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VwGH vom 18.10.2012, 2011/22/0071

VwGH vom 18.10.2012, 2011/22/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des N, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 156.935/3-III/4/10, betreffend Aufenthaltskarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am bei der erstinstanzlichen Behörde eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 iVm § 57 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer am eine österreichische Staatsbürgerin in Spanien geheiratet habe. Anlässlich der Beantragung einer Aufenthaltskarte habe der Beschwerdeführer eine auf ihn ausgestellte spanische Niederlassungsbewilligung vorgelegt. Der Beschwerdeführer sei seit mit Hauptwohnsitz in Österreich amtlich gemeldet, seine Ehefrau seit an derselben Adresse. Die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers sei zwar im Jahr 2001 für vier Wochen und in der Zeit vom bis in den Niederlanden tätig gewesen. Seit sei sie als Angestellte an der Universität W beschäftigt. Die belangte Behörde sehe keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Verwirklichung eines Freizügigkeitssachverhaltes in den Jahren 2001 und 2005/2006 mit der Eheschließung in Spanien am und dem Antrag vom auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte. Allein durch Inanspruchnahme der "Dienstleistung Eheschließung" in Spanien liege kein Freizügigkeitssachverhalt vor.

Der Beschwerdeführer sei daher in Spanien eine Ehe mit einer "nicht freizügigkeitsberechtigten" Unionsbürgerin eingegangen und könne sich somit zur Erlangung eines Aufenthaltsrechtes in Österreich nicht auf § 54 NAG berufen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass im Blick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jänner 2011 die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 111/2010 maßgeblich sind und sich nachfolgende Zitierungen auf diese Rechtslage beziehen.

§ 57 NAG lautet:

"Die Bestimmungen der §§ 51 bis 56 finden auch auf Schweizer Bürger, die das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, und deren Angehörige Anwendung. Für Angehörige von Österreichern gelten die Bestimmungen der §§ 52 bis 56 sinngemäß, sofern der Österreicher sein gemeinschaftsrechtliches oder das ihm auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz in Anspruch genommen hat und im Anschluss an diesen Aufenthalt nach Österreich nicht bloß vorübergehend zurückkehrt."

§ 57 NAG ordnet somit an, dass die Bestimmungen der §§ 51 bis 56 NAG - somit einschließlich jener über die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Angehörige nach § 54 NAG - für Angehörige von Österreichern sinngemäß gelten, sofern der Österreicher sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat in Anspruch genommen hat und im Anschluss an diesen Aufenthalt nach Österreich nicht bloß vorübergehend zurückkehrt.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ihre unionsrechtliche Freizügigkeit in den Jahren 2001 und 2005/2006 ausgeübt hat. Die belangte Behörde verneinte eine Relevanz dieses Umstandes mit der Begründung, dass diese Inanspruchnahme der Freizügigkeit schon länger zurückliege.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag zu 2011/22/0163 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass unionsrechtlich gesehen einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme der Freizügigkeit durch den Unionsbürger und der Begründung des Angehörigenverhältnisses keine Relevanz zukommt. Es ist nicht von rechtlicher Bedeutung, wann der österreichische Staatsbürger begonnen hat, seine unionsrechtliche Freizügigkeit auszuüben, wann er nach Österreich zurückgekehrt ist und wann das Angehörigenverhältnis mit dem Drittstaatsangehörigen begründet wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.

Zu Unrecht hat somit die belangte Behörde die nach § 57 NAG geforderte Tatbestandsvoraussetzung der Inanspruchnahme der unionsrechtlichen Freizügigkeit durch die österreichische Staatsbürgerin allein damit verneint, dass ein großer zeitlicher Abstand zwischen dieser Freizügigkeitsinanspruchnahme und der Begründung des Angehörigenverhältnisses zum Beschwerdeführer verstrichen ist.

Im Blick auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist anzumerken, dass aus der in Spanien erfolgten Eheschließung kein Recht auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte abgeleitet werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich im Erkenntnis vom , 2010/22/0011, ausführlich dargelegt, dass § 57 NAG auf die Inanspruchnahme des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts nach Art. 7 der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG (in der Folge: RL) abstellt. Es muss somit der österreichische Staatsbürger sein Recht nach Art. 7 RL ausgeübt haben, damit seinen Familienangehörigen das Recht zusteht, sich für mehr als drei Monate oder auf Dauer im Bundesgebiet aufzuhalten. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass allein durch eine Eheschließung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union kein Recht nach Art. 7 RL in Anspruch genommen wurde.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am