VwGH vom 23.11.2016, Ro 2014/17/0032

VwGH vom 23.11.2016, Ro 2014/17/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie den Hofrat Dr. Mairinger, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der M H G.m.b.H. in S, vertreten durch die Prodinger Partner Wirtschaftstreuhand-Steuerberatungs GmbH Co KG in 5700 Zell am See, Auerspergstraße 8, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , 201-BERU/4/551-2011, betreffend Antrag auf Nachsicht von Salzburger Tourismusverbandsbeiträgen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheiden jeweils vom setzte das Landesabgabenamt Salzburg (in Folge: Behörde erster Instanz) für die revisionswerbende Partei Tourismusbeiträge für die Jahre 2005 bis 2009 fest, woraus sich Nachforderungen in jeweils bestimmter Höhe ergaben. Begründend führte es jeweils aus, aus den diesbezüglichen Umsatzsteuerbescheiden habe sich ergeben, dass die angegebenen Gesamtumsätze nur ca 10 % der gesamten steuerpflichtigen Umsätze ausmachten. Abzüge seien in den Beitragserklärungen nicht geltend gemacht worden.

2 Mit Bescheiden vom wies die Salzburger Landesregierung die dagegen erhobenen Berufungen der revisionswerbenden Partei als unbegründet ab.

3 Die revisionswerbende Partei stellte mit Schreiben vom ua einen Antrag auf Nachsicht im Umfang der Nachforderungen in Höhe von insgesamt EUR 41.427,51 und führte dabei aus, sie betreibe im Land Salzburg eine Sargfabrik und verkaufe die Särge in alle Bundesländer. Der auf das Land Salzburg entfallende Umsatzanteil liege jedenfalls unter 10 %. In den Beitragserklärungen für 2005 bis 2009 sei irrtümlich stets dieser Umsatz als Gesamtumsatz ausgewiesen und (hinsichtlich der außerhalb des Landes Salzburg erbrachten Umsätze) kein Abzug nach § 32 Abs 4 Salzburger Tourismusgesetz (S.TG 2003) vorgenommen worden. Dies habe infolge der behördlichen Festsetzung zu einer Verzehnfachung der "Abgabe" geführt.

4 Mit Bescheid vom wies die Behörde erster Instanz den Antrag auf Nachsicht ab.

5 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Berufung.

6 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt und gewährte (hinsichtlich der Beitragsjahre 2005 und 2006) eine Nachsicht in der Höhe von insgesamt EUR 17.575,01. Im Übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab.

7 Begründend führte die belangte Behörde aus, die revisionswerbende Partei habe für die gegenständlichen Jahre ihre Beitragserklärungen stets fristgerecht eingebracht. Diese hätten glaubhaft immer nur die im Land Salzburg erwirtschafteten Umsätze ausgewiesen. Es sei auch im Beitragserklärungsformular die Rubrik "Abzüge gemäß § 32 Abs 4 S.TG" (für Lieferungen an Unternehmer außerhalb des Landes Salzburg) nicht angekreuzt worden, sodass für das Landesabgabenamt nicht ersichtlich gewesen sei, dass derartige Abzüge geltend gemacht hätten werden sollen. Berichtigungen seien weder bis zum Ende der Fälligkeitsfrist noch bis zur Bescheiderlassung durch die Beitragsbehörde erster Instanz (im Jahr 2010) erfolgt. Nach Vorlage der Umsatzsteuerbescheide im Jahr 2009 sei für die Beitragsbehörde der jeweilige Gesamtumsatz ersichtlich geworden, sodass dieser in der Folge als Bemessungsgrundlage herangezogen worden sei. Nach § 32 Abs 4 S.TG sei der Abzug (für die Lieferungen außerhalb des Landes Salzburg) bereits in der Beitragserklärung geltend zu machen. Dadurch habe sich eine Nachzahlung in der Gesamthöhe von EUR 41.427,51 ergeben. Die Beitragsfestsetzung sei innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist erfolgt.

8 Auf Grund der Anwendbarkeit der BAO mit sei eine Beitragsfestsetzung bis zum Beitragsjahr 2005 möglich geworden (§ 323a Abs 1 Z 5 BAO idF BGBl I Nr 20/2009 iVm § 56 Salzburger Tourismusgesetz). Davor habe sich eine Beitragsfestsetzung auf Grund einer im Salzburger Tourismusgesetz idF vor dem normierten dreijährigen Verjährungsfrist nur auf die jeweils vorangegangenen drei Beitragsjahre beziehen können. Die nunmehrige Anwendbarkeit der BAO habe ein Wiederaufleben von bereits verjährten Beitragsansprüchen bewirkt. Die Regelung des § 32 Abs 4 S.TG 2003, wonach Abzüge in der Beitragserklärung bekannt zu geben seien, sei zwar auch nach der Anwendbarkeitserklärung der BAO unverändert geblieben, diese Regelung sei aber vor dem Hintergrund der bis geltenden dreijährigen Festsetzungsverjährungsfrist eingeführt worden. Die Einhebung sämtlicher Nachforderungen aus den Beitragsfestsetzungen 2005 bis 2009 sei nach Meinung der belangten Behörde allein schon aus diesem Grund sachlich unbillig. Weiters sei zu berücksichtigen, dass die revisionswerbende Partei durch ihre Säumnis, die Abzüge bereits in den jeweiligen Beitragserklärungen geltend zu machen, mit einer zehnmal höheren Beitragsverpflichtung belastet werde als bei korrekter Geltendmachung der Abzüge. Bis zur im Jahr 2010 durchgeführten Beitragskontrolle möge die revisionswerbende Partei darauf vertraut haben, dass ihre stets fristgerecht abgegebenen Beitragserklärungen seitens der Behörde erster Instanz als korrekt angesehen werden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass mit der Regelung des § 32 Abs 4 S.TG 2003 Auswirkungen wie jene im Revisionsfall, der ein eklatantes Missverhältnis zwischen dem Tourismusnutzen und der Beitragsverpflichtung zu Tage bringe, beabsichtigt worden seien.

9 Die revisionswerbende Partei werde lediglich auf Grund formal unrichtiger Beitragserklärungen zur vollen Beitragsleistung herangezogen. Es sei jedenfalls billig, die Nachsicht zumindest teilweise zu gewähren, zumal ein geringes öffentliches Interesse an der vollen Beitragsleistung bestehe, da ohne diesen Fehler den Tourismusverbänden bzw dem Tourismusförderungsfonds ohnehin nur ca ein Zehntel der vorgeschriebenen Beiträge zugestanden wäre. Es sei aber auch das öffentliche Interesse am richtigen Vollzug des § 32 Abs 4 Salzburger Tourismusgesetz zu berücksichtigen. Die Regelung diene der effizienten Beitragskontrolle, wobei es der Gesetzgeber bei nicht korrekter Geltendmachung der Umsätze durchaus in Kauf nehme, dass ein Abgabepflichtiger mit wesentlich höheren Beiträgen belastet werde, als es im Hinblick auf seinen tatsächlichen Tourismusnutzen angemessen wäre.

10 Daher sei die Nachsicht nur hinsichtlich der Beitragsjahre 2005 und 2006 in der Höhe der Differenz zwischen der Beitragsverpflichtung auf Grund der rechtskräftigen Festsetzungen und der Beitragsleistung bei fiktiver formal richtiger Geltendmachung der Abzüge in den Beitragserklärungen zu gewähren. Dabei sei vor allem der Umstand zu berücksichtigen, dass der Landesgesetzgeber bei der Einführung der Regelung des § 32 Abs 4 S.TG im Hinblick auf die Konsequenzen einer formal nicht korrekten Geltendmachung der Abzüge eine dreijährige Verjährungsfrist vor Augen gehabt habe. Insoweit erscheine der belangten Behörde die Einhebung der Nachforderungen aus den Beitragsfestsetzungen für die Jahre 2007 bis 2009 nicht unbillig.

11 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision, in der die revisionswerbende Partei inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht. Sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides oder in eventu in der Sache selbst zu entscheiden und "festzustellen, dass der Tourismusbeitrag für das Land Salzburg mit den in den Ersterklärungen des Abgabepflichtigen bekannt gegebenen Höhen für die einzelnen Jahre festgestellt werde".

12 Das gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG iVm § 9 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) anstelle der Salzburger Landesregierung in das Verfahren eingetretene Landesverwaltungsgericht Salzburg legte die Akten vor, beantragte dafür Kostenersatz.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Für die Behandlung der vorliegenden Revision gelten die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß mit einer nur für Revisionen gegen Bescheide unabhängiger Behörden geltenden und daher hier nicht relevanten Maßgabe (§ 4 Abs 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG). Es war daher im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, ob eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

15 Gemäß § 236 Abs 1 und 2 BAO können fällige, aber auch bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

16 Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Falle eines Ansuchens um Nachsicht iSd ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, wonach die "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" wäre. Bejaht die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung darf sich die Behörde nicht von unsachlichen Erwägungen leiten lassen. Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung durch den Gerichtshof darauf, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde, oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmissbrauches - nicht der Fall gewesen ist (vgl , mwN).

17 Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde vom Vorliegen sachlicher Unbilligkeit ausgegangen und hat dem Revisionswerber nach Abwägen der Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe rund 40 % des gesamten Betrages, hinsichtlich dessen Nachsicht begehrt worden ist, nachgesehen. Die nachprüfende Kontrolle des VwGH beschränkt sich daher darauf, ob die belangte Behörde das ihr eingeräumte Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.

18 Die belangte Behörde hat in ihrer Ermessensentscheidung zugunsten der revisionswerbenden Partei berücksichtigt, dass diese die Beitragserklärungen stets fristgerecht eingebracht habe und dass deren Vorbringen hinsichtlich der im Land Salzburg erwirtschafteten Umsätze glaubwürdig sei. Sie ist in ihren Erwägungen zur Billigkeit auch davon ausgegangen, dass die Angabe der Gesamtumsätze und der davon mögliche Abzug der nicht im Land Salzburg erwirtschafteten Umsätze lediglich aufgrund eines "Formfehlers" der revisionswerbenden Partei unterblieben seien und dass ohne diesen Formfehler auch keine über die erklärte Beitragsschuld hinausgehenden Beitragsverpflichtungen bestanden hätten.

19 Dem konnte sie in ihren Zweckmäßigkeitserwägungen das öffentliche Interesse an einer effizienten Beitragserhebung, die durch die Regelung des § 32 Abs 4 S.TG gewährleistet werden soll, gegenüberstellen. Bei dem in dieser Bestimmung normierten Ausschluss einer späteren Möglichkeit, die außerhalb des Landes Salzburg erzielten Umsätze von den Gesamtumsätzen abzuziehen, handelt es sich nicht um eine unzulässige Sanktion (vgl beispielsweise , mit Hinweis auf Rechtsprechung des VfGH). Daran vermag auch das Vorbringen der revisionswerbenden Partei im Zusammenhang mit dem mittlerweile auf Landesabgaben anzuwendenden § 201a BAO (wonach im Falle einer Berichtung einer Selbstberechnung durch den Abgabepflichtigen von einer Festsetzung abzusehen ist) nichts zu ändern, ist diese Bestimmung doch erst ab dem anwendbar. Im Revisionsfall ist im Übrigen auch keine Berichtigung der Erklärung vor der jeweiligen Bescheiderlassung erfolgt. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich schon deswegen nicht veranlasst, verfassungsrechtliche Bedenken der revisionswerbenden Partei in Bezug auf die (im Übrigen ausschließlich das Beitrags- nicht hingegen das Nachsichtsverfahren betreffende) Bestimmung des § 32 Abs 4 S.TG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

20 Die gegen die Entscheidung im Nachsichtsverfahren gerichtete Revision erschöpft sich im Wesentlichen in einem Vorbringen zu behaupteten Rechtsverletzungen durch die Beitragsbehörde in den Beitragsverfahren. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es aber nicht Zweck eines Nachsichtsverfahrens gemäß § 236 BAO, Abgabenbescheide nachträglich auf deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Eine Nachsicht dient nämlich nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe, insbesondere Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof, nachzuholen (vgl ). Der revisionswerbenden Partei wäre es unbenommen gewesen, ihre diesbezüglichen Bedenken im Rahmen einer Beschwerde gegen die Beitragsfestsetzung an den Verwaltungsgerichtshof heranzutragen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass in der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsbescheides im Beitragsverfahren zwar auf die Vertretungspflicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hingewiesen wurde, nicht jedoch auf die Möglichkeit, sich auch durch einen Steuerberater vertreten zu lassen.

21 Konkrete vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Mängel der Ermessensentscheidung im Nachsichtsverfahren behauptet die Revision nicht.

22 Da Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ausschließlich die Prüfung der Nachsichtsentscheidung auf der Grundlage der BAO im angefochtenen Bescheid ist, gehen auch die von der revisionswerbenden Partei vorgebrachten europarechtlichen Bedenken gegen das "gesamte S.TG" ins Leere. Es besteht aus dem genannten Grund für den Verwaltungsgerichtshof auch keine rechtliche Möglichkeit, entsprechend dem Eventualbegehren der revisionswerbenden Partei die von ihr als rechtswidrig erachteten Beitragsvorschreibungen zu ändern.

23 Die revisionswerbende Partei zeigt somit nicht auf, dass die belangte Behörde von ihrem Ermessen nicht innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hätte. Die Revision erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

24 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Revisionsfall noch anwendbaren VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455 (§ 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr 8/2014).

Wien, am