TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 05.05.2011, 2011/22/0058

VwGH vom 05.05.2011, 2011/22/0058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des A O in S, vertreten durch Mag. Andreas Köttl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Platzl 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom , Zl. E1/13/4/2010, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen marokkanischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

In der Bescheidbegründung verwies sie auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom wegen des Verbrechens der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 1 StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 und 2 StGB, des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung gemäß § 15, § 105 Abs. 1 und § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 18 Monate bedingt nachgesehen, und legte die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Tathandlungen dar. Demnach habe der Beschwerdeführer zwischen September 2009 und seine Ehefrau wiederholt geschlagen, zur Vornahme bzw. Duldung des Beischlafs genötigt und durch Vorhalten eines Messers und die Drohung, sie umzubringen bzw. zu verbrennen, wiederholt (teilweise fernmündlich) gefährlich mit dem Tode bedroht.

Durch dieses - im angefochtenen Bescheid detailliert dargestellte - kriminelle und brutale Tatverhalten des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde - würden die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FPG eindeutig erfüllt. Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet gefährde aus sicherheits- und fremdenpolizeilicher Sicht auf Grund der Wiederholungsgefahr derartiger Straftaten massiv die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit. Dem Urteil sei eine rücksichtslose und massive Missachtung der österreichischen Rechtsordnung, insbesondere ein fehlendes Schutzdenken gegenüber der körperlichen Unversehrtheit Dritter, zu entnehmen. Auf Grund der Massivität und Brutalität der begangenen Rechtsverletzungen sei eine besondere Gefährlichkeit des Beschwerdeführers anzunehmen, zumal überhaupt keine Einsicht wahrzunehmen sei.

Der volljährige Beschwerdeführer befinde sich seit 2005 im österreichischen Bundesgebiet und sei seit 2007 mit einer Marokkanerin verheiratet. Diese Beziehung werde jedoch durch die Vorfälle im Zeitraum zwischen September und Dezember 2009 massiv beeinträchtigt. Der Beschwerdeführer sei seit dem verschiedenen Tätigkeiten als Arbeiter nachgegangen, zwischen und habe er Arbeitslosengeld bzw. Krankengeld bezogen. Dadurch habe er seine "Selbsterhaltungsunfähigkeit unter Beweis" gestellt. Erst seit gehe er wieder durchgehend einer erlaubten Beschäftigung nach. "Mangels ausreichender beruflicher Integration" werde durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in sein berufliches Fortkommen nicht eingegriffen. Die zuletzt erteilte Niederlassungsbewilligung sei am abgelaufen, wobei fristgerecht ein Verlängerungsantrag gestellt worden sei. Zwischen und habe sich der Beschwerdeführer in der Justizanstalt Salzburg befunden.

Der Beschwerdeführer habe zwischen und in Salzburg mit seiner Ehefrau ein Familienleben geführt. Aus diesem nur viermonatigen Zusammenleben sei jedoch ein längerfristiges und stabiles Familienleben im Sinn der EMRK nicht ableitbar. Darüber hinaus sei dieses Zusammenleben durch die massiven Drohungen gegen seine Ehefrau jäh unterbrochen worden. Diese Umstände sprächen jedenfalls nicht für das Vorliegen eines aktuellen Familienlebens im Sinn der EMRK sowie für ein "stark integriertes Privatleben", weil die vom Beschwerdeführer ausgeübten Beschäftigungen nur sporadisch gewesen seien und diese Umstände die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls zulässig machten.

Dem Akteninhalt seien zwar "private oder familiäre" Bindungen zu Österreich zu entnehmen, diese würden jedoch dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer 24- monatigen teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, sich am österreichischen Arbeitsmarkt nicht ausreichend habe integrieren können und ein "aktuelles Familienleben" nicht vorliege. Der Grad seiner sonstigen Integration in Österreich werde als nicht ausreichend beurteilt, um die belangte Behörde von der Erlassung eines zeitlich unbefristeten Aufenthaltsverbotes abzuhalten. Der Beschwerdeführer sei auf Grund seiner Volljährigkeit als selbsterhaltungsfähig einzustufen und in der Lage, allfällige soziale Kontakte in Marokko wieder herzustellen.

Auf Grund der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers erfolge kein (unverhältnismäßiger) Eingriff im Sinn des § 66 FPG sowie Art. 8 EMRK, und die "einzuhaltenden" öffentlichen Interessen seien den privaten Interessen des Beschwerdeführers bei weitem überzuordnen.

Zur Dauer des Aufenthaltsverbotes führte die belangte Behörde aus, dass auf Grund der gegen den Beschwerdeführer ergangenen rechtskräftigen Verurteilung die Voraussetzungen zur Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegeben seien. Es sei jedenfalls nicht vorhersehbar, wann die von ihm ausgehende Gefahr wegfallen werde bzw. wieder eine positive Zukunftsprognose erstellt werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestritten rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der Verbrechen der Vergewaltigung und der schweren Nötigung sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung ist auch die weitere behördliche Ansicht, dass mit Blick auf das festgestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers die Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde bringt in Bezug auf § 66 FPG u.a. vor, außer der Ehefrau des Beschwerdeführers halte sich seine gesamte restliche Familie in Österreich auf. Konkret seien das sein Vater, dem am die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei, seine Mutter und alle Brüder. Die ganze Familie habe vor geraumer Zeit ihren Lebensmittelpunkt von Marokko nach Österreich verlegt. Eine Bindung an die alte Heimat bestehe demnach nicht mehr. Als wesentlicher Verfahrensmangel werde gerügt, dass die belangte Behörde gänzlich ohne Begründung Beweisanträge des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen habe. Trotz eines entsprechenden Antrages seien die Zeugen E, A, B und H sowie Frau M, alle unter einer näher genannten Adresse wohnhaft, sowie eines informierten Vertreters der S Betriebsgesellschaft mbH, unter näher angegebener Adresse, ohne Begründung nicht vernommen worden. Die Vernehmung dieser Zeugen hätte ergeben, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers bei weitem schwerer wögen als die allenfalls entgegenstehenden öffentlichen Interessen.

Sofern die Beschwerde eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin erblickt, dass die belangte Behörde die Vernehmung der namhaft gemachten Zeugen unterlassen habe, ist ihr zu entgegnen, dass in der Berufung als Beweisthema dafür lediglich vorgebracht wurde, die genannten Personen könnten "allesamt das Ausmaß der (beim Beschwerdeführer) gegebenen weitgehenden Integration in Österreich" bezeugen. Damit wurden jedoch als Beweisthema keine konkreten Tatsachen anführt, deren Vorliegen durch die Vernehmung der genannten Zeugen erwiesen werden sollten. Auch die Beschwerde behauptet nur allgemein, "dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Gegenstand bei weitem schwerer wiegen als die allenfalls entgegenstehenden öffentlichen Interessen". Dadurch wird jedoch nicht dargelegt, welche Feststellungen die ergänzende Beweisaufnahme konkret ermöglicht hätte. Es fehlt daher jedenfalls die Darlegung der Relevanz des Unterbleibens der Zeugenbefragung für den Ausgang des Verfahrens.

Bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Oktober 2005 und seine zeitweise Berufstätigkeit berücksichtigt. Die familiären Bindungen zu seiner Ehefrau durfte sie auf Grund der Vorfälle, die Gegenstand der strafgerichtlichen Verurteilung waren, zutreffend als stark relativiert ansehen. Zu Recht hat die belangte Behörde auch darauf hingewiesen, dass die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers in ihrer sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten stark gemindert ist.

Den genannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die aus seinem brutalen Tatverhalten und der häufigen Tatwiederholung resultierende große Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, insbesondere von Delikten gegen die körperliche Integrität anderer, gegenüber. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in Anbetracht der vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechen und Vergehen dringend geboten und auch im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässig sei, kann auch dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man berücksichtigt, dass sich auch seine Eltern, mit denen er seit seiner Entlassung aus der Haft wieder im gemeinsamen Haushalt lebt, und seine Geschwister im Bundesgebiet aufhalten.

Soweit der Beschwerdeführer, der erst im Alter von 26 Jahren nach Österreich gekommen ist, vorbringt, er habe in seinem Heimatstaat weder Familie noch Freunde und eine Abschiebung würde "de facto den Entzug jeglicher wie auch immer gearteter Lebensgrundlage bedeuten", so ist ihm zu erwidern, dass er die mit der Rückkehr in sein Heimatland verbundenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen hat.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am