VwGH vom 15.12.2014, Ro 2014/17/0083
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision des Dipl. Ing. C B B in S, vertreten durch Dr. Hellmut Prankl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 12/II, gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom , Zl. MD/00/61706/2009/005 (BBK/38/2009), betreffend Vorschreibung eines Gehsteigbeitrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Landeshauptstadt Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Revisionswerber ist Eigentümer einer näher bezeichneten, mit Bescheid vom zum Bauplatz erklärten Liegenschaft in der T-Straße im Gemeindegebiet der Stadt Salzburg.
Der Bürgermeister der Stadt Salzburg schrieb dem Revisionswerber mit Bescheid vom gemäß § 6 Abs. 1 und 2 des (Salzburger) Anliegerleistungsgesetzes (ALG) aufgrund der nachträglichen Bauplatzerklärung einen Beitrag für die (bereits 1974 abgeschlossene) Errichtung eines einseitigen Gehsteiges in der T-Straße in der Höhe von EUR 1.887,75 vor.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Revisionswerber im Wesentlichen vor, maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Abgabenschuld sei nicht jener der Erlassung des Bescheides über die Bauplatzerklärung, sondern jener der Herstellung des verfahrensgegenständlichen Gehsteiges. Zudem sei die Abgabenschuld in der Zwischenzeit verjährt. Das Anliegerleistungsgesetz enthalte zwar weder ausdrückliche Vorschriften über den Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenansprüche noch Verjährungsvorschriften. Auch sei § 3 der Salzburger Landesabgabenordnung (LAO) betreffend die Entstehung des Abgabenanspruchs nicht anwendbar, ebensowenig die Verjährungsbestimmungen der §§ 151 und 152 leg. cit. Es sei daher von einer regelwidrigen Gesetzeslücke auszugehen, die im Wege der Analogie unter Heranziehung des § 151 Abs. 1 LAO zu schließen sei. Dementsprechend sei von Verjährung auszugehen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Bauberufungskommission der Stadt Salzburg diese Berufung ab und bestätigte den mit Berufung bekämpften Bescheid mit der Maßgabe, dass die Vorschreibung nicht anlässlich der Errichtung des Gehsteiges, sondern anlässlich der nachträglichen Bauplatzerklärung erfolge. Aus der Begründung des Bescheides ergibt sich, dass die Bauplatzerklärung mit Bescheid vom vorgenommen wurde.
Zu der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren allein noch bedeutsamen Frage der Verjährung verwies die Berufungsbehörde darauf, dass bis die Vorschriften des AVG anzuwenden gewesen seien. In § 1 Abs. 2 lit. b LAO sei normiert gewesen, dass die Bestimmungen der LAO nicht in Angelegenheiten der Anlieger- und Interessentenbeiträge der Eigentümer bzw. Bauberechtigten von Grundstücken gegolten hätten. Damit seien auch die Verjährungsbestimmungen der LAO nicht anzuwenden gewesen. Auch das ALG selbst enthalte keine Verjährungsbestimmungen; dies im Einklang mit anderen baurechtlichen Bestimmungen im Bundesland Salzburg. Die seit anzuwendenden Vorschriften der Bundesabgabenordnung (BAO) enthielten zwar grundsätzlich Verjährungsvorschriften, nach § 209a Abs. 1 BAO stehe einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen habe, der Eintritt der Verjährung aber nicht entgegen. Darunter sei auch die "absolute" Verjährung zu verstehen.
Dagegen erhob der Revisionswerber vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1356/2012, ablehnte und sie unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In dem aufgetragenen Verbesserungsschriftsatz macht der Revisionswerber die Missachtung gesetzlicher Verjährungsvorschriften geltend.
Das gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) iVm Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG eingetretene Landesverwaltungsgericht Salzburg legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in seiner Gegenschrift, die Revision als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In einem Fall wie dem gegenständlichen, in dem der Verfassungsgerichtshof die gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG aF erhobene Beschwerde erst nach dem gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG aF an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, ist § 4 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes (VwGbk-ÜG) analog anzuwenden (vgl. dazu ).
Die abgetretene Beschwerde gilt daher als Revision, die gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung zu behandeln ist.
Die hier allein zu klärende Rechtsfrage ist, ob der vorliegenden Abgabenvorschreibung Verjährung entgegensteht.
Nach § 1 Abs. 2 lit. b der mit Ablauf des außer Kraft getretenen Salzburger Landesabgabenordnung (LAO), LGBl. Nr. 58/1963 in der zuletzt in Geltung gestandenen Fassung LGBl. Nr. 109/2006, galten die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht in Angelegenheiten der Anlieger- und Interessentenbeiträge der Eigentümer (Bauberechtigten) von Grundstücken.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung § 1 Abs. 2 lit. b LAO dahin verstanden, dass dadurch eine Anwendung der Verjährungsbestimmungen der LAO ausgeschlossen sein sollte und das Vorliegen einer planwidrigen Lücke verneint (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2004/17/0243, und vom , 2008/17/0102, jeweils mwN).
Wie die Berufungsbehörde zutreffend ausgeführt hat, enthielten weder das Anliegerleistungsgesetz selbst noch das in solchen Fällen anzuwendende AVG Verjährungsvorschriften.
Daraus folgt, dass anhand der bis in Geltung gestandenen und anlässlich der erstinstanzlichen Abgabenvorschreibung anzuwendenden Rechtslage eine Verjährung in Bezug auf Abgaben für Anliegerleistungen wie der gegenständlichen Gehsteigherstellung mangels Anwendbarkeit von Verjährungsbestimmungen nicht eintreten konnte.
Fraglich ist, ob aufgrund der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung in Geltung gestandenen Bundesabgabenordnung (BAO) eine andere Beurteilung geboten ist.
Die entsprechenden Übergangsbestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 idF des Abgabenverwaltungsreformgesetzes BGBl. I Nr. 20/2009, lauten:
"§ 323a.
(1) Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt Folgendes:
1. Die Bundesabgabenordnung in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 20/2009 tritt, soweit sich aus den Z 2 bis 7 und Abs. 3 nicht anderes ergibt, mit in Kraft. Verordnungen auf Grund des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 20/2009 dürfen bereits von der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 20/2009 an erlassen werden. Sie dürfen jedoch nicht vor dem in Kraft treten.
...
3. Abgesehen von Verjährungsfristen gelten die Fristen dieses Bundesgesetzes auch für jene Fälle, in denen die für Landes- und Gemeindeabgaben maßgeblichen Fristen des bisherigen Rechtes am noch nicht abgelaufen waren.
...
5. Die §§ 207 und 209 sind ab anzuwenden. Für Nachforderungen bzw. Gutschriften als Folge einer nach landesrechtlichen Vorschriften vorgenommenen Nachschau gilt § 209 jedoch erst ab , wenn der Beginn der Amtshandlung vor dem gelegen ist. § 209 Abs. 1 zweiter Satz gilt sinngemäß für im Jahr 2009 unternommene Amtshandlungen, die nach landesrechtlichen Vorschriften die Verjährungsfrist unterbrochen haben. § 209a Abs. 1 und 2 gilt für den Fall der Verkürzung von Verjährungsfristen durch das Inkrafttreten der §§ 209 Abs. 1 und 3 sowie 304 für Landes- und Gemeindeabgaben sinngemäß. Wegen des Inkrafttretens des § 209 Abs. 3 dürfen Bescheide nicht gemäß § 299 Abs. 1 aufgehoben werden.
..."
Die Erläuternden Bemerkungen zum Abgabenverwaltungsreformgesetz führen dazu aus, dass § 323a Abs. 1 Z 3 BAO etwa für landesrechtliche Monatsfristen gelte, die am noch nicht abgelaufen seien, und § 323a Abs. 1 Z 5 BAO Übergangsregelungen für die Bemessungsverjährung enthalte, die inhaltlich jenen für die Änderungen des Verjährungsrechts durch das AbgÄG 2004 (§ 323 Abs. 18 BAO) entsprächen (vgl. die Erläuterungen zur RV, 38 BlgNR 24. GP, S. 15).
§ 323 Abs. 18 BAO idF des Abgabenänderungsgesetzes 2004 (AbgÄG 2004), BGBl. I Nr. 180/2004, lautet:
"(18) § 209 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 180/2004 ist ab anzuwenden. Für Nachforderungen bzw. Gutschriften als Folge einer Außenprüfung (§ 147 Abs. 1) ist die Neufassung des § 209 Abs. 1 jedoch erst ab anzuwenden, wenn der Beginn der Amtshandlung vor dem gelegen ist. § 209 Abs. 1 zweiter Satz in der Fassung BGBl. I Nr. 180/2004 gilt sinngemäß für im Jahr 2004 unternommene Amtshandlungen im Sinn des § 209 Abs. 1 in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004. § 209a Abs. 1 und 2 gilt für den Fall der Verkürzung von Verjährungsfristen durch die Neufassungen des § 207 Abs. 2 zweiter Satz durch BGBl. I Nr. 57/2004, des § 209 Abs. 1 durch BGBl. I Nr. 180/2004, des § 209 Abs. 3 durch BGBl. I Nr. 57/2004 sowie des § 304 durch BGBl I Nr. 57/2004 sinngemäß. Wegen der Verkürzung der Verjährungsfristen des § 209 Abs. 3 durch BGBl. I Nr. 57/2004 dürfen Bescheide nicht gemäß § 299 Abs. 1 aufgehoben werden."
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des AbgÄG 2004 führen dazu aus (686 BlgNR 22. GP, S. 36f):
"Verjährungsbestimmungen sind Normen des Verfahrensrechts (). Daher bedeutet eine Änderung solcher Bestimmungen, dass ab In-Kraft-Treten grundsätzlich die neue Rechtslage auch dann anzuwenden ist, wenn die betreffenden Abgabenansprüche vor dem In-Kraft-Treten entstanden sind.
Die Sonderregelung (im § 323 Abs. 18 erster Satz BAO) für 'offene' Außenprüfungen gewährleistet, dass die Auswertung von vor dem begonnenen abgabenbehördlichen Prüfungen (§ 147 BAO) auch dann noch im Jahr 2005 erfolgen darf, wenn der Beginn der Amtshandlung in einem Jahr erfolgte, in dem die Verjährungsfrist durch Unterbrechungshandlungen (§ 209 Abs. 1 BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004) noch nicht abgelaufen ist, jedoch unter Berücksichtigung der Neufassung bereits Ende 2004 (oder früher) ablaufen würde.
Als 'Beginn der Amtshandlung' gilt für die Außenprüfung der Zeitpunkt, in dem der Prüfer zur Vorlage der Bücher, Aufzeichnungen oder sonstigen Unterlagen auffordert (zB , zu § 29 Abs. 3 lit. c FinStrG).
Der vorletzte Satz (Anmerkung: gemeint ist der vorvorletzte) des § 323 Abs. 18 BAO stellt klar, dass im Jahr 2004 erfolgte die Verjährungsfrist (gemäß § 209 Abs. 1 BAO in der Fassung vor BGBl. I Nr. 57/2004) unterbrechende Amtshandlungen als Amtshandlungen zur Verlängerung der Verjährungsfrist (im Sinn des neuen zweiten Satzes des § 209 Abs. 1 BAO) zu werten sind.
Der letzte Satz (Anmerkung: gemeint ist der vorletzte) des § 323 Abs. 18 BAO stellt klar, dass die Verkürzungen von Verjährungsfristen keine Auswirkungen insbesondere auf offene Berufungsverfahren haben."
Zwar sind die Verjährungsbestimmungen der Bundesabgabenordnung grundsätzlich mit auch auf vorher entstandene Sachverhalte anzuwenden, doch nur soweit, als nicht anderes geregelt ist (s. Ritz/Rathgeber/Koran , Abgabenordnung neu, S. 198; vgl. weiters das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0004, zu den inhaltlich gleichen Übergangsbestimmungen zum Inkrafttreten des AbgÄG 2004). Andere Regelungen ergeben sich aus den Übergangsbestimmungen des § 323a Abs. 1 Z 5 BAO (mit Ausnahme des ersten Satzes, der die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 207 und 209 BAO anordnet), nicht aber aus Abs. 1 Z 3 leg. cit., wo die Verjährungsfristen offenbar deshalb aus der allgemeinen Anordnung der Geltung der Fristen der BAO in Bezug auf am noch nicht abgelaufene Fristen hinsichtlich Landes- und Gemeindeabgaben ausgenommen wurden, weil die Verjährungsfristen durch Z 5 leg. cit. eine gesonderte Regelung erfahren.
Den kasuistischen Übergangsbestimmungen des § 323a Abs. 1 Z 5 BAO ist etwa durch die Gleichsetzung einer 2009 gesetzten landesrechtlichen Unterbrechungshandlung mit einer Amtshandlung zur Verlängerung der Verjährungsfrist iSd § 209 Abs. 1 BAO oder durch die sinngemäße Anwendbarkeit des (im Rechtsmittelverfahren beachtlichen) § 209a Abs. 1 und 2 BAO für den Fall der durch gesetzliche Änderungen bewirkten Verkürzung von Verjährungsfristen die Wertung zu entnehmen, dass eine Rückwirkung der Verjährung durch Einführung der BAO in bestimmten Verfahrensstadien und Verfahrenssituationen nicht gewollt war (vgl. zur fehlenden Rückwirkung die hg. Erkenntnisse vom , 2006/17/0044, und vom , 2011/17/0327, sowie die wegen inhaltlicher Gleichheit auch hier maßgebliche Erläuterung zum Abgabenänderungsgesetz 2004, wonach die Verkürzungen von Verjährungsfristen keine Auswirkungen insbesondere auf offene Berufungsverfahren haben sollen).
Wendet man diese tragende Wertung auf den hier zu beurteilenden Fall an, so folgt daraus, dass Festsetzungsverjährung hinsichtlich der gegenständlichen Abgabe, die mit erstinstanzlichem Bescheid vom rechtsrichtig auf Grund der damals geltenden Rechtslage festgesetzt wurde und hinsichtlich derer im Zeitpunkt des Inkrafttretens der BAO am das Berufungsverfahren anhängig war, aufgrund des Übergangsregimes des § 323a Abs. 1 Z 5 BAO jedenfalls nicht eingetreten ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (§ 4 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014).
Wien, am