VwGH vom 20.04.2016, Ro 2014/17/0058

VwGH vom 20.04.2016, Ro 2014/17/0058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der S Gesellschaft m.b.H. Co KG in S in T, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl Ib-17738/2-2013, betreffend Wasserbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S in T in

S in T, vertreten durch Dr. Thomas Kerle, Dr. Stefan Aigner und Mag. Gerd Pichler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Str. 57),

I. den Beschluss gefasst:

Die "Gegenäußerung" der belangten Behörde wird zurückgewiesen. II. zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 sowie der mitbeteiligten Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde schrieb der revisionswerbenden Partei mit Bescheid vom für den Zeitraum bis betreffend das "Objekt Nr 5 G 702, 6100 S/Bereitstellung Beschneiung" eine Bereitstellungsgebühr von EUR 47.025,-- vor.

Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde als Abgabenbehörde zweiter Instanz mit Bescheid vom als unbegründet ab.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom Folge und hob den Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz auf. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt, welcher Sachverhalt und welche Erwägungen sie ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe. Der erstinstanzliche Begründungsmangel sei von der Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht saniert worden, weshalb ihrem Bescheid ein wesentlicher Verfahrensmangel anhafte.

Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung der revisionswerbenden Partei erneut als unbegründet ab.

Die in der Wassergebührenverordnung der mitbeteiligten Gemeinde normierte Bereitstellungsgebühr von EUR 750,-- /sl für Abnehmer mit einem Spitzenbezug von über 20 sl und von EUR 200,--/sl für Abnehmer mit einem Spitzenbezug von über 10 sl aber unter 20 sl diene der Deckung der durch die Spitzenverbraucher in Bezug auf die Wassergewinnung, Wasserspeicherung, Wasserverteilung und Fernsteuerung gegenüber einem üblichen Trinkwassernetz ohne Beschneiungsanlagen verursachten Mehrkosten. Auf Basis der Kostenaufstellung des Ingenieurbüros Sp vom beliefen sich diese Mehrkosten bei einem theoretischen Lastfall von 20 sl Spitzenbezug aller vier Beschneiungsanlagen auf insgesamt EUR 1.800.000,-- und jährliche Kosten von EUR 1.125,--/sl. Tatsächlich bestehe für die Beschneiungsanlage der revisionswerbenden Partei ein Spitzenbezug von 58 sl. Dies sei mit weiteren Mehrkosten von insgesamt EUR 500.000,-- bzw jährlichen Kosten von EUR 431,--/sl verbunden. Die mit der Wassergebührenverordnung normierte Bereitstellungsgebühr decke somit die zur Versorgung der Beschneiungsanlagen erforderlichen Gesamtinvestitionskosten von EUR 2.300.000,-- nur zur Hälfte.

Der für den Vorschreibungszeitraum betreffend die revisionswerbende Partei festgestellte Spitzenbezug von 57 sl beruhe auf einer Durchflussmengenaufzeichnung ihrer Beschneiungsanlage vom .

Die privatrechtliche Vereinbarung zwischen der mitbeteiligten Gemeinde und der revisionswerbenden Partei vom - wonach die bisherige Regelung des 1/3 Wasserpreises gelte, sollte keine andere Modalität über das Wassernutzungsentgelt getroffen werden - sei von der mit der Wassergebührenverordnung der mitbeteiligten Gemeinde eingeführten Bereitstellungsgebühr nicht berührt worden. Die Bereitstellungsgebühr sei unabhängig von der Verbrauchsgebühr. Letztere sei gemäß Wassergebührenverordnung der mitbeteiligten Gemeinde unverändert für Betreiber von Beschneiungsanlagen mit einem Drittel beibehalten worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der revisionswerbenden Partei als unbegründet ab. Grundsätzlich habe die belangte Behörde im Vorstellungsverfahren die Verfassungs- und Gesetzeskonformität der dem Gebührenbescheid zugrundeliegenden Wassergebührenverordnung nicht zu prüfen. Es sei daher auf die sachliche Rechtfertigung der für Großabnehmer festgesetzten Bereitstellungsgebühr und die dazu angestellten Berechnungen nicht näher einzugehen. Der nunmehrige Berufungsbescheid weise eine für die Abgabepflichtige nachvollziehbare Begründung auf. Das Vorbringen der revisionswerbenden Partei, die entsprechenden Messungen seien unrichtig bzw ungenau, sei unsubstantiiert. Die in diesem Zusammenhang bemängelten Berechnungen beträfen die Gebührenfestsetzung in der Verordnung, weshalb diesbezüglich das Parteiengehör der revisionswerbenden Partei nicht verletzt sei. Die Wassergebührenverordnung der mitbeteiligten Gemeinde sehe keine generelle Verpflichtung zur Berücksichtigung privatrechtlicher Vereinbarungen vor. Da allfällige sich aus der privatrechtlichen Vereinbarung ergebende Ansprüche mangels Berücksichtigung dieses Umstandes in den einschlägigen abgabenrechtlichen Vorschriften nur im Zivilrechtsweg geltend zu machen seien, habe die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu Recht die privatrechtliche Vereinbarung unberücksichtigt gelassen.

Mit Beschluss vom , B 732/2013, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde der revisionswerbenden Partei ab und trat über deren nachträglichen Antrag iSd § 87 Abs 3 VfGG gemäß Art 144 Abs 3 B-VG die Beschwerde mit Beschluss vom an den Verwaltungsgerichtshof ab.

In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde (nunmehr Revision) beantragte die revisionswerbende Partei, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

In der Folge legte das Landesverwaltungsgericht Tirol die Verwaltungsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde (Revision) unter Zuspruch des Vorlageaufwands abzuweisen. Ebenso beantragten die mitbeteiligte Gemeinde in ihrer Gegenschrift sowie die belangte Behörde in der vom Landesverwaltungsgericht gemeinsam mit den Verwaltungsakten vorgelegten "Gegenäußerung" die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde (Revision).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2 Auf eine vom Verfassungsgerichtshof nach dem gemäß Art 144 Abs 3 B-VG abgetretene Bescheidbeschwerde ist § 4 VwGbk-ÜG sinngemäß anzuwenden (vgl ). Die abgetretene Beschwerde gilt daher als Revision, für die die Regelung des § 4 Abs 5 VwGbk-ÜG Anwendung findet. Demnach gelten für die Behandlung der Revision die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.

3 Gemäß § 9 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) in Verbindung mit Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG trat mit das Landesverwaltungsgericht Tirol an die Stelle der belangten Behörde. Der belangten Behörde kommt daher nunmehr keine Parteistellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu, weshalb ihre am beim Landesverwaltungsgericht eingelangte "Gegenäußerung" zurückzuweisen war.

4 § 15 Abs 3 Z 4 Finanzausgleichsgesetz 2008 (FAG 2008), in der Stammfassung BGBl I Nr 103/2007, ermächtigt Gemeinden, durch Beschluss der Gemeindevertretung vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Einrichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt, auszuschreiben.

Die mit Beschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Wassergebührenverordnung lautet auszugsweise:

"§ 1

Einteilung der Gebühren

Für den Anschluss eines Grundstückes an die Gemeindewasserleitung und für den laufenden Wasserbezug sowie für die Benützung von Wasserzählern erhebt die Gemeinde S Benützungsgebühren in Form einer Anschlussgebühr, einer laufenden Gebühr (Wasserzins) und einer Zählermiete. Für die Errichtung von Hochbehältern, neuen Quellfassungen, Tiefbrunnen, Pumpenanlagen oder anderen Erweiterungsbauten der Gemeindewasserversorgungsanlage behält sich die Gemeinde das Recht der Vorschreibung einer Erweiterungsgebühr vor.

...

§ 4

Bemessungsgrundlagen und Höhe des Wasserzinses

Der Wasserzins beträgt EUR 0,55 pro m3 Wasser zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Für jede in sich geschlossene Wohneinheit bzw. gewerbliche Einheit wird eine jährliche Bereitstellungsgebühr in der Höhe von EUR 55,00 (zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer) verrechnet.

Übersteigt der Vorschreibungsbetrag gemäß tatsächlichem Verbrauch die Summe der Bereitstellungsgebühr, so gelangt der tatsächliche Verbrauch zur Abrechnung.

Für Großabnehmer, die eine Spitzenabnahme von 10 Sekundenlitern überschreiten, kommt eine jährliche Bereitstellungsgebühr in der Höhe von EUR 200,00 (zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer) pro gemessenen bzw. vertraglich vereinbarten Spitzenverbrauch (gerechnet in Sekundenliter) zur Verrechnung. Bei einem Spitzenverbrauch über 20 Sekundenliter erhöht sich die Bereitstellungsgebühr auf EUR 750,00 (zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer) pro l/s.

Der Wasserzins für Beschneiungsanlagen beträgt EUR 0,22 pro m3 Wasser zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer."

5 Die revisionswerbende Partei moniert zunächst, dass sich weder die Abgabenbehörden erster und zweiter Instanz noch die belangte Behörde mit ihrem Einwand, dass der Vorschreibung einer Bereitstellungsgebühr die zwischen ihr und der mitbeteiligten Gemeinde am getroffene privatrechtliche Vereinbarung entgegenstehe, auseinandergesetzt hätten.

6 Soweit die revisionswerbende Partei auf die Begründung des den Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom aufhebenden Bescheids der belangten Behörde vom verweist, wonach "es im weiteren gemeindlichen Verfahren auch erforderlich sein wird, sich mit der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten privatrechtlichen Vereinbarung (siehe § 4 der Wassergebührenverordnung) auseinanderzusetzen", handelt es sich dabei um kein tragendes Begründungselement, an das die Gemeindebehörden, die Gemeindeaufsichtsbehörde, aber auch der Verwaltungsgerichtshof nach ständiger Rechtsprechung gebunden sind.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl , vom , 2009/15/0030, und vom , 93/17/0126) sind Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Abgabenschuld einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns - entsprechend dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenverwaltung - ausschließlich durch das Gesetz geregelt. Das Gesetz sieht konkret nicht vor, dass die Abgabenschuld ungeachtet der Verwirklichung des Abgabentatbestandes im Falle einer gegenteiligen "Vereinbarung" zwischen Abgabenschuldner und Abgabengläubiger nicht entstünde oder zum Wegfall gelangte. Eine Nachsicht des Abgabenanspruchs kann im Bereich des Abgabenrechts nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen, und zwar allein in Bescheidform erfolgen (vgl bereits zitierte Erkenntnisse vom , sowie ).

8 Die belangte Behörde ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass der von der revisionswerbenden Partei gegen die Abgabenvorschreibung eingewandten privatrechtlichen Vereinbarung vom im Abgabenverfahren keine rechtliche Bedeutung zukommt, weshalb auch die im Abgabenverfahren unterlassene Einvernahme der zum Inhalt dieser Vereinbarung beantragten Zeugen keinen Verfahrensmangel darstellt.

9 Das ergänzende Revisionsvorbringen richtet sich neben der Nichtberücksichtigung der privatrechtlichen Vereinbarung vom ausschließlich gegen die der Festlegung der Höhe der Bereitstellungsgebühr in § 4 der Wassergebührenverordnung der mitbeteiligten Gemeinde zugrunde liegende Kostenaufstellung des Ingenieurbüros Sp vom hinsichtlich der der Gemeinde für die Bereitstellung erwachsenden Kosten. Diese nach Meinung der revisionswerbenden Partei bloß grobe Kostenschätzung, die auf unrichtigen und ungenauen Berechnungen beruhe, könne keine taugliche Grundlage für die Bemessung der Bereitstellungsgebühr iSd § 4 der Wassergebührenverordnung sein. Die betragliche Festsetzung der Bereitstellungsgebühr in der Verordnung entbehre jeglicher sachlicher Rechtfertigung.

10 Mit diesem bereits in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erstatteten Vorbringen erachtet sich die revisionswerbende Partei ausschließlich durch die Heranziehung der in § 4 der Wassergebührenverordnung der mitbeteiligten Gemeinde für Großabnehmer mit einem 20 s/l übersteigenden Spitzenverbrauch normierten Höhe der Bereitstellungsgebühr insofern verletzt, als die Verordnung mit einer derart der Höhe nach geregelten Bereitstellungsgebühr nicht hätte ergehen dürfen.

11 Über diese gemäß Art 144 Abs 1 erster Satz zweiter Fall B-VG in der Fassung vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012 ausschließlich in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs fallende Rechtsverletzungsbehauptung, hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 732/2013, bereits abschlägig entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch die diesbezüglichen Ausführungen in der ergänzten Revision nicht veranlasst, diese Bedenken aufzugreifen und nochmals an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Eine rechtswidrige Anwendung des § 4 der Wassergebührenverordnung, deren Prüfung in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs fiele, behauptet die revisionswerbende Partei in diesem Zusammenhang nicht.

Es ist daher auch nicht näher auf die in Bezug auf die Kostenaufstellung des Ingenieurbüros Sp vom geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs einzugehen.

12 Das Revisionsvorbringen ist demnach nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

13 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

14 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 in Verbindung mit § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am