VwGH vom 12.05.2010, 2009/12/0081
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, über die Beschwerde des J S in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 122.682/10-I/1/c/09, betreffend (Versagung der) Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit gemäß § 50a BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Inspektor in der Verwendungsgruppe E 2b in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Polizeiinspektion S in W.
In seinem "Ansuchen" vom ersuchte er um "Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit auf die Hälfte des für eine Vollbeschäftigung vorgesehenen Ausmaßes ab dem ". Er strebe ein Bachelor-Studium an der Universität Wien im Bereich der Sozialwissenschaften an. Die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit auf 20 Wochenstunden würde es ermöglichen, alle Lehrveranstaltungen zu besuchen, um somit einen günstigen Studienerfolg zu gewährleisten. Die mit sich geführte Einkommensverschlechterung werde in Kauf genommen. Für eine weitere Verwendung im Gruppendienst wäre eine Dienstversehung im "6-Gruppendienst" vorgesehen, wobei alle Nachtdienste, die Sonntagsdienste und darüber hinaus bis auf das vorgesehene Maß von 20 Wochenstunden, Tagdienst versehen würden.
Mit Bescheid vom wies das Landespolizeikommando W den Antrag vom auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit auf 20 Stunden ab gemäß § 50a Abs. 1 BDG 1979 ab, wogegen der Beschwerdeführer Berufung erhob. In der Begründung wurde u.a. die Überstundenbelastung der Polizeiinspektion S im Vergleichsmonat April 2008 angeführt.
In einer aus Anlass der Einräumung von Parteiengehör durch die belangte Behörde erstatteten Stellungnahme vom brachte der Beschwerdeführer im Hinblick auf einen Vorhalt der belangten Behörde vor, diese gehe offenbar davon aus, dass er die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit auf 20 Stunden ab lediglich für einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren beantrage. Auf Grund dieser Tatsache werde der Antrag dahingehend konkretisiert, "die regelmäßige Wochendienstzeit auf 20 Stunden ab für die Dauer von acht Jahren gemäß § 50a Abs. 1 BDG 1979 herabzusetzen".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid vom . Begründend wiederholte sie u.a. die Ausführungen der Dienstbehörde erster Instanz zur Überstundenbelastung und deren Darstellung des Personalstandes im Bereich des Landespolizeikommandos W sowie des Stadtpolizeikommandos M während der ersten zwei Quartale 2008 mit dessen Aktualisierung für die Polizeiinspektion S und das Stadtpolizeikommando M (November bzw. Dezember 2008) und führte zusammengefasst aus, die der belangten Behörde erst mit der Stellungnahme des Beschwerdeführers zur Kenntnis gebrachte Dauer der Herabsetzung für acht Jahre ändere nichts am Entscheidungsergebnis. Die Dauer der Herabsetzung sei für die Beurteilung irrelevant, weil auch § 50a BDG 1979 kein Hinweis zu entnehmen sei, dass der Antrag auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit einen Zeitraum zu enthalten habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass vom ersten Tag einer Herabsetzung an keine wichtigen dienstlichen Interessen entgegen stehen dürfen.
Die Möglichkeiten des Stellenplanes und der Ersatzstellung im Wege von Zuteilungen oder Versetzungen seien trotz weit gehender Personalmaßnahmen des Dienstgebers ausgeschöpft. Die Gewährleistung des umfassenden Exekutivdienstes dürfe nicht primär vom Willen der Dienstnehmer abhängig sein. Aus den dargelegten Umständen ergebe sich zusammengefasst, dass einer Gewährung des Antrages des Beschwerdeführers wichtige dienstliche Interessen im Sinne des § 50a BDG 1979 entgegen stünden, die sich in der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit, der Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Sicherheitsdienstes an sieben Tagen in der Woche und über 24 Stunden bei bestehender Dienststellenstruktur und Dienstsystematik sowie der zusätzlichen Belastung von anderen Beamten der Stammdienststelle als unausweichliche Folge der Herabsetzung mangels anderer geeigneter Personalmaßnahmen durch die Dienstbehörde begründen würden. Es stünden keine anderen Personalmaßnahmen zur Verfügung, um den zusätzlich entstehenden Ausfall an Arbeitskapazität zu kompensieren. In diese Überlegung sei zudem mit einzubeziehen, dass die Dienstbehörde auch im Fall von rechtlich und faktisch zwingenden Ausfällen von Bediensteten (Krankheits- und Todesfälle, Mutterschutz, Austritte, vorzeitige Pensionierungen, Herabsetzungen nach § 50b BDG 1979 etc.) Reserven einzukalkulieren hätte, deren Ersatz in Anbetracht der dargelegten Auswahl und Ausbildungsdauer nur wesentlich verzögert erfolgen könnte. Indem die Herabsetzung aus den dargelegten Gründen unausweichlich eine zusätzliche dienstliche Belastung von anderen Bediensteten zur Folge hätte und andere Personalmaßnahmen nicht mehr möglich seien, in letzter Konsequenz die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet wäre, sei der Antrag des Beschwerdeführers abzulehnen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit nach § 50a BDG 1979 verletzt.
Zur Darstellung der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/12/0092, verwiesen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis u. a. tragend ausführte, ist, wenn in § 50a Abs. 1 BDG 1979 vom "Ausmaß" der Herabsetzung die Rede ist, damit freilich nicht nur der stundenmäßige Umfang der Reduktion der regelmäßigen Wochendienstzeit gemeint, sondern auch der Zeitraum der Herabsetzung, d.h. deren Dauer und zeitliche Lagerung. Ob der gewünschten Herabsetzung ein wichtiges dienstliches Interesse entgegen steht, kann nämlich nicht abstrakt beurteilt werden, sondern nur in Bezug auf den konkreten Zeitraum, für den die Herabsetzung beantragt wird. Aus der Antragsbedürftigkeit der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit ergibt sich, dass bereits der Antrag das begehrte Ausmaß der Herabsetzung konkret zu bezeichnen hat, d.h. sowohl den stundenmäßigen Umfang der Herabsetzung als auch den konkreten Zeitraum, für den diese gewährt werden soll. Aufgabe der Dienstbehörde ist es, ausgehend von einem solchen Antrag nach § 50a Abs. 1 BDG 1979 zu beurteilen, ob der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit im Hinblick auf das Ausmaß der beantragten Herabsetzung (stundenmäßiger Umfang, zeitliche Lagerung und Dauer) wichtige dienstliche Interessen entgegen stehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem weiteren Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/12/0044, u.a. ausführte, hat sich die Beurteilung der wichtigen dienstlichen Interessen im Sinn des § 50a BDG 1979 auf rezente Grundlagen zu stützen.
Der das vorliegende Dienstrechtsverfahren einleitende Antrag vom hatte zwar den Beginn der gewünschten Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit und das Ausmaß (auf die Hälfte), nicht jedoch die Dauer genannt, sodass das Begehren vorerst der erforderlichen Konkretisierung harrte.
Eine solche erfolgte erst in der Stellungnahme vom , auf Grund derer sich das Begehren nunmehr als solches auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit auf 20 Stunden ab für die Dauer von acht Jahren darstellte.
Eine ausdrückliche oder implizite Ermächtigung zu einer rückwirkenden Rechtsgestaltung ist dem § 50a BDG 1979 nicht zu entnehmen. In Ansehung des Umstandes, dass der vom Beschwerdeführer begehrte Beginn des Herabsetzungszeitraumes im Zeitpunkt der Konkretisierung seines Begehrens und damit auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits verstrichen war, schied zwar schon deshalb eine Stattgebung aus; allerdings war die belangte Behörde verpflichtet, den Beschwerdeführer im Hinblick auf den im Zuge des Verfahrens obsolet gewordenen begehrten Beginn der Herabsetzung gemäß § 13 Abs. 3 AVG dahingehend anzuleiten, ob auch ein späterer Beginn der Herabsetzung, sei es bei gleicher Dauer von acht Jahren oder einer verkürzten Dauer - beides läge im Bereich der Sache iS des § 66 Abs. 4 AVG -, seinen Interessen gerecht würde, um sodann auf diesen Zeitraum bezogen die Prüfung vorzunehmen.
Die von der belangten Behörde gepflogene Prüfung wichtiger dienstlicher Interessen anhand von Gegebenheiten des Vorjahres (zum durchschnittlichen Ausmaß der Mehrdienstleistungen der Bediensteten der Stammdienststelle des Beschwerdeführers) erweist sich im Übrigen nicht als tragfähig, weil es sich hiebei nicht um ausreichend rezente Grundlagen handelt.
Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastete, war diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Für das fortzusetzende Verfahren wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/12/0044, verwiesen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am