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VwGH vom 19.05.2015, Ra 2014/21/0057

VwGH vom 19.05.2015, Ra 2014/21/0057

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über die Revision des C D in D, vertreten durch Dr. Günther Tarabochia, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Scheffelstraße 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. G307 2013368- 1/2E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verhängte gegen den Revisionswerber, einen seit Mitte Jänner 2010 (mit kurzen Unterbrechungen) in Österreich aufhältigen deutschen Staatsangehörigen, mit Bescheid vom gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom als unbegründet ab. Unter einem sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Revision erweist sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig, weil sie - wie im Folgenden dargelegt wird - der Sache nach zu Recht geltend macht, dass das Bundesverwaltungsgericht von der (ständigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist; die Revision ist daher auch berechtigt.

Gegen den Revisionswerber ist als EWR-Bürger die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß dem ersten bis vierten Satz des § 67 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. etwa aus der letzten Zeit das Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/21/0039, Punkt 2.1. der Entscheidungsgründe, mwN, und daran anschließend das Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/21/0052, Punkt 2. der Entscheidungsgründe).

Das Bundesverwaltungsgericht stellte die dem Revisionswerber zur Last liegenden und den Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bildenden Straftaten im angefochtenen Erkenntnis nur der Strafregisterauskunft folgend dahin fest, dass lediglich die Gerichte, die Urteilsdaten, die maßgeblichen Strafbestimmungen und die verhängten Strafen angeführt wurden. Das reicht - wie in der Revision zu Recht geltend gemacht wird - nicht für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose (so schon das Erkenntnis vom , Zl. 2004/21/0097, mwN, und darauf Bezug nehmend etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0533; siehe ebenso das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0267, mwN; vgl. auch jüngst das Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/21/0049). Daran ändert nichts, dass in Bezug auf die letzte Straftat noch erwähnt wurde, dass es sich um versuchten schweren gewerbsmäßigen Betrug gehandelt habe. Vielmehr wären konkrete Feststellungen zu den einzelnen, den Verurteilungen des Revisionswerbers zugrunde liegenden Straftaten zu treffen gewesen. Überdies wären auch die dem Revisionswerber noch vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen näher zu beschreiben gewesen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2013/18/0052).

Schon deshalb war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Für das fortzusetzende Verfahren wird darauf hingewiesen, dass dem Revisionswerber sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungsprognose als auch der Interessenabwägung jedenfalls zur mittlerweile eingetretenen Entwicklung seiner privaten und familiären Verhältnisse sowie zu einer allfälligen Berufstätigkeit rechtliches Gehör einzuräumen und danach zu beurteilen sein wird, ob die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten ist (siehe auch dazu das schon erwähnte Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/21/0039, Punkt 3.1. der Entscheidungsgründe). Im Übrigen wird zu prüfen sein, ob der Revisionswerber am Maßstab der Richtlinie 2004/38/EG mittlerweile ein Recht auf Daueraufenthalt erworben hat und auf ihn deshalb der erhöhte Gefährdungsmaßstab des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG anzuwenden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0181, Punkt 2. der Entscheidungsgründe).

Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 5 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am