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VwGH vom 10.06.2009, 2007/08/0343

VwGH vom 10.06.2009, 2007/08/0343

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des F in M, vertreten durch Mag. Arno Casati, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 18-20, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2007, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht seit 1998 laufend im Bezug von Leistungen nach dem AlVG.

Mit E-Mail vom informierte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt das Arbeitsmarktservice Niederösterreich, Regionale Geschäftsstelle Wiener Neustadt (in der Folge: AMS Wiener Neustadt), dass der Beschwerdeführer neben einem Pensionsvorschuss ein Einkommen von der M GmbH & Co KG beziehe. Aus den beigeschlossenen Abrechnungen ergebe sich, dass er von bis sowie laufend seit bei der M GmbH & Co KG beschäftigt sei.

In einer vom AMS Wiener Neustadt am aufgenommenen Niederschrift erklärte der Beschwerdeführer im Wesentlichen, er sei nicht bei der M GmbH & Co KG beschäftigt, sondern sei nur für seine Gattin tätig; er beziehe kein Entgelt von der M GmbH & Co KG.

Aus von der M GmbH & Co KG vorgelegten Aufzeichnungen ("Jahreskonto") ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2002 als "Werkvertragspartner" der M GmbH & Co KG insgesamt EUR 6.648,50 bezogen hat.

Laut seinem Einkommensteuerbescheid des Finanzamts Neunkirchen/Wiener Neustadt für das Jahr 2002 vom erzielte der Beschwerdeführer im Jahr 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von EUR 6.409,96. Nach Abzug des Pauschbetrages für Sonderausgaben in der Höhe von EUR 60,- wurde das Einkommen des Beschwerdeführers mit EUR 6.349,96 festgestellt. In der Begründung des Einkommensteuerbescheids findet sich der Hinweis, dass die Besteuerungsgrundlage wegen Nichtabgabe der Steuererklärung gemäß § 184 BAO im Schätzwege ermittelt worden sei.

Mit Schreiben vom forderte das AMS Wiener Neustadt den Beschwerdeführer zu einer persönlichen Vorsprache am zur Klärung seines Anspruchs auf Notstandshilfe auf. Aus dem Ausdruck eines Eintrages im elektronischen Akt des Beschwerdeführers vom geht hervor, dass der Beschwerdeführer zu diesem Termin nicht erschienen ist.

Mit Bescheid des AMS Wiener Neustadt vom wurde der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Jänner bis widerrufen und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von EUR 3.007,60 verpflichtet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze bezogen und dies dem AMS nicht gemeldet.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er im Jahre 2002 kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielt habe. Da er keine Unterstützung seitens des AMS bei der Arbeitssuche erhalten habe, habe er notgedrungen die schlecht bezahlte Tätigkeit bei der M GmbH & Co KG annehmen müssen. Dies habe er auch bei einer seiner Vorsprachen dem AMS mitgeteilt. Er habe im Jahr 2002 durch die Tätigkeit "Aufwendungen von 6528,86 EUR für Km-Geld" gehabt, da er

17.364 km mit dem Auto zurückgelegt habe, weshalb er auch kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze habe erzielen können.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Begründend führte sie dazu nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, dass hinsichtlich der Höhe des erzielten Einkommens im gegenständlichen Zeitraum gemäß § 36a AlVG der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 zu Grunde zu legen sei. Das durch zwölf dividierte Jahreseinkommen des Beschwerdeführers übersteige die (monatliche) Geringfügigkeitsgrenze. Er sei daher nicht arbeitslos gewesen, weshalb der Bezug der Notstandshilfe zu widerrufen gewesen sei. Der Rückforderungstatbestand "Verschweigung maßgebender Tatsachen" sei erfüllt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe im Rahmen einer Vorsprache die Tätigkeit für die M GmbH & Co KG gemeldet, sei als Schutzbehauptung zu werten, da eine solche Meldung nicht aus der Aktenlage hervorgehe. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer in Leistungsanträgen weder seine Tätigkeit noch sein eigenes Einkommen oder das seiner Gattin angegeben. Auch habe er noch im Zuge der Erhebungen seine Tätigkeit bei der M GmbH & Co KG bestritten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG (das AlVG in der jeweils zeitraumbezogen im Jahr 2002 geltenden Fassung) gilt insbesondere nicht als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist.

Gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG gilt als arbeitslos jedoch, wer selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a AlVG erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b AlVG erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt.

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Der Empfänger einer Leistung aus dem AlVG ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.

§ 36a AlVG lautet auszugsweise:

"(1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5), und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.

(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs. 4. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 des Einkommenssteuergesetzes 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Die Winterfeiertagsvergütung gemäß § 13j Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt außer Betracht. Bezüge aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie aus einer Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sind nur zur Hälfte zu berücksichtigen.

...

(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:

1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;

...

(7) Als monatliches Einkommen gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag.

..."

Gemäß § 38 AlVG sind auf die Notstandshilfe die genannten Bestimmungen über das Arbeitslosengeld sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ist, wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.

Die im § 36a Abs. 5 Z. 1 AlVG enthaltene Anordnung, dass das Einkommen durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides nachzuweisen ist, bedeutet eine zwecks Erleichterung des praktischen Vollzuges angeordnete Bindung der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung an das Einkommensteuerrecht, wobei das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen insoweit heranzuziehen ist, als es aus Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, d.h. aus den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 2 und 3 EStG 1988, resultiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0191, mwN).

Da das im Einkommensteuerbescheid des Beschwerdeführers für das Jahr 2002 ausgewiesene und für das Arbeitsmarktservice somit bindend festgestellte Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze lag, erfolgte der Widerruf der Notstandshilfe zu Recht.

Der Empfänger einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung hat gemäß § 50 Abs. 1 AlVG die Aufnahme jeder Beschäftigung zu melden. Dies selbst dann, wenn nach Auffassung des Leistungsempfängers diese Tätigkeit den Leistungsanspruch nicht zu beeinflussen vermag. Die Beurteilung, ob diese Beschäftigung als geringfügig zu werten ist und daher durch die Aufnahme der Beschäftigung der Zustand der Arbeitslosigkeit nicht beseitigt wurde, kann nicht dem Empfänger des Bezuges anheim gestellt sein; diese Beurteilung unterliegt ausschließlich der Behörde (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).

Eine der Voraussetzungen für die Rückforderung gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist der Umstand der Verschweigung einer für den Leistungsanspruch maßgebenden Tatsache (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0112, mwN).

Die belangte Behörde hat den Behauptungen des Beschwerdeführers, er habe seine Tätigkeit für die M GesmbH & Co KG gemeldet, keinen Glauben geschenkt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit zu beurteilen, d.

h. sie mit der Begründung verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründet wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0305, mwN).

Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, er habe das AMS Wiener Neustadt unverzüglich im Rahmen einer Vorsprache über die Tätigkeit für die M GmbH & Co KG informiert, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund des Fehlens eines entsprechenden Hinweises im Verwaltungsakt sowie auf Grund von unvollständigen Angaben und des dagegen sprechenden Verhaltens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren davon ausging, dass es sich hierbei um eine Schutzbehauptung handle.

Das Vorbringen in der Beschwerde, dass der Beschwerdeführer ein (gemeinsam mit der Beschwerde vorgelegtes) mit datiertes Schriftstück ("Fax"; ein Sendenachweis wurde allerdings nicht beigeschlossen) unverzüglich an das AMS Wiener Neustadt gerichtet habe, um seine (geringfügige) Beschäftigung bei der M GmbH & Co KG zu melden, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar.

Dadurch, dass der Beschwerdeführer somit die Meldung einer Beschäftigung unterließ, verletzte er die ihn gemäß § 50 Abs. 1 AlVG treffende Verpflichtung, deshalb die Rückforderung der empfangenen Notstandshilfe zulässigerweise auf § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG gestützt werden konnte (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom ).

Im Übrigen wären im vorliegenden Fall auf Grund der im Einkommensteuerbescheid des Beschwerdeführers für das Jahr 2002 bindend festgestellten Einkommenshöhe auch die Voraussetzungen des verschuldensunabhängigen Rückforderungstatbestandes gemäß § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG erfüllt.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am