VwGH 23.11.2016, Ro 2014/17/0023
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 der Insolvenzordnung - IO). Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse - soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Schuldners iSd § 80 BAO (vgl , mwN; vgl nunmehr auch § 114 Abs 1 erster Satz IO). Eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung geht ins Leere, und zwar auch dann, wenn sie an den Schuldner, zu Handen des Masseverwalters (Insolvenzverwalters), gerichtet ist; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner, noch für diesen (vgl , mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Gemeinde R, vertreten durch die Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in 7540 Güssing, Badstraße 12, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom , OP-02- 04-149-2, betreffend Abrechnungsbescheid (mitbeteiligte Partei: H S GmbH), zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs 3a VwGG wird der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass sein Spruch lautet:
"Die als Beschwerde zu behandelnde Vorstellung wird zurückgewiesen."
Das Land Burgenland hat der revisionswerbenden Gemeinde Schriftsatzaufwand in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei die "Ausstellung eines Abrechnungsbescheids gemäß BAO für die Jahre 2009, 2010 und 2011 laufend, für sämtliche ihrer Abgabenkonten" bei der revisionswerbenden Gemeinde.
2 Im Bescheid vom stellte der Bürgermeister der revisionswerbenden Gemeinde verbuchte Abgabenschuldigkeiten der mitbeteiligten Partei der Abgabenjahre 2009 bis 2011 den jeweils eingegangenen Zahlungen gegenüber und wies eine aushaftende Abgabenschuld für die betreffenden Jahre in der Höhe von insgesamt EUR 34.109,44 aus.
3 Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Berufung und machte ua geltend, dass am 20., 21. und schuldbefreiende Zahlungen in jeweils näher genannter Höhe geleistet worden seien, die im Abrechnungsbescheid nicht aufschienen. Es seien auch Belastungen mit Kanalbenützungsgebühr für die Jahre 2010 und 2011 ausgewiesen worden, denen aber keine bescheidmäßige Vorschreibung zugrunde liege. Sie ergänzte ihr Vorbringen mit Eingabe vom .
4 Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom wurde über das Vermögen der mitbeteiligten Partei der Konkurs eröffnet.
5 Mit der an die mitbeteiligte Partei "z. Hd. Herrn Masseverwalter ..." gerichteten Erledigung des Gemeinderates der revisionswerbenden Gemeinde vom wurde die Berufung als "unbegründet abgewiesen" und der Spruch des Bescheids vom dahingehend geändert, dass der Antrag vom auf Erlassung eines Abrechnungsbescheids als unzulässig zurückgewiesen werde, weil die mitbeteiligte Partei ihrer Konkretisierungspflicht hinsichtlich der strittigen Verrechnungsvorgänge und Gebarungskomponenten nicht entsprochen habe.
6 Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom wurde der Konkurs über das Vermögen der mitbeteiligten Partei aufgehoben.
Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der gegen den "Bescheid" vom erhobenen Vorstellung Folge und hob den "Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde vom " ua mit der Begründung auf, dass dessen Fertigungsklausel unrichtig und dessen Spruch widersprüchlich sei.
7 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision, in der die revisionswerbende Gemeinde inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
8 Das gemäß Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG iVm § 9 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) an die Stelle der belangten Behörde in das Verfahren eingetretene Landesverwaltungsgericht legte die Akten ohne Revisionsbeantwortung vor und beantragte, die Revision gegen Ersatz der Kosten als unbegründet abzuweisen.
9 Die mitbeteiligte Partei nahm ebenfalls von einer Revisionsbeantwortung Abstand.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 Für die Behandlung der vorliegenden Revision gelten die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß mit einer nur für Revisionen gegen Bescheide unabhängiger Behörden geltenden und daher hier nicht relevanten Maßgabe (§ 4 Abs 1 und 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG). Es war daher im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, ob eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 der Insolvenzordnung - IO). Der Insolvenzverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Insolvenzmasse - soweit die Befugnisse des Schuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Schuldners iSd § 80 BAO (vgl , mwN; vgl nunmehr auch § 114 Abs 1 erster Satz IO). Eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung geht ins Leere, und zwar auch dann, wenn sie an den Schuldner, zu Handen des Masseverwalters (Insolvenzverwalters), gerichtet ist; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner noch für diesen (vgl , mwN).
13 Im Revisionsfall ist die an die mitbeteiligte Partei gerichtete Erledigung des Gemeinderates der revisionswerbenden Gemeinde vom somit nicht wirksam erlassen worden. Die dagegen erhobene Vorstellung wäre daher von der belangten Behörde als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Indem die belangte Behörde dies verkannte und in Stattgabe der Vorstellung den vermeintlichen Berufungsbescheid aufgehoben hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid wäre deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im fortzusetzenden Verfahren hätte gemäß Art 151 Abs 51 Z 9 letzter Satz B-VG das Landesverwaltungsgericht sodann die als Beschwerde zu behandelnde Vorstellung mangels wirksamer Berufungsentscheidung zurückzuweisen. Gemäß § 42 Abs 3a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies ist im vorliegenden Revisionsfall gegeben.
14 Für das somit noch offene Berufungsverfahren ist folgendes anzumerken: Der Gemeinderat der revisionswerbenden Gemeinde hat in seiner als Berufungsentscheidung intendierten Erledigung vom die Auffassung vertreten, die mitbeteiligte Partei habe ihrer Behauptungslast und Konkretisierungspflicht hinsichtlich der strittigen Verrechnungsvorgänge nicht entsprochen. Dabei übersieht sie jedoch, dass die mitbeteiligte Partei in ihrem Schreiben vom ua geltend gemacht hat, sie habe an datumsmäßig bestimmten Tagen Zahlungen in betragsmäßig bestimmter Höhe geleistet, die im Bescheid vom als solche aber nicht aufschienen und auch in den angeführten Gutschriften (unter Berücksichtigung der zahlenmäßig angeführten Verrechnungen) keine vollständige Deckung fänden. Vielmehr ergebe sich daraus eine Differenz von EUR 5.666,11 zugunsten der mitbeteiligten Partei. Der Umstand, dass sich bereits daraus eine ausreichend konkretisierte Streitfrage zu bestimmten Buchungsvorgängen ergibt, hätte die belangte Behörde jedoch zu einer meritorischen Entscheidung veranlassen müssen.
15 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Revisionsfall noch anwendbaren VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455 (§ 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr 8/2014).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RO2014170023.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAE-92160