VwGH vom 31.05.2011, 2011/22/0084
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Rainer Kaspar, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA35-9/2869045-01-W, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer, einem indischen Staatsangehörigen, gestellten Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, Voraussetzung zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG sei, dass der Drittstaatsangehörige (u.a.) nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig sei. Das Ermittlungsverfahren habe aber ergeben, dass sich der Beschwerdeführer erst seit - dabei handle es sich um jenen Tag, an dem der Beschwerdeführer seinen Asylantrag beim Bundesasylamt eingebracht habe - im Bundesgebiet aufgehalten habe. Nach seinen damaligen Angaben (gemeint: im Asylverfahren) habe er sein Heimatland Ende April 2004 verlassen. Die Einreise in Österreich sei am erfolgt. Im Zentralen Melderegister scheine der Beschwerdeführer erstmals mit in Wien als gemeldet auf.
Die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei bereits Ende April 2004 in Österreich eingereist, stelle sich als nicht glaubwürdig dar. Erfahrungsgemäß sei Angaben, die in unmittelbarer Nähe zum Zeitpunkt des Asylantragstellung getätigt werden, mehr Wahrheitsgehalt zuzumessen als nachträglichen Darstellungen, die oft durch Absprachen geprägt seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Voraussetzung zur Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 44 Abs. 4 NAG ist unter anderem, dass der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist (Z 1 leg. cit.).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die zu dieser Frage erfolgten Feststellungen und gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Dies führt die Beschwerde zum Erfolg.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs vor, er habe im Asylverfahren angegeben, am mit einem Pkw unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Im Übrigen sei erst mit dem Datum der Antragstellung am nachgewiesen, dass er sich im Bundesgebiet aufgehalten habe.
In seiner daraufhin ergangenen Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer vor, bereits im April 2004 in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Dies könne ein Zeuge, der bereits mit dem Beschwerdeführer bei der belangten Behörde vorgesprochen hätte, bestätigen. Falls Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers bestünden, möge der Zeuge, dessen Personaldaten sich im vorgelegten Verwaltungsakt finden, vernommen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist. Es ist nicht zulässig, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/18/0499, mwN).
Das mit dem angeführten Beweisantrag als Beweisthema verknüpfte Vorbringen, nämlich dass sich der Beschwerdeführer schon vor dem in Österreich aufgehalten habe (und dies durch den Zeugen bestätigt werden könnte), ist für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 44 Abs. 4 Z 1 NAG von Bedeutung. Sohin kommt dem geltend gemachten Verfahrensmangel Relevanz für den Ausgang des Verfahrens zu. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Vernehmung und Würdigung der Aussage des Zeugen zu einer anderen Beurteilung, insbesondere hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der (nunmehrigen) Ausführungen des Beschwerdeführers, gelangt wäre.
In diesem Zusammenhang ist aber auch darauf hinzuweisen, dass sich die im angefochtenen Bescheid enthaltene Beweiswürdigung, die lediglich auf allgemeine Erfahrung abstellt und überhaupt nicht konkret darlegt, weshalb die allgemein gehaltene Annahme der belangten Behörde auch im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers tatsächlich zutreffend wäre, als unzureichend darstellt. Schließlich ist aber auch die in Bezug auf beweiswürdigende Überlegungen in der Gegenschrift vertretene Ansicht der belangten Behörde, die Richtigkeit der im "EKIS" oder im Zentralen Melderegister vorhandenen Eintragungen könnte nicht in Zweifel gezogen werden, gänzlich verfehlt.
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-92240