich um äußerst wohlhabende Personen, die über ein ausreichendes Vermögen verfügten und in Wien mehrere Eigentumswohnungen besäßen. Sie seien Alleingesellschafter und Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die auf ihren Namen lauteten; "insofern lässt sich ihre berufliche Stellung einerseits als Selbständige, unter einem anderen Blickwinkel aber auch als Unselbständige bewerten, weil es sich bei einer GmbH um eine juristische Person handelt, die nach außen von ihren Geschäftsführern vertreten wird". Die umfangreiche Geschäftsbeziehung zu der AT GmbH impliziere ein wirtschaftliches Interesse an einem durch Aufenthaltstitel geregelten Aufenthalt in Österreich. Das Verwaltungsgericht Wien erachte die Voraussetzungen zur Zuerkennung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte" im Sinn der am modifizierten Anträge für gegeben, weshalb die in Beschwerde gezogenen Bescheide aufgehoben und den Mitbeteiligten die Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 NAG für die Dauer von zwölf Monaten erteilt würden. Diese Zuerkennung sei auf ein Jahr befristet, "daher besteht die Möglichkeit, die unterbliebenen Verfahrensschritte im Rahmen der Antragstellung auf Verlängerung des Aufenthaltstitels nachzuholen".

Eine ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen des Landeshauptmannes von Wien, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch das Verwaltungsgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Mitbeteiligten erwogen hat:

Die Revisionen sind zulässig und auch berechtigt.

Die Mitbeteiligten beantragten nach ihrer Antragsmodifikation vom unstrittig die Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte" als unselbständig Erwerbstätige gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 NAG.

Der Revisionswerber bringt unter Hinweis auf § 41 Abs. 2 Z 2 NAG,§ 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - Durchführungsverordnung (NAG-DV) sowie §§ 12b und 20d Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) vor, die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel sei nur bei Vorliegen einer schriftlichen Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice möglich. Das Verwaltungsgericht habe sich über diese Rechtsnormen hinweggesetzt und die Aufenthaltstitel ohne Prüfung der Voraussetzungen für die Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b AuslBG und entgegen der eindeutigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erteilt.

§ 41 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, lautet auszugsweise:

" Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte'

§ 41. (1) Drittstaatsangehörigen kann ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 1 AuslBG vorliegt.

(2) Drittstaatsangehörigen kann ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
...
2.
eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 3 AuslBG,
3.
..."
§ 12b und 20d AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung BGBl. Nr. 72/2013, lauten auszugsweise:
"
Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen

§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie

1. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder

2. ...

Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler

§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine 'Rot-Weiß-Rot - Karte', Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine 'Blaue Karte EU' und ausländische Künstler den Antrag auf eine 'Aufenthaltsbewilligung - Künstler' gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12
2.
als Fachkraft gemäß § 12a,
3.
als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,
4.
als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),
5.
als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine 'Blaue Karte EU') oder
6.
als Künstler gemäß § 14
erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.

(2) ..."

Gegenständlich wurden unstrittig keine Stellungnahmen des AMS gemäß § 20d Abs. 1 Z 3 AuslBG eingeholt; die Zulassungsvoraussetzungen für unselbständige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1 AuslBG wurden somit nicht in einer dieser Bestimmung entsprechenden Weise geprüft. Wenn das Verwaltungsgericht in seinen Begründungen jeweils ausführt, die Aufenthaltstitel seien auf ein Jahr befristet, weshalb die Möglichkeit bestehe, "die unterbliebenen Verfahrensschritte im Rahmen der Antragstellung auf Verlängerung des Aufenthaltstitels nachzuholen", verkennt es die Rechtslage. Die Prüfung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2010/22/0204) gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 NAG in einer dieser Bestimmung und dem AuslBG entsprechenden Form durch Einholen einer Stellungnahme des AMS hat vor Erteilung eines Aufenthaltstitels zu erfolgen; dabei handelt es sich nicht um einen "Verfahrensschritt", der im Rahmen eines allfälligen Verlängerungsverfahrens nachgeholt werden kann.

Soweit die mitbeteiligten Parteien in ihrer Revisionsbeantwortung auf das zum Verfahren vor den Behörden nach dem AuslBG ergangene hg. Erkenntnis vom , 2008/09/0060, verweisen, ist für sie daraus schon mangels Identität der maßgeblichen Rechtsnormen und mangels Vergleichbarkeit der zugrunde liegenden Sachverhalte nichts zu gewinnen.

Da das Verwaltungsgericht Wien die Rechtslage betreffend die Einbindung des AMS verkannte, waren die angefochtenen Erkenntnisse wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am