VwGH vom 18.10.2012, 2011/22/0113
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des L, vertreten durch Mag. Dr. Karner Mag. Dr. Mayer Rechtsanwaltspartnerschaft in 8010 Graz, Steyrergasse 103/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA7C-2- 9. I/1692-2009, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer, einem nigerianischen Staatsangehörigen, gestellten Antrag, ihm nach § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) einen Aufenthaltstitel zu erteilen, gestützt auf diese Bestimmung ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt, "der am zweitinstanzlich rechtskräftig negativ entschieden und mit einer Ausweisung verbunden" worden sei.
Den hier gegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer am eingebracht. Er habe auf die Dauer seines Asylverfahrens hingewiesen, sowie darauf, dass er "mustergütig integriert und selbsterhaltungsfähig" wäre. Weiters wäre er schuldenfrei und würde keine soziale Unterstützung beziehen sowie gut Deutsch sprechen, die Wohnversorgung und die Sozialversicherung wären gewährleistet und er wäre auch strafrechtlich unbescholten. Er wäre im Fall der Rückkehr nach Nigeria "einer existentiellen Notlage" ausgesetzt. Er hätte im Heimatland auf Grund der dortigen wirtschaftlichen Situation keine Verdienstmöglichkeit und auch keine "Perspektive".
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark, die - so die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter - um Stellungnahme ersucht worden sei, habe ausgeführt, dass die "Effektuierung" der gegen den Beschwerdeführer erlassenen Ausweisung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK nach wie vor zulässig sei.
Nach Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen des NAG und des § 293 Abs. 1 ASVG führte die belangte Behörde aus, die nach § 44 Abs. 4 NAG geforderten Aufenthaltszeiten lägen vor. Der Beschwerdeführer sei vor dem in das Bundesgebiet eingereist; es sei die Hälfte des Gesamtaufenthaltes im Bundesgebiet als legal zu betrachten. Was die Selbsterhaltungsfähigkeit betreffe, könne das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers, das sich auf Werkvertragstätigkeiten als Zeitungsausträger "mit zuletzt vorgelegten monatlichen Einnahmen von ca. EUR 950,-- bezieht", anerkannt werden.
Ungeachtet des Vorliegens der Selbsterhaltungsfähigkeit und der nach § 44 Abs. 4 NAG notwendigen Aufenthaltszeiten sei es jedoch Voraussetzung für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels, dass ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliege. Bei der diesbezüglichen Prüfung habe die Behörde den Grad der Integration, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen.
Es läge im Fall des Beschwerdeführers zwar eine regelmäßige Erwerbstätigkeit vor, jedoch könne von einer besonderen Berücksichtigungswürdigkeit des Falles nicht ausgegangen werden. Ein besonderes Ausmaß an Integration, vor allem im Hinblick auf Nachweise über Sprachkenntnisse und "sonstige Anbindungen" im Bundesgebiet, seien nicht dargelegt worden.
Des Weiteren sei zu würdigen, dass der Beschwerdeführer nach der im Februar 2004 erfolgten Asylantragstellung bereits im April 2006 eine rechtskräftige "negative Entscheidung", welche mit einer Ausweisung verbunden worden sei, erhalten habe. Der in weiterer Folge "entstandene legale Aufenthalt" des Beschwerdeführers sei lediglich auf die Anhängigkeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof in der Zeit von April 2006 bis März 2009 zurückzuführen. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Beschwerdeführer aber die Ausweisungsentscheidung "nachhaltig ignoriert". Nur darauf sei die nunmehr vorliegende Selbsterhaltungsfähigkeit zurückzuführen.
Weiters sei "einer negativen Würdigung" zu unterziehen, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Werkvertragstätigkeiten bis April 2009 zusätzlich Leistungen aus der Grundversorgung bezogen habe. Einen Nachweis über eine schulische oder berufliche Ausbildung im Inland oder über "ein entsprechendes Sprachzertifikat auf dem Niveau A2" habe der Beschwerdeführer nicht erbracht.
Es sei sohin bei der nach § 44 Abs. 4 NAG gebotenen Betrachtung davon auszugehen, dass für die Erteilung des Aufenthaltstitels notwendige berücksichtigungswürdige Gründe nicht vorlägen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () nach dem NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 111/2010 und der KM BGBl. I Nr. 16/2011 richtet.
§ 44 Abs. 4 NAG lautet:
"§ 44. …
…
(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und
2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.
Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Sicherheitsdirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß § 74 und § 73 AVG gehemmt. Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde - was im Ergebnis in der Beschwerde zu Recht gerügt wird - , obgleich sie erkannt hat, dass im vorliegenden Fall keine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vorzunehmen ist, dennoch in verfehlter Weise gerade dies zum Teil getan hat. Es kommt nämlich bei der Prüfung nach § 44 Abs. 4 NAG gerade nicht darauf an, ob und wie lange sich der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers während seines Aufenthalts im Bundesgebiet als unsicher dargestellt hat. Es ist auch nicht relevant, ob die zur Integration führenden Umstände während des Zeitraumes eines unsicheren Aufenthaltsstatus entstanden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0303, mwN). Vielmehr ist ausschließlich zu prüfen, ob im Hinblick auf den erreichten Grad der Integration das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles zu bejahen ist (vgl. etwa das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom , sowie jenes vom , Zl. 2010/21/0104).
Dennoch liegt im vorliegenden Fall eine zur Bescheidaufhebung führende Rechtsverletzung nicht vor.
Die belangte Behörde hat nämlich entscheidungswesentlich darauf abgestellt, dass trotz der mittlerweile durch Erwirtschaftung eines ausreichenden monatlichen Einkommens erlangten Selbsterhaltungsfähigkeit als Zeitungsausträger die sonst für die Integration des Beschwerdeführers sprechenden Umstände nicht dergestalt sind, dass von einem besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn des § 44 Abs. 4 NAG gesprochen werden könnte. Diese Ansicht ist nicht zu beanstanden. In der Beschwerde bleibt unbestritten, dass für den Beschwerdeführer über längere Zeit hinweg die Versorgung seiner Bedürfnisse im Rahmen der ihm im Asylverfahren gewährten Grundversorgung erforderlich war. Von einem solchen Ausmaß einer beruflichen Integration, das es nach § 44 Abs. 4 NAG geboten hätte, ihm einen Aufenthaltstitel zu erteilen, kann im vorliegenden Fall hingegen nicht gesprochen werden.
Nicht berechtigt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die belangte Behörde in rechtswidriger Weise das Ausmaß seiner Deutschkenntnisse nicht berücksichtigt hätte. Vielmehr hat er dazu im Verwaltungsverfahren weder ein entsprechend substantiiertes Vorbringen erstattet noch die Ablegung der Prüfung über die Deutschkenntnisse dokumentierende Unterlagen vorgelegt. Dazu wäre er aber jedenfalls verpflichtet gewesen (arg: "auf begründeten Antrag" in § 44 Abs. 4 NAG). Demgegenüber räumt die Beschwerde selbst ein, der Beschwerdeführer werde "nunmehr auch das A2-Zertifikat in Angriff" nehmen. Dass die belangte Behörde davon ausging, der Beschwerdeführer habe das Ausmaß seiner Deutschkenntnisse nicht nachgewiesen, ist schließlich auf dem Boden der von ihm vorgelegten Bestätigung, wonach er "derzeit" einen Deutschkurs besuche, nicht zu beanstanden. Im Übrigen ist selbst dann, wenn er eine Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss vorgelegt hätte, bei der gegenständlichen Konstellation nicht erkennbar, dass diesfalls die von § 44 Abs. 4 NAG geforderten Voraussetzungen der besonderen Berücksichtigungswürdigkeit gegeben gewesen wäre. Dem in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmangel fehlt sohin auch die Relevanz für den Verfahrensausgang.
Ungeachtet des eingangs genannten Rechtsirrtums kann somit der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, es läge ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des § 44 Abs. 4 NAG nicht vor.
Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Der Antrag der belangten Behörde auf Ersatz von Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil sie die Verwaltungsakten lediglich vorgelegt hat. Eine Gegenschrift zur Beschwerde wurde nicht erstattet.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-92304