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VwGH vom 23.11.2016, Ro 2014/17/0020

VwGH vom 23.11.2016, Ro 2014/17/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie den Hofrat Dr. Mairinger, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Dr. Leonhartsberger und Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision 1. des DI J K und 2. der K K, beide in K, beide vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in 7304 Nebersdorf, Lange Gasse 14, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom , OP-02- 04-174-2, betreffend Ergänzungsbeitrag zum Kanalanschlussbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den revisionswerbenden Parteien einen Ergänzungsbeitrag zum Kanal-Anschlussbeitrag für den "Zubau" im "Haus 1 (Ober- u. Dachgeschoß)" auf einem näher genannten Grundstück in der mitbeteiligten Gemeinde in der Höhe von EUR 1.464,76 vor. Der Abgabenbemessung wurde eine "Berechnungsfläche Zubau" im Erd-, Ober- und Dachgeschoß von insgesamt 352,2750 m2 zu Grunde gelegt.

2 Mit Bescheid vom gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der dagegen erhobenen Berufung teilweise Folge und setzte den Ergänzungsbeitrag unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 270,9950 m2 (Ober- und Dachgeschoß) mit EUR 1.126,80 neu fest.

Begründend führte die Berufungsbehörde aus, mit Bescheid vom sei den Revisionswerbern für den Umbau des ehemaligen Zollhauses im Ober- und Dachgeschoß eine Baubewilligung und mit Bescheid vom die Benützungsfreigabe erteilt worden. Das Kanalabgabengesetz treffe keine Unterscheidung dahingehend, ob ein Raum durch Dachschrägen uU nur eingeschränkt nutzbar sei. Auch Flächen unterhalb einer Dachschräge seien in die Nutzfläche einzubeziehen, welche die gesamte Grundrissfläche eines Raumes einschließlich des umgebenden Mauerwerks umfasse. Eine Neuermittlung der Flächen an Ort und Stelle am habe zu einem Ausscheiden des Drempelraums im Haus 1 aus der Berechnungsfläche bei gleichzeitiger Beibehaltung der Vorschreibung des Ergänzungsbeitrags für die Wohnung im Obergeschoß geführt. Es sei daher die Berechnungsfläche abgeändert und der Ergänzungsbeitrag entsprechend neu festgesetzt worden.

3 In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung brachten die Revisionswerber im Wesentlichen vor, im Haus 1 befänden sich seit 1939 drei Wohnungen, eine davon im Obergeschoß. Alle drei Wohnungen würden seit jeher zu Wohnzwecken genutzt. Die Nutzfläche sei sowohl im Erd- als auch im Obergeschoß durch das Anbringen einer Wärmedämmfassade verändert worden, dennoch sei der Ergänzungsbeitrag nur für das Obergeschoß vorgeschrieben worden. Es sei "der Dachboden im Obergeschoß und Dachgeschoß" zu Wohnzwecken ausgebaut worden.

4 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Am Haus 1 seien auf Grund einer Baubewilligung vom Aus- und Umbauten am Ober- und Dachgeschoß vorgenommen worden. Am sei dafür eine Benützungsbewilligung erteilt worden. Der Einwand, dass die Wohnungen bereits seit 1939 bestünden, könne anhand der Akten nicht nachvollzogen werden. Vielmehr werde in einem Protokoll über eine am durchgeführte Nachbeschau das Obergeschoß mit einem Bewertungsfaktor 0,5 und somit nicht als Wohnfläche ausgewiesen.

5 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision, in der die Revisionswerber beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen Ersatz der Kosten aufzuheben.

6 Das gemäß Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG iVm § 9 Verwaltungsgerichtsbarkeit-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) an die Stelle der belangten Behörde in das Verfahren eingetretene Landesverwaltungsgericht legte die Akten vor und beantragte, die Revision gegen Ersatz der Kosten als unbegründet abzuweisen.

7 Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Für die Behandlung der vorliegenden Revision gelten die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß mit einer nur für Revisionen gegen Bescheide unabhängiger Behörden geltenden und daher hier nicht relevanten Maßgabe (§ 4 Abs 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG). Es war daher im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, ob eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

9 Die im Revisionsfall anzuwendenden Bestimmungen des Burgenländischen Kanalabgabengesetzes - KAbG, LGBl Nr 41/1984 (§ 5 Abs 1 und 2 idF LGBl Nr 37/1990), lauten wie folgt:

"...

2. Abschnitt

Kanalisationsbeiträge

§ 2

Allgemeines

...

(7) Das Recht, die Kanalisationsbeiträge festzusetzen, verjährt binnen fünf Jahren.

...

§ 5

Anschlußbeitrag

(1) Für jene Anschlußgrundfläche bzw. Teile der Anschlußgrundfläche, für die eine Anschlußverpflichtung oder eine Anschlußbewilligung rechtskräftig ausgesprochen wurde, ist ein Anschlußbeitrag zu erheben.

(2) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe der in Z. 1 und Z. 2 genannten, mit dem Bewertungsfaktor vervielfachten Flächen.


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Bewertungsfaktor


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1.
Bebaute Fläche:
0,5
Als bebaute Fläche gilt die von Gebäude und überdachten Bauwerken bedeckte bzw. überdeckte Grundfläche ...
Ausmaß der bebauten Fläche
2.
Nutzfläche:
Für die Berechnung dieser Fläche in Gebäuden ist die Grundfläche des Mauerwerks, das die Nutzfläche umgibt, einzubeziehen. Sind in demselben Gebäude in einem Geschoß Nutzflächen mit verschiedenen Bewertungsfaktoren zu berücksichtigen, dann ist die zwischen diesen Nutzflächen liegende Mauerfläche je mit ihrem halben Ausmaß den beiden Flächen zuzuschlagen.
Nicht mitzurechnen sind:
Keller- und Dachbodenräume, die ihrer Ausstattung nach nicht für die unter lit. a bis lit. l genannten Zwecke geeignet sind;


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a)
Wohnungen:
Ausmaß der der Unterkunft und Haushaltsführung von Menschen dienenden Gebäudefläche. Dazu zählen insbesondere Wohn- und Schlafräume, Küchen, Sanitärräume, Speis, Vorräume, Stiegenhäuser, Bäder, Waschküchen
1
l)
Sonstige nicht gesondert angeführte Räumlichkeiten aller Art (Verkaufsräume, Werkstätten, Arbeits , Amts , Lager , Büro- und Kanzleiräume, Garagen, gelegentlich genützte Veranstaltungsräume), Räumlichkeiten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und sonstige dem Aufenthalt von Personen dienende Räumlichkeiten:
Ausmaß der Gebäudefläche
0,5

(3) Der Abgabenanspruch entsteht mit der Rechtskraft des Anschlußbescheides bzw. der Anschlußbewilligung.

...

§ 7

Ergänzungsbeitrag

(1) Wenn sich die Berechnungsfläche, die für die Bemessung des Anschlußbeitrages (§ 5) maßgeblich war oder im Falle eines verjährten Abgabenanspruches maßgeblich gewesen wäre, ändert, ist ein Ergänzungsbeitrag zum Anschlußbeitrag zu erheben.

(2) Die Höhe des Ergänzungsbeitrages ist nach den Bestimmungen der §§ 3 und 5 unter Zugrundelegung des Ausmaßes der zusätzlichen Berechnungsfläche zu bemessen.

(3) Der Abgabenanspruch entsteht mit Rechtskraft der baurechtlichen Benützungsbewilligung, wenn jedoch eine solche nicht erforderlich ist, mit der Vollendung des Vorhabens, das eine Änderung nach Abs. 1 bewirkt.

..."

10 Im Revisionsfall ist die Burgenländische Gemeindeordnung, LGBl Nr 55/2003 (WV) idF vor dem Burgenländischen Landesverwaltungsgerichtsbarkeits-Begleitgesetz - Bgld LVwgBG, LGBl Nr 79/2013, anzuwenden (vgl § 99 Abs 2 Bgld GemO idF durch Art 24 Bgld LVwBG). Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in einer aus dem Vollzugsbereich des Landes stammenden Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, konnte daher gemäß § 84 Abs 1 leg cit nach Erschöpfung des Instanzenzugs Vorstellung an die zuständige Aufsichtsbehörde erheben. Gemäß § 84 Abs 5 leg cit hatte die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt wurden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Die Gemeinde war bei ihrer neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden (§ 84 Abs 6 leg cit).

11 Den revisionswerbenden Parteien wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom die Bewilligung zum Umbau eines ehemaligen Zollhauses (im Verwaltungsverfahren als Haus 1 bezeichnet) erteilt. Die diesbezügliche Benützungsfreigabe ist mit Bescheid vom erfolgt. Es ist unstrittig, dass es auf Grund dieser baulichen Maßnahmen zu einer Vergrößerung der Berechnungsfläche des Hauses 1 gekommen ist. Strittig ist ausschließlich das Ausmaß dieser Vergrößerung.

12 Die revisionswerbenden Parteien bringen vor, die Wohnung ("Wohnung 3") im Obergeschoß des Hauses 1 habe bereits seit 1939 bestanden. Sie hätten die Liegenschaft 1996 in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben. In einem dafür erstellten Wertermittlungsgutachten sei die "Wohnung 3" auch als Wohnung ausgewiesen worden. Dasselbe sei auch im Einreichplan des Jahres 2000 betreffend den Bestand vor dem gegenständlichen Umbau geschehen. Hinsichtlich der "Wohnung 3" stehe daher der Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages der Umstand der Verjährung entgegen.

13 Nach § 7 Abs 1 KAbG ist ein Ergänzungsbeitrag zu erheben, wenn sich die Berechnungsfläche einer Anschlussgrundfläche (iSd § 1 Abs 4 Bgld Kanalanschlußgesetzes 1989), für die eine Anschlussverpflichtung oder eine Anschlussbewilligung ausgesprochen wurde, ändert. Die Änderung kann durch bauliche Maßnahmen, die zu einer Vergrößerung der Berechnungsfläche führen, erfolgen oder durch Nutzungsänderungen, die die Gemeinde zur Anwendung eines höheren Bewertungsfaktors berechtigen.

14 Gemäß § 7 Abs 3 KAbgG entsteht der Abgabenanspruch mit Rechtskraft der baurechtlichen Benützungsbewilligung, worunter im Bereich des Bgld BauG die Rechtskraft der Erteilung der Benützungsfreigabe zu verstehen ist (vgl ), oder mit der Vollendung des Vorhabens, wenn eine solche Bewilligung nicht erforderlich ist.

15 Das Ausmaß der Änderung der Berechnungsfläche ergibt sich durch den Vergleich der im Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruchs bestehenden Berechnungsfläche mit jener Berechnungsfläche, die für die Bemessung des Anschlussbeitrages maßgeblich war oder im Falle der Verjährung maßgeblich gewesen wäre, wobei auch alle nachfolgenden Änderungen, die zu einer Vergrößerung der Berechnungsfläche geführt haben, zu berücksichtigen sind und zwar unabhängig davon, ob für diese Änderungen tatsächlich Ergänzungsbeiträge vorgeschrieben wurden.

16 Auf welche Weise diese zwischenzeitlichen Vergrößerungen zu berücksichtigen sind, hängt davon ab, ob das Recht, dafür einen Ergänzungsbeitrag vorzuschreiben, bereits verjährt ist. Für Vergrößerungen der Berechnungsfläche können nur dann Ergänzungsbeiträge festgesetzt werden, wenn das diesbezügliche Recht noch nicht verjährt ist. Bereits verjährte Ansprüche an Ergänzungsbeiträgen können aus Anlass einer neuerlichen Vergrößerung der Berechnungsfläche nicht nachgeholt werden. Sie sind vielmehr bei der Ermittlung des späteren, nicht verjährten Ergänzungsbeitrages als "Altbestand" zu berücksichtigen.

17 Im Revisionsfall hat die mitbeteiligte Gemeinde (nicht näher dargestellte) bewilligungspflichtige bauliche Maßnahmen zum Anlass für die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages genommen. Weder die Bescheide der Abgabenbehörden noch der angefochtene Bescheid enthalten konkrete Feststellungen darüber, welcher Sachverhalt der Vorschreibung dieser Abgabe zugrunde gelegt wurde. Insbesondere fehlen Feststellungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs, über den "Altbestand", also den Bestand vor den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Änderungen, sowie über Art und Umfang der baulichen Maßnahmen oder Nutzungsänderungen, die nach Auffassung der Behörden zur Vergrößerung der Berechnungsfläche des Hauses 1 geführt haben. Solche Feststellungen wären aber insbesondere im Hinblick auf das bereits im Berufungsverfahren erstattete Vorbringen der revisionswerbenden Parteien erforderlich gewesen, wonach im Obergeschoß bereits lange vor den gegenständlichen Umbaumaßnahmen eine Wohnung, also eine der Unterkunft und Haushaltsführung von Menschen dienende Gebäudefläche (vgl § 5 Abs 2 Z 2 lit a KAbG), bestanden habe. Der bloße Hinweis im angefochtenen Bescheid, es sei 1991 bei einer Nachschau das Obergeschoß mit einem Bewertungsfaktor 0,5 (und nicht mit 1) bewertet worden, vermag konkrete Feststellungen, von welchem "Altbestand" bei der 18 Jahre später erfolgten Abgabenbemessung ausgegangen wurde, und welche Änderungen der Abgabenbemessung zugrunde gelegt wurden, nicht zu ersetzen.

18 Aufgrund der angeführten fehlenden Feststellungen entzieht sich der angefochtene Bescheid der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof. Selbst ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift der mitbeteiligten Gemeinde vermögen fehlende Feststellungen in den Abgabenbescheiden und im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen (, mwN).

19 Indem die belangte Behörde aufgrund ihrer unrichtigen Rechtsansicht weder den Berufungsbescheid wegen unterlassener Feststellungen aufgehoben noch selbst die erforderlichen Feststellungen getroffen hat (vgl , und vom , 2004/17/0204), belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

20 Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Revisionsfall noch anwendbaren VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455 (§ 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr 8/2014).

Wien, am