zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 14.10.2016, Ro 2014/17/0047

VwGH vom 14.10.2016, Ro 2014/17/0047

Spruch

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der H A G GmbH in G, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats für die Steiermark vom , UVS 41.5-7/2013-7, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz, zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Murau vom wurde gegenüber der revisionswerbenden Partei als Eigentümerin der Software die Einziehung eines näher bezeichneten Glücksspielgerätes gemäß § 54 Abs 1 Glücksspielgesetz (GSpG) angeordnet.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Berufung. Sie machte dabei im Wesentlichen die verwaltungsbehördliche Unzuständigkeit sowie die Unionsrechtswidrigkeit des GSpG geltend.

3 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Zur vorgebrachten Unzuständigkeit verwies sie auf die Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung in einem näher bezeichneten Bescheid vom (betreffend das Strafverfahren hinsichtlich desselben Gerätes). Demnach könne bei sämtlichen Spielen am verfahrensgegenständlichen Gerät mit einem möglichen Höchsteinsatz von EUR 5,00 gespielt werden. Es liege somit die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit zur Einziehung vor. Zu den in der Berufung ebenfalls vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken enthält der angefochtene Bescheid keine Ausführungen.

4 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision, in der Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

5 Das gemäß § 9 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) iVm Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG mit an die Stelle der belangten Behörde getretene Landesverwaltungsgericht Steiermark legte die Verwaltungsakten vor.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Bei der vorliegenden Revision handelt es sich aufgrund der am erfolgten Abfertigung und der am erfolgten Zustellung des angefochtenen Bescheides an die revisionswerbende Partei um einen Fall iSd § 4 Abs 2 iVm § 2 Abs 1 VwGbk-ÜG.

8 Eine Revision gemäß § 4 VwGbk-ÜG, welche sich - wie im vorliegenden Revisionsfall - gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates (einer unabhängigen Verwaltungsbehörde iSd § 2 Abs 1 VwGbk-ÜG) richtet, ist gemäß § 4 Abs 5 zweiter Satz VwGbk-ÜG unzulässig, wenn die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht vorliegen. Es gelten für die Behandlung derartiger Revisionen die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.

9 Die vorliegende Revision erweist sich schon deswegen als zulässig, weil der angefochtene Bescheid im Zusammenhang mit der geltend gemachten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

10 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) hat zur Beurteilung der Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch den nationalen Richter eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, zu erfolgen (vgl , Rz 67ff unter Hinweis auf , Robert Pfleger ua, Rn 52). Dabei sind nicht bloß der Wortlaut der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes samt Gesetzesmaterialien, sondern auch faktische Gegebenheiten (wie etwa der Umfang der Beschaffungskriminalität und der Kriminalität gegenüber Glücksspielern im Mitgliedstaat, eine allfällige expansionistische Geschäftspolitik der Konzessionäre und deren Zielsetzung etc) in den Blick zu nehmen (siehe ausführlich , sowie , Admiral Casinos Entertainment AG , wonach es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen).

11 Im Fall der Annahme der Nichtanwendbarkeit von Unionsrecht hätte sich das Verwaltungsgericht auch mit den in der Berufung aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken der Anwendung von § 52 GSpG wegen Inländerdiskriminierung auseinanderzusetzen (vgl , mwH).

12 Die belangte Behörde traf im vorliegenden Revisionsfall trotz eines entsprechenden Berufungsvorbringens keine Feststellungen zur Unionsrechtswidrigkeit des GSpG. Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid bereits mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

13 Im Übrigen verweist die Revision zutreffend darauf, dass der angefochtene Bescheid auch keine Feststellungen zu der in der Berufung behaupteten Möglichkeit von Serienspielen enthält. Solche wären aber im Hinblick auf die geltend gemachte verwaltungsbehördliche Unzuständigkeit zu treffen gewesen.

14 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

15 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

16 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 2013/518 idF BGBl II Nr 2014/8, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455/2008.

Wien, am