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VwGH vom 30.03.2011, 2009/12/0049

VwGH vom 30.03.2011, 2009/12/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des F S in G, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/I, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. Präs. 33092/2008-1, betreffend amtswegige Versetzung in den Ruhestand nach § 47 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 (DO Graz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1953 geborene Beschwerdeführer steht seit seiner durch den angefochtenen (am erlassenen) Bescheid (gemäß § 48 Abs. 1 DO Graz) mit Ablauf des bewirkten Ruhestandsversetzung in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zur Landeshauptstadt Graz. Er wurde zuletzt in den Wirtschaftsbetrieben als Straßenreiniger verwendet.

Über Ersuchen der erstinstanzlichen Dienstbehörde erstattete der Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. H. am ein Gutachten zur Frage des Ausmaßes der Beeinträchtigung des körperlichen Leistungsvermögens des Beschwerdeführers, wobei er zusammengefasst folgende Diagnose erstellte:

"1. Wiederkehrendes unteres Cervikalsyndrom bei

Zustand nach alter Deckplattenimpression C5, diskret C6 -

intermittierende pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung - derzeit

ohne manifeste Neurologie

2. Diskrete Seitverbiegung der Wirbelsäule mit

vermehrter Rundrückenbildung

3. Zustand nach thoraco-lumbalem Morbus Scheuermann

4. Altersentsprechende Aufbrauch- und

Abnützungserscheinungen des Achsenskelettes

5. Zustand nach Bandscheibenvorfall L4/L5 links

(Computertomographie vom August 2006)

6. Chronische Lendenwirbelsäulenbeschwerden mit

intermittierender linksseitiger pseudoradikulärer

Schmerzausstrahlung - derzeit ohne Hinweis auf segmentale

Nervenwurzelirritation bzw. -Kompression - mittelgradige

Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule

7. Mäßiger Senk-Spreizfuß bds. - keine belastungsabhängigen Beschwerden."

Auf Grund dieser Diagnose gelangte der Sachverständige Dr. H. zur Beurteilung, dem Beschwerdeführer seien nur mehr Arbeiten leichten Charakters im Gehen, Stehen und Sitzen unter Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Arbeitszeiten und Ruhepausen zumutbar; Arbeiten mittelschweren Charakters könnten "bei gerechter Verteilung" für die Hälfte eines Arbeitstages vollbracht werden. Arbeiten in und aus gebückter Körperhaltung sowie vorgeneigter stehender und sitzender Zwangsarbeitshaltung seien "bei gerechter Verteilung" auf ein Viertel eines Arbeitstages zu beschränken. Das Heben und Tragen leichter Lasten sei in vollem Umfang möglich, mittelschwerer Lasten "bei gerechter Verteilung" für ein Drittel eines Arbeitstages. Arbeiten schweren Charakters mit Heben und Tragen schwerer Lasten schieden jedoch aus. Insbesondere seien einseitige Körperbelastungen, die gleichzeitig mit einer Rotation der Lendenwirbelsäule einhergingen, zu meiden. Da es sich bei den festgestellten Leidenszuständen in der Hauptsache um degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates handle, könnten die bestehenden Beschwerden durch entsprechende physikalische und medikamentöse Maßnahmen in ihrer Schmerzintensität gelindert und zeitweilig beherrscht werden, eine vollkommene Heilung sei aber ausgeschlossen. Auch pro futuro sei eine Änderung des Leistungskalküls in Hinsicht auf schwere Arbeiten nicht zu erwarten.

In ihrer Stellungnahme vom legte die Leitung der Wirtschaftsbetriebe den Aufgabenbereich der Vertretung des Beschwerdeführers dar.

Über weiteres Ersuchen der erstinstanzlichen Dienstbehörde erstattete der Sachverständige für Arbeitstechnik und Berufskunde C. am ein berufskundliches Sachverständigengutachten, in dem er zum Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer könne die bisherige Tätigkeit eines Straßenreinigers ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht mehr ausüben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kämen für ihn noch Tätigkeiten wie beispielsweise die eines Portiers oder Wächters, Parkraumüberwachers, Büro- oder Hausboten u.a. mehr in Betracht.

Die Behörde erster Instanz gewährte dem Beschwerdeführer rechtliches Gehör zu ihrer Absicht, ihn gemäß § 47 Abs. 1 und 2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957 (im Folgenden: DO Graz), in den Ruhestand zu versetzen.

In einer Stellungnahme vom sprach sich der Beschwerdeführer gegen die beabsichtigte Ruhestandsversetzung aus. Er machte geltend, in der Lage zu sein, die ihm übertragenen Aufgaben im Bereich der Straßenreinigung zu verrichten und berief sich zum Beweis dieses Vorbringens in einer weiteren Stellungnahme vom (zum berufskundlichen Gutachten) auf die Einvernahme von vier näher genannten Zeugen. Darüber hinaus vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, dass - davon unabhängig - für ihn taugliche Verweisungsarbeitsplätze zur Verfügung stünden.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde der Beschwerdeführer sodann wegen Dienstunfähigkeit von Amts wegen mit Ablauf des in den Ruhestand versetzt. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Zurechnung von Jahren für die Ruhegenussbemessung nicht erfolge und der Ruhegenuss mit Wirksamkeit vom mit EUR 1.215,72 (brutto) monatlich festgesetzt werde.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, dem Beschwerdeführer seien nach den Ergebnissen des Gutachtens Dris. H. die ihm aufgetragenen Arbeiten, die etwa im Sommer mittelschweren, im Herbst (Abtransportieren von Laub) und Winter (Schneeräumung) jedoch schweren Charakter aufwiesen, nicht mehr zumutbar. Auch ein zumindest gleichwertiger Arbeitsplatz, dessen Aufgaben der Beschwerdeführer nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande sei und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden könne, sei nicht zuweisbar. Es liege daher dauernde Dienstunfähigkeit vor.

Weiters enthält der erstinstanzliche Bescheid Ausführungen zur Frage der Ruhegenussbemessung und der Zurechnung.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der er zunächst seinen Standpunkt wiederholte, er sei zur Erfüllung der ihm aufgetragenen Arbeiten in der Lage, weil das von der Geschäftsführung der Wirtschaftsbetriebe erstellte Tätigkeitsprojekt ohne seine Einbindung erstellt worden sei. Auch bestünden taugliche "weitere Verweisungsberufe", die im Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen C., der nur demonstrativ Beispiele aufgezählt habe, nicht genannt worden seien. Schließlich verwies er auf das große Beschäftigungsangebot im Rahmen der Landeshauptstadt Graz, wobei es laufend zur Aufnahme "neuer Gemeindebediensteter" komme.

Im Berufungsverfahren erstattete das Personalamt über Ersuchen der belangten Behörde am eine Gegenüberstellung zwischen Soll- und Istständen betreffend Dienstposten der Verwendungsgruppe 3/3A mit folgendem Ergebnis (Hervorhebungen im Original):

" Geriatrische Gesundheitszentren : Soll 3, Ist 2 (lt. beiliegendem Schreiben sind Mitarbeiterinnen auf einem DP 3/3A als Abteilungshelferinnen beschäftigt und müssen laufend mittelschwere bis schwere körperliche Arbeiten verrichten).

Zentralküche : Soll 7, Ist 12 (Küchenarbeiter) kein Dienstposten frei

Liegenschaftsverwaltung : Soll 12, Ist 13 (Hausarbeiter) kein Dienstposten frei

Kanalbauamt : S 18, Ist 17 (Kanalarbeiter) lt. beiliegendem Schreiben der Leitung des Kanalbauamtes ist die volle gesundheitliche Eignung eine absolute Voraussetzung für die Besetzung eines DP 3/3A. Es besteht somit keine Verwendungsmöglichkeit.

Stadtschulamt : Soll 36, Ist 41 (Hausarbeiter und Küchenarbeiter) kein Dienstposten frei

Es ist daher aufgrund des vorhandenen Leistungskalküls keine andere Verwendungsmöglichkeit beim Magistrat Graz gegeben."

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde in teilweiser Stattgebung der Berufung des Beschwerdeführers der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer gemäß § 47 Abs. 1 und 2 DO Graz nunmehr "mit Ablauf des " in den Ruhestand versetzt werde. Weiters wurde ausgesprochen, der Stadtsenat habe entsprechend dem Termin der Zustellung dieses Bescheides (Anmerkung: diese erfolgte am ) die Höhe des Ruhegenusses neu festzusetzen.

In der Begründung dieses Bescheides teilte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage die Ansicht der Erstbehörde, der Beschwerdeführer sei ausgehend vom Gutachten des Sachverständigen Dr. H. auf dem ihm aktuell zugewiesenen Arbeitsplatz dauernd dienstunfähig. Auch existierten - wie die Äußerung des Personalamtes vom zeige - keine für den Beschwerdeführer geeigneten Verweisungsarbeitsplätze. Es bestehe werde eine Verpflichtung des Dienstgebers, ad hoc eine Planstelle für einen tauglichen Verweisungsarbeitsplatz zu schaffen, noch eine solche bestehende und geeignete, aber besetzte Planstelle durch eine Personalmaßnahme "frei" zu machen, um sie mit einem Beamten besetzen zu können, dessen Ruhestandsversetzung im Raum stehe. Die Einholung eines ergänzenden berufskundlichen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob unter Berücksichtigung der Einstufung des Beschwerdeführers gleichwertige Verweisungsberufe im Rahmen der Landeshauptstadt Graz zur Verfügung stünden, habe unterbleiben können, weil diese Frage bereits durch das Personalamt geprüft worden sei und nur dieses (und kein externer Gutachter) wissen könne, ob es im Magistrat Graz entsprechende Arbeitsplätze gäbe. Die beantragte Einvernahme von Zeugen habe unterbleiben können, weil das Beweisthema medizinische Fragen betreffe und daher von Zeugen nicht beurteilt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zur maßgeblichen Rechtslage wird auf deren Wiedergabe im hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2010/12/0049, verwiesen. Aus den in diesem Erkenntnis dargelegten Entscheidungsgründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, geht hervor, dass die Versetzung in den Ruhestand nicht bloß die Prüfung erfordert, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Ruhestandsversetzungsbescheides gerade alle in Frage kommenden Verweisungsarbeitsplätze besetzt sind, sondern auch, ob dieser Zustand für einen unabsehbaren Zeitraum anhält, also mit einem Freiwerden solcher Arbeitsplätze, etwa im Hinblick auf Pensionierungen, in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Auch kämen neben bereits existierenden freien oder in absehbarer Zeit frei werdenden Arbeitsplätzen als Verweisungsarbeitsplätze auch solche in Betracht, welche seitens der Dienstbehörde durch Umgestaltung bestehender Geschäftseinteilungen von Dienststellen in absehbarer Zeit zu schaffen beabsichtigt sind.

Ein absehbares Freiwerden geeigneter Arbeitsplätze in diesem Sinn hat die belangte Behörde - ungeachtet des Berufungsvorbringens zur laufenden Aufnahme "neuer Gemeindebediensteter", das im Übrigen auch der Hinweis auf die beabsichtigte künftige Besorgung von Aufgaben der Parkraumüberwachung durch Gemeindebedienstete enthielt (dass diese Arbeitsplätze etwa nicht als Verweisungsarbeitsplatz für den Beschwerdeführer in Betracht kommen, ergibt sich aus den Bescheidfeststellungen nicht) - ungeprüft gelassen. Sie hat daher die Frage des Verweisungsaspektes unrichtig beurteilt und damit den angefochtenen Bescheid insoweit mit - prävalierender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Bei diesem Ergebnis musste auf das weitere Beschwerdevorbringen im Einzelnen nicht eingegangen werden. Für das folgende Verfahren ist aber festzuhalten, dass die wiedergegebene Ansicht der belangten Behörde, der freie Dienstposten im Kanalbauamt erfordere "die volle gesundheitliche Eignung" und komme daher für den Beschwerdeführer nicht in Frage, jeder schlüssigen Begründung entbehrt.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem nicht entgegen, weil dem Standpunkt des Beschwerdeführers ohnehin Rechnung getragen wurde und der belangten Behörde auch keine für den Beschwerdeführer nachteiligen Aussagen überbunden wurden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-92244