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VwGH vom 26.02.2015, Ra 2014/22/0152

VwGH vom 26.02.2015, Ra 2014/22/0152

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

Ra 2014/22/0153

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2015/22/0030 E

Ra 2015/22/0010 E

Ro 2015/22/0013 E

Ra 2015/22/0002 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Lehner, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes Wien je vom , Zlen. VGW- 151/005/28722 und 28723/2014-1, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Parteien: N, und S, beide vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt-Platz 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Beschlüsse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Der Vertreter der Mitbeteiligten brachte u.a. namens der in diesem Verfahren mitbeteiligten Parteien am um 00:00 Uhr mittels eines E-Mails, somit auf elektronischem Weg, beim Amt der Wiener Landesregierung Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen ein. Am sprach der Vertreter der Mitbeteiligten bei der Behörde vor und übergab im Nachhang ausgefüllte Antragsformulare. Alle Anträge sind auf die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit", somit eines quotenpflichtigen Aufenthaltstitels gerichtet. Die Behörde gewährte den Mitbeteiligten die Möglichkeit einer Stellungnahme zur Vermutung, dass sich die Mitbeteiligten durch die vom Rechtsanwalt gewählte Form der Antragstellung in rechtsmissbräuchlicher Weise einen Vorteil gegenüber anderen Antragstellern verschaffen wollten, die ihren Antrag auf Erteilung eines quotenpflichtigen Aufenthaltstitels in Entsprechung des § 19 NAG persönlich bei der örtlich zuständigen österreichischen Berufsvertretungsbehörde einbringen.

In der Stellungnahme vom teilten die Mitbeteiligten im Wesentlichen mit, dass die Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG einen Verbesserungsauftrag zu erteilen habe. Es stünde jedem Antragsteller frei, selbst bei der Behörde direkt Anträge mittels E-Mail oder durch den rechtsfreundlichen Vertreter einzubringen.

Mit Bescheiden vom wies der Landeshauptmann von Wien (der Revisionswerber) die Anträge ohne vorhergehenden Verbesserungsauftrag unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2004/05/0115, zurück. Dies wurde sinngemäß damit begründet, dass die Mitbeteiligten den Vorwurf der missbräuchlichen Herbeiführung des Mangels der persönlichen Antragstellung nicht hätten entkräften können. Der Hinweis auf eine seit 2009 gewählte Praxis der mangelhaften Antragseinbringung deute darauf hin, dass der Antrag bewusst mangelhaft eingebracht worden sei, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Gegen diese Bescheide erhoben die Mitbeteiligten Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

Mit den nunmehr angefochtenen Beschlüssen gab das Verwaltungsgericht Wien ohne Durchführung einer Verhandlung den Beschwerden statt, behob die angefochtenen Bescheide und verwies die Verfahren an die belangte Behörde zurück. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass die gegenständlichen Erstanträge nicht, wie in § 21 Abs. 1 NAG vorgesehen, bei der für die Mitbeteiligten örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland, sondern beim Landeshauptmann von Wien eingebracht worden seien. Ein Sonderfall des § 21 Abs. 2 NAG, wonach die Mitbeteiligten zur Antragstellung im Inland berechtigt wären, liege nicht vor. Eine nach § 6 Abs. 1 AVG für derartige Fälle vorgesehene Weiterleitung des Antrags an die zuständige österreichische Berufsvertretungsbehörde sei im gesamten Verfahren nicht erfolgt. Der verfahrensgegenständliche Antrag sei bis dato noch nicht bei der nach § 3 Abs. 3 NAG zu seiner Entgegennahme und den damit im Zusammenhang stehenden weiteren Verfahrensschritten zuständigen Behörde eingelangt. Infolge dessen habe noch keine Zuständigkeit des Landeshauptmannes von Wien zur formalen Entscheidung über diesen Antrag bestanden.

Weiters erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision für unzulässig, weil keine Rechtsfrage zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die außerordentliche Revision des Landeshauptmannes von Wien, die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:

Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist; sie ist demnach auch berechtigt.

Vorerst wird darauf hingewiesen, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der Revisionsverfahren zu den Zlen. Ra 2014/22/0145 bis 0147 gleicht, die mit Erkenntnis vom heutigen Tag erledigt wurden. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird daher auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.

Im genannten Erkenntnis wurde klargestellt, dass in Konstellationen wie der vorliegenden die Niederlassungsbehörde berechtigt ist, die missbräuchlich fehlerhaft eingebrachten Anträge ohne Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zurückzuweisen.

Hier hat das Verwaltungsgericht die Bescheide mit der Begründung behoben, dass der Landeshauptmann zur Zurückweisung der Anträge nicht zuständig gewesen wäre und die Anträge gemäß § 6 AVG an die österreichische Berufsvertretungsbehörde im Ausland hätte weiterleiten müssen. Diese Verneinung der Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Zurückweisung eines gegenständlichen Antrages entspricht nicht dem Gesetz.

Grundsätzlich ist nämlich gemäß § 3 Abs. 1 NAG der örtlich zuständige Landeshauptmann die sachlich zuständige Behörde nach diesem Bundesgesetz. In Ergänzung dazu ordnet § 3 Abs. 3 NAG an, dass die örtlich zuständige Berufsvertretungsbehörde zur Entgegennahme des Antrags zuständig ist, wenn ein solcher im Ausland gestellt wird (§ 22 NAG).

Die Anordnung des § 21 Abs. 1 NAG, der zufolge Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen sind, enthält keine Zuständigkeitsnorm zur Entscheidung in der Sache, sondern eine Erfolgsvoraussetzung für die Erteilung von Aufenthaltstiteln auf Grund eines Erstantrages, die keiner Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugänglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0018). Dass § 21 Abs. 1 NAG an der grundsätzlichen Zuständigkeit des Landeshauptmannes nichts ändert, ergibt sich auch daraus, dass dieser gemäß § 21 Abs. 3 NAG auf begründeten Antrag unter weiteren Voraussetzungen die Antragstellung im Inland zulassen kann. Ein solcher Antrag muss auch nicht bereits mit dem Hauptantrag verbunden eingebracht werden, sondern ist bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zulässig. Demnach hat auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2010/22/0191) nicht die Zuständigkeit des Landeshauptmannes verneint, sondern die Verbesserung eines nicht persönlich im Inland eingebrachten Antrages dadurch, dass der Antragsteller persönlich zur Berufsvertretungsbehörde kommt, für zulässig beurteilt.

Somit kann die Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Entscheidung auch über Erstanträge, allenfalls in Form einer Zurückweisung, nicht in Zweifel gezogen werden.

Abgesehen von der aufgezeigten Verkennung der Zuständigkeitsanordnung ist dem Verwaltungsgericht Folgendes vorzuwerfen: Es hat ausdrücklich die Zurückverweisung auf die Norm des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gestützt. Demnach darf das Verwaltungsgericht nur dann den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Sache des Beschwerdeverfahrens war jedoch nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrags der mitbeteiligten Parteien (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0447, zu § 66 AVG und bezüglich der Übernahme dieser Rechtsprechung für die Rechtslage nach dem VwGVG das Erkenntnis vom , Ra 2014/07/0002). Diesbezüglich ist das Verwaltungsgericht nicht vom Fehlen von Feststellungen ausgegangen. Wenngleich das Verwaltungsgericht daher entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidungskompetenz der Berufungsbehörde im Falle der Berufung gegen die Zurückweisung eines Antrags den bei ihm bekämpften Bescheid aufzuheben hatte, hatte dies nicht nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu erfolgen (vgl. auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs , Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm. 17 und 18).

Mit einer auf § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gestützten Zurückverweisung belastete das Verwaltungsgericht daher die angefochtenen Beschlüsse in einem weiteren Punkt mit Rechtswidrigkeit. Diese waren somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Ein Kostenzuspruch an die Mitbeteiligten hat nicht zu erfolgen, weil diese gemäß § 47 Abs. 3 VwGG nur im Fall der Abweisung der Revision Anspruch auf Kostenersatz hätten.

Wien, am