VwGH vom 26.02.2015, Ra 2014/22/0145
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2014/22/0146
Ra 2014/22/0147
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2015/22/0006 E
Ra 2014/22/0161 E
Ra 2014/22/0143 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Lehner, über die Revision der Bundesministerin für Inneres gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes Wien je vom , Zlen. VGW- 151/081/28823 bis 28825/2014-1, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Parteien: M, A, und XX, sämtliche vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt-Platz 7; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Der Vertreter der Mitbeteiligten brachte u.a. namens der in diesem Verfahren mitbeteiligten Parteien am um 00:00 Uhr mittels eines E-Mails, somit auf elektronischem Weg, beim Amt der Wiener Landesregierung (MA 35) Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen ein. Am sprach der Vertreter der Mitbeteiligten bei der Behörde vor und übergab im Nachhang ausgefüllte Antragsformulare. Alle Anträge sind auf die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit", somit eines quotenpflichtigen Aufenthaltstitels, gerichtet. Die Behörde gewährte den Mitbeteiligten die Möglichkeit einer Stellungnahme zur Vermutung, dass sich die Mitbeteiligten durch die vom Rechtsanwalt gewählte Form der Antragstellung in rechtsmissbräuchlicher Weise einen Vorteil gegenüber anderen Antragstellern verschaffen wollten, die ihren Antrag auf Erteilung eines quotenpflichtigen Aufenthaltstitels in Entsprechung des § 19 NAG persönlich bei der örtlich zuständigen österreichischen Berufsvertretungsbehörde einbringen.
In der Stellungnahme vom teilten die Mitbeteiligten im Wesentlichen mit, dass die Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG einen Verbesserungsauftrag zu erteilen habe. Es stünde jedem Antragsteller frei, selbst bei der Behörde direkt Anträge mittels E-Mail oder durch den rechtsfreundlichen Vertreter einzubringen.
Mit den Bescheiden vom wies der Landeshauptmann von Wien die Anträge ohne vorhergehenden Verbesserungsauftrag unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2004/05/0115, zurück. Dies wurde sinngemäß damit begründet, dass die Mitbeteiligten den Vorwurf der missbräuchlichen Herbeiführung des Mangels der persönlichen Antragstellung nicht hätten entkräften können. Der Hinweis auf eine seit 2009 gewählte Praxis der mangelhaften Antragseinbringung deute darauf hin, dass der Antrag bewusst mangelhaft eingebracht worden sei, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Mit den nunmehr angefochtenen Erkenntnissen gab das Verwaltungsgericht Wien ohne Durchführung einer Verhandlung den Beschwerden statt und behob die angefochtenen Bescheide. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass im Hinblick auf den Aufenthaltsort der Mitbeteiligten im Iran jedenfalls keine unzulässige Inlandsantragstellung vorliege. Zwar weise das Anbringen den Mangel der nicht persönlichen Antragstellung auf, dieser Mangel sei jedoch, weil es sich lediglich um eine Formalvoraussetzung handle, einer Heilung zugänglich. Dabei bestehe gemäß § 19 Abs. 8 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) die Möglichkeit, einen Antrag auf Heilung dieses Mangels einzubringen, wobei darzulegen wäre, aus welchen Gründen die persönliche Antragstellung nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Ein solcher Antrag könne bis zur Erlassung des Bescheides gestellt werden und es sei der Fremde über diesen Umstand zu belehren. Eine derartige Belehrung sei durch die belangte Behörde jedoch nicht erfolgt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfe die Missachtung der Voraussetzung der persönlichen Antragstellung nicht zur sofortigen Zurückweisung führen, sondern sei einer Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugänglich. Ein derartiges Verbesserungsverfahren sei nicht durchgeführt worden. Die von den Mitbeteiligten gewählte Vorgangsweise zur Einbringung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in elektronischer Einbringungsform sei "im Hinblick auf § 13 Abs. 1 AVG gesetzeskonform" und stehe bezüglich der Vorgangsweise der Einbringung des Antrages im Inland durch einen Vertreter im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. "Eine Missbrauchsabsicht konnte auch von der belangten Behörde nicht nachvollziehbar dargelegt werden, zumal eine gewillkürte Vertretung vom Verwaltungsgerichtshof auch bei der Einbringung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als zulässig angesehen wurde und der Mangel der nicht persönlichen Antragstellung nicht zur sofortigen Zurückweisung berechtigt, sondern einem Verbesserungsverfahren gemäß § 13 Abs. 3 AVG zugänglich ist." Es liege kein erkennbar bewusst herbeigeführter Mangel vor, weshalb die angefochtenen Bescheide zu beheben seien.
Weiters erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision für unzulässig, weil keine Rechtsfrage zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.
Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die außerordentliche Revision der Bundesministerin für Inneres, die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:
Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur hier zu beurteilenden Frage nicht besteht, sie ist auch berechtigt.
Gemäß § 19 Abs. 1 NAG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts persönlich bei der Behörde zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und es ist die Entscheidung im Ausland abzuwarten. Von diesem Grundsatz sieht Abs. 2 - hier nicht vorliegende - Ausnahmen vor.
Gemäß § 21 Abs. 3 NAG kann die Behörde auf begründeten Antrag unter weiteren Voraussetzungen die Antragstellung im Inland u. a. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK zulassen. Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig und es ist der Fremde über diesen Umstand zu belehren.
Gemäß § 19 Abs. 8 NAG kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels u.a. nach Abs. 1 etwa zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK zulassen (Z 2). Auch hier ist die Stellung eines solchen Antrages nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2010/22/0191) kann der Mangel der fehlenden persönlichen Antragstellung dadurch beseitigt werden, dass der Fremde persönlich zur Behörde kommt. Das Erfordernis der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG stellt nicht auf die Art der Einbringung des Antrages ab, sondern auf die Verpflichtung des Antragstellers, den Antrag noch vor der Einreise nach Österreich zu stellen und die Entscheidung über den Antrag im Ausland abzuwarten (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis 2010/22/0191). Somit darf ein im Inland nicht persönlich eingebrachter Antrag nicht von vornherein abgewiesen werden.
Im vorliegenden Fall ist die Vorgangsweise der Mitbeteiligten zu beurteilen, die - durch einen Rechtsanwalt vertreten - Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln per E-Mail am 1. Jänner um 00:00 Uhr eingebracht haben, um sich den - beim beantragten Aufenthaltstitel erforderlichen - Quotenplatz zu sichern. Unbestritten war dem Vertreter der Mitbeteiligten bewusst, dass die Anträge mit dem Mangel des Fehlens der persönlichen Antragstellung behaftet waren. Er hat deshalb einen Verbesserungsauftrag erwartet. Diese bewusst fehlerhafte Antragstellung hatte somit das Ziel, die Anträge im Rang gegenüber jenen Anträgen besser zu stellen, die - zum frühestmöglichen Zeitpunkt, somit im Regelfall nicht am 1. Jänner um 00:00 Uhr - ordnungsgemäß persönlich bei der Behörde eingebracht werden.
Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen zwar Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Allerdings soll - worauf die Revisionswerberin ebenso wie bereits die Behörde hinweist - § 13 Abs. 3 AVG die Parteien (nur) vor Rechtsnachteilen schützen, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder in Folge eines Versehens mangelhaft sind (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG2 § 13 Rz 25 und 27/1 mit Hinweis insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom , 2011/08/0062). Wenn eine Partei jedoch den Mangel bewusst herbeiführt, um etwa auf dem Umweg eines Verbesserungsverfahrens eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erlangen, ist für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages kein Raum. Daher ist auf solche Eingaben § 13 Abs. 3 AVG von vornherein nicht anzuwenden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2004/05/0115).
Hier hat der Vertreter der Mitbeteiligten bewusst eine fehlerhafte Einbringungsform gewählt, um dadurch einen Rangvorteil zu erzielen. Daher durfte die Behörde die entgegen der Anordnung der persönlichen Antragstellung nach § 19 Abs. 1 NAG in der missbräuchlichen Absicht, unter Ausnutzung der behördlichen Praxis durch die bloß schriftliche Einbringung den Rang zu wahren, eingebrachten Anträge ohne Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zurückweisen.
Die angefochtenen Erkenntnisse waren somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Ein Kostenzuspruch an die Mitbeteiligten hat nicht zu erfolgen, weil diese gemäß § 47 Abs. 3 VwGG nur im Fall der Abweisung der Revision Anspruch auf Kostenersatz hätten.
Wien, am