VwGH vom 22.02.2017, Ro 2014/17/0109
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Brandl sowie Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen beziehungsweise Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des H U in E, vertreten durch die Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt, Völkermarkter Ring 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , GZ BMLFUW-LE./1658-I/7/2013, betreffend einheitliche Betriebsprämie 2007, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit "BESCHEID - EINHEITLICHE BETRIEBSPRÄMIE 2007" vom des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria (AMA) wurde dem Revisionswerber aufgrund seines Antrags auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie unter Berücksichtigung allfällig erforderlicher Anpassungen des Wertes der Zahlungsansprüche für das Jahr 2007 eine Betriebsprämie in Höhe von EUR 9.198,81 zuerkannt.
Mit "ABÄNDERUNGSBESCHEID - EINHEITLICHE BETRIEBSPRÄMIE 2007" vom der AMA wurde der zuvor genannte Bescheid dahin abgeändert, dass der Antrag auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie abgewiesen werden müsse. Unter Berücksichtigung des bereits an den Revisionswerber überwiesenen Betrags von EUR 9.198,81 ergebe dies eine Rückforderung von EUR 9.198,81 zuzüglich Zinsen in der Höhe von 3 %.
Begründend wurde unter anderem ausgeführt, im Rahmen eines durchgeführten Vergleichs der beantragten Flächen der Jahre 2007 bis 2010 seien Flächenabweichungen festgestellt worden. Anlässlich einer Vor-Ort-Kontrolle am und im Rahmen der "AMA internen Überprüfung" seien Flächenabweichungen von über 20 % festgestellt worden, somit könne (offenbar unter Anwendung einer Flächensanktion) keine Beihilfe gewährt werden. Für nicht stillgelegte Flächen ergebe sich eine Differenzfläche von 19,24 ha. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die gegenständliche Abänderung im Rahmen einer Bescheidänderung gemäß § 19 Abs 2 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007) erfolge.
Gegen diesen Abänderungsbescheid erhob der Revisionswerber Berufung.
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom wurde in Spruchpunkt 1. der Berufung des Revisionswerbers gegen den Abänderungsbescheid vom betreffend einheitliche Betriebsprämie 2007 gemäß § 66 Abs 4 AVG teilweise stattgegeben und der genannte Bescheid insofern abgeändert, dass gemäß Art 73 Abs 6 der Verordnung (EG) Nr 796/2004 keine Flächensanktion verhängt werde. In Spruchpunkt 3. wurde ausgesprochen, die Berechnung des genauen Prämienbetrages der einheitlichen Betriebsprämie des Antragsjahres 2007 werde unter Berücksichtigung von Spruchpunkt 1. gemäß § 19 Abs 3 MOG 2007 durch die AMA vorgenommen. Spruchpunkt 2. betraf die für den Revisionsfall nicht relevanten Antragsjahre 2008 und 2010.
Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Revision an den Verwaltungsgerichtshof, welche mit hg Erkenntnis vom , Ro 2014/17/0112, als unbegründet abgewiesen wurde.
Mit "BESCHEID - EINHEITLICHE BETRIEBSPRÄMIE 2007" vom der AMA wurde dem Revisionswerber aufgrund seines Antrags auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie unter Berücksichtigung allfällig erforderlicher Anpassungen des Wertes der Zahlungsansprüche für das Jahr 2007 eine Betriebsprämie in Höhe von EUR 5.566,76 gewährt.
In der Begründung wurde ausgeführt, im Rahmen eines durchgeführten Vergleichs der beantragten Flächen der Jahre 2007 bis 2010 seien Flächenabweichungen festgestellt und eingearbeitet worden. Anlässlich einer Vor-Ort-Kontrolle vom und im Rahmen der "AMA internen Überprüfung" seien Flächenabweichungen von über 3 % oder über 2 ha und bis höchstens 20 % festgestellt worden. Daher habe der Beihilfebetrag um das Doppelte der Differenzfläche gekürzt werden müssen. Für nicht sillgelegte Flächen ergebe sich eine Differenzfläche von 7,80 ha.
Anlässlich einer Vorortkontrolle beziehungsweise im Rahmen der "internen Überprüfung" sei eine gesamtbetriebliche Flächenabweichung (bei einheitlicher Betriebsprämie, Hopfen-, Schalenfrüchte-, Hartweizen-, Energiepflanzen- und Eiweißpflanzenflächen) von mehr als 30 % festgestellt worden. Aus diesem Grund könne im betreffenden Kalenderjahr keine Prämie gewährt werden.
Gemäß Art 73 Abs 6 VO (EG) Nr 796/2004 gelte für Sanktionen (im Fall von Flächenabweichungen: Abzug des Doppelten der festgestellten Differenz oder Abzug von 100 %) eine Verjährungsfrist von vier Jahren. Hinsichtlich der Richtigstellung auf die ermittelte Fläche gelte gemäß Art 73 Abs 5 erster Unterabsatz VO (EG) Nr 796/2004 eine Frist von 10 Jahren (gerechnet ab Auszahlung bis zu dem Tag, an dem mitgeteilt worden sei, dass die Beihilfe zu Unrecht gewährt worden sei). Im gegenständlichen Fall sei die vierjährige Frist bereits verstrichen, weshalb keine (zusätzliche) Sanktion verhängt werde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Berufung.
Gegen die aufgrund der Berufung erlassene Berufungsvorentscheidung brachte der Revisionswerber einen Vorlageantrag ein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom wurde der Berufung des Revisionswerbers Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid vom ersatzlos aufgehoben.
In der Begründung wurde ausgeführt, mit dem im Spruch genannten Abänderungsbescheid der AMA sei dem Revisionswerber die einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2007 nur eingeschränkt gewährt und Rückforderungen einschließlich Sanktionen in näher bezeichneter Höhe angeordnet worden. Mit diesem Bescheid sei infolge der bei der Vor-Ort-Kontrolle vom festgestellten Flächenabweichungen auf der M Alm die Futterfläche auf die dabei ermittelte Fläche richtig gestellt worden.
Gemäß Art 73 Abs 6 der Verordnung (EG) Nr 796/2004 gelte für Rückzahlungen aufgrund von Kürzungen und Ausschlüssen eine Verjährungsfrist von vier Jahren. Gemäß Abs 5 gelte die Verpflichtung zur Rückzahlung von zu Unrecht gezahlten Beträgen nicht, wenn zwischen dem Tag der Zahlung der Beihilfe und dem Tag, an dem der Begünstigte erfahren habe, dass die Beihilfe zu Unrecht gewährt worden sei, mehr als 10 Jahre beziehungsweise bei gutem Glauben mehr als vier Jahre vergangen seien.
Hinsichtlich der Richtigstellung auf die ermittelte Fläche sei auf das Datum der Vor-Ort-Kontrolle abzustellen. An diesem Tag seien die Flächenabweichungen festgestellt und bekannt gegeben worden. Da zu diesem Zeitpunkt mehr als vier Jahre vergangen gewesen seien (von einem fehlenden guten Glauben sei nicht auszugehen), sei die im bekämpften Bescheid angeordnete Rückforderung bezogen auf die nicht ermittelten anteiligen Futterflächen außerhalb der Verjährungsfrist ergangen.
Der bekämpfte Bescheid sei daher infolge Verjährung ersatzlos aufzuheben. Für das Antragsjahr 2007 sei daher der Berufungsbescheid vom wieder anwendbar.
Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 1577/2013-6, gemäß Art 144 Abs 2 B-VG ablehnte und sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofs ergänzten Revision wird der Antrag gestellt, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.
Das gemäß § 9 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) in Verbindung mit Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG eingetretene Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift. Es stellte den Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im gegenständlichen Fall sind die Bestimmungen des § 4 VwGbk-ÜG sinngemäß anzuwenden. Die abgetretene Beschwerde gilt daher als Revision, für deren Behandlung die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß gelten (vgl zB , mwN).
§ 19 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl I Nr 55/2007, lautet (auszugsweise):
"Vorschriften zu Bescheiden und Rückzahlung
§ 19. ...
(2) Bescheide zu den in §§ 7, 8 und 10 angeführten Maßnahmen können von Amts wegen von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechts vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zusätzlich zu den in § 68 AVG angeführten Gründen auch bei Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen einschließlich dazu erlassener Durchführungsbestimmungen aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann als Berufungsbehörde in den zu erlassenden Bescheiden die genaue Berechnung des Auszahlungsbetrags vorgeben.
..."
Der Revisionswerber bringt im Wesentlichen vor, durch die ersatzlose Behebung eines Bescheides könne denklogisch der ehemalige Bescheid nicht wieder aufleben. Da ein Abänderungsbescheid den zugrunde liegenden Bescheid abgeändert habe, falle der zugrunde liegende Bescheid weg und es existiere nur mehr der Abänderungsbescheid. Wenn nunmehr der Abänderungsbescheid durch die Berufungsbehörde "ersatzlos aufgehoben" worden sei, so heiße dies im Ergebnis, dass überhaupt kein Bescheid mehr hinsichtlich der einheitlichen Betriebsprämie 2007 existent wäre. Aufhebungs- beziehungsweise Abänderungsbescheide gemäß § 68 Abs 2 AVG entfalteten ihre Rechtswirkungen ex nunc, sie wirkten also nicht zurück. Zwar liege kein Fall des § 68 Abs 2 AVG vor, weil der Vorstand des Geschäftsbereichs II der AMA offenbar § 19 Abs 2 MOG 2007 (zu Unrecht) angewendet habe. Die Behörde habe im Spruch eine Kassationsentscheidung getroffen, hätte aber inhaltlich über die einheitliche Betriebsprämie 2007 zu entscheiden gehabt, weil der ehemalige Bescheid durch den Abänderungsbescheid außer Kraft getreten sei und daher nicht mehr existiere.
Der Bescheid der AMA vom enthält keinerlei Hinweis darauf, dass es sich um einen Abänderungsbescheid handeln beziehungsweise welcher Bescheid durch diesen abgeändert werden sollte. Anders als der Abänderungsbescheid vom enthält er auch nicht die Überschrift "ABÄNDERUNGSBESCHEID - EINHEITLICHE BETRIEBSPRÄMIE 2007". Er enthält auch keinen Verweis darauf, dass der Bescheid in Befolgung des zuvor gemäß § 19 Abs 2 MOG 2007 ergangenen Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom erlassen worden sei.
Bereits aufgrund des Spruchs dieses Bescheides, ist vielmehr davon auszugehen, dass mit diesem die einheitliche Betriebsprämie 2007 ohne Abänderung eines anderen Bescheides oder Befolgung von Vorgaben in einem anderen Bescheid - aufgrund der Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrolle vom - neu festgesetzt wurde.
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom war hinsichtlich der einheitlichen Betriebsprämie 2007 der Abänderungsbescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der AMA vom insofern teilweise abgeändert worden, dass keine Flächensanktion verhängt wurde. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Berechnung des genauen Prämienbetrags der einheitlichen Betriebsprämie des Antragsjahres 2007 gemäß § 19 Abs 3 MOG 2007 durch die AMA vorgenommen werde.
§ 19 Abs 3 MOG 2007 ist so zu verstehen, dass die Berufungsbehörde bereits im - allein der Rechtskraft fähigen - Spruch die bei ihr anhängige Sache abschließend zu erledigen hat und (nur) die konkrete Berechnung eines sich daraus - entsprechend den eindeutigen Vorgaben der Berufungsbehörde - ergebenden Auszahlungsbetrages der Behörde erster Instanz vorbehalten bleiben darf (vgl ).
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat den Erfordernissen des § 19 Abs 3 MOG 2007, die anhängige Sache im Spruch abschließend zu erledigen und nur die konkrete Berechnung der Behörde erster Instanz vorzubehalten, durch den Ausspruch, es werde der Berufung teilweise stattgegeben und der bekämpfte Bescheid insofern abgeändert, dass - unter impliziter Abweisung der Berufung im Übrigen - für das Jahr 2007 keine Flächensanktion verhängt werde, ausreichend Rechnung getragen (vgl ).
Die AMA hätte daher aufgrund der Vorgaben im Berufungsbescheid vom den tatsächlichen Auszahlungsbetrag mit einem neuen Bescheid bekanntzugeben gehabt (vgl das bereits genannte Erkenntnis vom ). Sie durfte hingegen nicht die einheitliche Betriebsprämie 2007 neu - ohne Berücksichtigung der Vorgaben im Berufungsbescheid - festsetzen.
Die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides durch den angefochtenen Bescheid erfolgte im Ergebnis zu Recht. Nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom hat die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung gemäß § 19 Abs 3 MOG, die anhängige Sache im Spruch abschließend erledigt - also die inhaltliche Entscheidung über den Antrag auf Gewährung einer einheitlichen Betriebsprämie für das Jahr 2007 unter Abspruch über Flächensanktionen getroffen. Sache des durch die AMA fortzusetzenden Verfahrens wäre es lediglich gewesen, die konkrete Berechnung des Auszahlungsbetrages auf Grundlage der Vorgaben im der Berufungsbehörde vorzunehmen. Dadurch, dass die AMA neu - ohne Beachtung der Vorgaben der Berufungsbehörde über die einheitliche Betriebsprämie samt Verhängung von Flächensanktionen - entschied, hat sie die Sache verfehlt, sodass im angefochtenen Bescheid zu Recht mit ersatzloser Aufhebung vorgegangen wurde.
Diese ersatzlose Aufhebung des Bescheides der AMA vom bewirkt, dass der Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , wieder Rechtswirkungen entfaltet und gemäß § 19 Abs 3 MOG 2007 der Prämienbetrag der einheitlichen Betriebsprämie des Jahres 2007 unter Berücksichtigung von Spruchpunkt 1. dieses Bescheides von der AMA bekanntzugeben ist (vgl betreffend die Wirkung der ersatzlosen Aufhebung eines Abänderungsbescheides in Angelegenheiten der einheitlichen Betriebsprämie zB ).
Die Revision war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 in Verbindung mit § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am