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VwGH vom 16.10.2014, Ra 2014/21/0039

VwGH vom 16.10.2014, Ra 2014/21/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des H G in W, vertreten durch Mag. Arthur Machac, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/32, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , G306 2008214-1/2E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein laut seinen Angaben seit etwa Anfang 2011 in Österreich durchgehend aufhältiger spanischer Staatsangehöriger, wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wegen Straftaten nach dem SMG - vorschriftswidriges Überlassen von Kokain in einem insgesamt die Grenzmenge übersteigenden Ausmaß, nämlich 4,2 Gramm am an eine registrierte Vertrauensperson und am im Zusammenwirken mit einem Mittäter 158,6 Gramm an einen verdeckten Ermittler, sowie Erwerb und Besitz einer geringen Menge (2,3 Gramm) Marihuana ausschließlich zum persönlichen Gebrauch im August 2013 - zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten (davon 12 Monate bedingt nachgesehen) rechtskräftig verurteilt.

Im Hinblick auf diese Straftaten verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom - unter gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) vorgenommener Einräumung eines Durchsetzungsaufschubes im gesetzlichen Ausmaß - gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Der gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom insofern Folge, als dessen Dauer auf drei Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Unter einem sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Gegenschriften wurden nicht erstattet - erwogen hat:

1.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

1.2. Das BVwG begründete seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision im Wesentlichen damit, dass die in Art. 133 Abs. 4 B-VG normierten Voraussetzungen im gegenständlichen Fall nicht vorlägen. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung seien weder in der Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die herangezogene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie sei jedoch auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Dem hält die Revision insbesondere entgegen, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, und zwar einerseits, weil es bei der Gefährdungsprognose nicht ausschließlich auf das persönliche Verhalten des Revisionswerbers abgestellt, und andererseits, weil es zu Unrecht von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe.

1.3. Damit wird im Ergebnis zutreffend geltend gemacht, dass die Revision entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des BVwG zulässig ist; sie ist auch berechtigt.

2.1. Das BFA und das BVwG sind davon ausgegangen, dass es sich beim Revisionswerber um einen EWR-Bürger iSd § 67 Abs. 1 FPG handelt. Demnach wäre gegen ihn die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/21/0039, Punkt 3. der Entscheidungsgründe; siehe beispielsweise auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0101, jeweils mwN).

2.2. Das BFA traf in seinem Bescheid zu den dem Revisionswerber zur Last liegenden Straftaten nur Feststellungen, die dem ihn betreffenden Spruch des Strafurteiles folgen. Dem Gerichtsurteil sei zu entnehmen, dass der Revisionswerber die Straftaten mit Vorsatz und zum Teil als Mittäter begangen habe. Ergänzend stellte das BFA dann noch fest, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sei bei der Strafbemessung erschwerend angerechnet worden. Die über einen Zeitraum von einem Monat durchgeführten strafbaren Handlungen zeigten die äußerst geringe Wertschätzung gegenüber den österreichischen Rechtsvorschriften. Da der Revisionswerber derzeit über keine Barmittel verfüge, liege der Verdacht nahe, dass er durch den Suchgifthandel seinen Lebensunterhalt habe finanzieren wollen. Das der Verurteilung zugrunde liegende persönliche Verhalten des Revisionswerbers stelle daher - so das BFA schlussfolgernd - eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die dem Grundinteresse der Gesellschaft zuwiderlaufe.

Diesbezüglich führte der Revisionswerber in der Beschwerde ins Treffen, er sei bisher nicht straffällig gewesen und zu den gegenständlichen kriminellen Handlungen verleitet worden. Er habe sich in der Hauptverhandlung "vollinhaltlich geständig" verantwortet und Reue gezeigt. Er sei (Ende Jänner 2014) bedingt aus der Strafhaft mit der Weisung entlassen worden, sich einer Suchttherapie zu unterziehen und eine Arbeitsplatzbestätigung vorzulegen. Seit damals befinde sich der Revisionswerber in einer Therapie bei einem näher genannten Verein und er habe auch eine "regelmäßige" Arbeitsstelle gefunden. Er verfüge daher nicht nur über eine berufliche Bindung, sondern es zeige sich auch, dass die Gerichtsentscheidung "als Sanktion" von ihm ernst genommen werde und er den Weisungen des Gerichtes pünktlich und verlässlich nachkomme. Das BFA habe es bei seiner Entscheidung vollkommen unterlassen, das "Nachtatverhalten im Rahmen der bedingten Entlassung" zu berücksichtigen.

Ungeachtet dieses Einwandes hat sich das BVwG in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisse mit diesem Vorbringen in der Beschwerde, das schon bei der Darstellung ihres Inhaltes nur unvollständig wiedergegeben wurde, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Darüber hinaus finden die in diesem Zusammenhang vom BVwG angestellten Überlegungen, dem Revisionswerber sei "bei jedem Verkauf bewusst (gewesen), dass durch die wiederkehrende Überlassung von für sich genommen kleinen Mengen diese in Summe die Grenzmenge übersteigen", und er habe "fortlaufend" Suchtgift verkauft, in der Tatbeschreibung des Strafurteilsspruchs - mag das Strafgericht auch einen ähnlichen Begründungsduktus verwendet haben - keine Deckung.

2.3. Damit belastete das BVwG sein Erkenntnis vor dem Hintergrund der in Punkt 2.1. dargestellten Rechtslage mit einem Begründungsmangel, bei dessen Vermeidung es - insbesondere auch unter Berücksichtigung von familiären Bindungen in Form einer aufrechten Lebensgemeinschaft (dazu sogleich) - bei der Gefährdungsprognose zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Das macht die Revision im Ergebnis zu Recht geltend.

3.1.1. Ein gegenüber einem Unionsbürger erlassenes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG stellt auch eine Ausweisungsentscheidung im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG) dar. Insofern wurde mit § 67 FPG (ebenso wie mit der Vorgängerbestimmung des § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011) Richtlinienrecht umgesetzt. Mit der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes wurde daher in "Durchführung des Rechts der Union" im Sinne des Art. 51 Abs. 1 der Grundrechte-Charta (GRC) gehandelt. Ausgehend davon hat das BVwG auch zutreffend auf Art. 47 Abs. 2 GRC Bedacht genommen, nach dessen erstem Satz "jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird". Demnach bestand - wie das BVwG auch erkannte - für das vorliegende fremdenpolizeiliche Beschwerdeverfahren grundsätzlich ein Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, deren Abhaltung in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid auch ausdrücklich beantragt worden war.

3.1.2. Einschränkungen der damit korrespondierenden Verhandlungspflicht ergeben sich im nationalen Recht einerseits aus § 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), der dem bis zum Ablauf des in Geltung gestandenen § 67d AVG weitgehend entspricht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/20/0017, 0018, Punkt 3.1.) und andererseits aus § 9 Abs. 5 FPG (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0066, mwN, dessen Überlegungen sich auch auf die geltende Rechtslage übertragen lassen; siehe daran anschließend etwa auch noch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0135). Ausnahmefälle von der Verhandlungspflicht, wie sie in § 24 Abs. 2 oder 5 VwGVG oder in § 9 Abs. 5 FPG normiert sind, stehen fallbezogen aber nicht zur Debatte, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

3.1.3. Für den Anwendungsbereich der vom BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) erfassten Verfahren enthält allerdings die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG, die der bloß als subsidiär anwendbar ausgestalteten Norm des § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht, seit noch eigene Regelungen, wann - auch: trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann (vgl. Punkt 3.2. des schon genannten Erkenntnisses vom , Ra 2014/20/0017, 0018). Das ist dann der Fall, "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht." Diese Bestimmung war gemäß § 1 iVm § 3 Abs. 2 Z 4 BFA-VG auch im vorliegenden Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem

8. Hauptstück des FPG anzuwenden.

In seinem Erkenntnis vom , Zl. U 466/11 u.a., VfSlg. 19.632, hat sich der Verfassungsgerichtshof mit der (im Verhältnis zu § 21 Abs. 7 BFA-VG inhaltlich gleichlautenden) Vorgängerregelung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung mit der GRC näher befasst und ist zu dem Ergebnis gekommen, das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Dem folgt der Verwaltungsgerichtshof auch für § 21 Abs. 7 BFA-VG (so der Sache nach auch schon im bereits erwähnten Erkenntnis vom , Ra 2014/20/0017, 0018; vgl. idS zum inhaltlich ähnlichen § 83 Abs. 2 Z 1 FPG idF vor dem FNG-Anpassungsgesetz das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/21/0047; siehe ebenso zu § 9 Abs. 7 FPG a. F. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0278).

Mit der Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG hat sich der Verwaltungsgerichtshof in dem schon mehrfach genannten Erkenntnis vom , Ra 2014/20/0017, 0018, ausführlich befasst und er ist im Punkt 5.12. der Entscheidungsgründe, auf die im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, in Bezug auf die Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" zu dem zusammenfassenden Ergebnis gekommen, dass folgende Kriterien beachtlich seien:

"Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

3.2.1. Der Revisionswerber wurde vor der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides während der Anhaltung in Untersuchungshaft am niederschriftlich befragt und er hat dabei zu seinen persönlichen Verhältnissen angegeben, er sei geschieden und habe keine Sorgepflichten. Seine Eltern lebten in Venezuela, in Österreich bestünden "keine familiären Bindungen". Das BFA traf sodann in seinem Bescheid vom diesen Angaben entsprechende Feststellungen und es ging insbesondere (wiederholt) vom Fehlen familiärer Bindungen aus.

In der Beschwerde brachte der Revisionswerber dann unter diesem Gesichtspunkt vor, er verfüge nicht nur über eine aufrechte Lebensgemeinschaft in Österreich, sondern "auch Teile seiner Familie" befänden sich hier, sodass familiäre Bindungen in Österreich bestünden. Zum Beweis für dieses Vorbringen beantragte er unter genauer Adressangabe die Vernehmung von zwei Personen mit demselben Familiennamen wie der Revisionswerber sowie die Vernehmung von "C. S., pA Beschwerdeführer".

Das BVwG bezog sich in der diesbezüglichen Begründung auf die Angaben des Revisionswerbers in der Vernehmung am , weshalb "private und familiäre Interessen" an einem Verbleib in Österreich bei der nach § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung nicht zu berücksichtigen seien. Der Revisionswerber habe zwar - so das BVwG weiter - in seiner Beschwerde drei Personen angeführt, die Teil seiner Familie seien und in Österreich lebten, er gehe jedoch "in keinster Weise" darauf ein, "um welches verwandtschaftliche Verhältnis es sich handelt". Das Unterbleiben der beantragten Verhandlung begründete das BVwG dann noch mit § 21 Abs. 7 BFA-VG, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine.

3.2.2. Abgesehen davon, dass diese kursorischen Ausführungen keine ordnungsgemäße Interessenabwägung unter Bedachtnahme auf alle Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG darstellen, greifen sie jedenfalls in Bezug auf die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Lebensgemeinschaft zu kurz. Diesbezüglich war nämlich auch nach dem (wenig detaillierten) Beschwerdevorbringen völlig klar, "um welches verwandtschaftliche Verhältnis" es sich handelt und es war deutlich genug, dass jene Person, die als Zeugin unter der Adresse des Revisionswerbers geladen werden sollte, seine Lebensgefährtin ist. Demzufolge durfte das BVwG in Bezug auf die Frage, ob der Revisionswerber entgegen der Annahme des BFA über relevante familiäre Bindungen in Österreich verfüge, am Maßstab der oben dargestellten Rechtsprechung nicht von einem im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärten Sachverhalt ausgehen. Die in diesem Zusammenhang erfolgte Bezugnahme des BVwG auf das dem erstinstanzlichen Bescheid vorangegangene "umfassende Ermittlungsverfahren" lässt nämlich zu Unrecht das dessen Ergebnis entgegenstehende und insoweit auch ausreichend substantiierte Vorbringen in der Beschwerde zum Bestehen einer aufrechten Lebensgemeinschaft außer Acht. Davon, dass dieses Vorbringen iSd § 20 Abs. 1 BFA-VG nicht zulässig gewesen sei, ist das BVwG auch nicht ausgegangen. Demzufolge hätte es - wie die Revision zutreffend geltend macht - nicht von der Durchführung der ausdrücklich beantragten Verhandlung absehen dürfen.

Im Übrigen hat der Revisionswerber in der Beschwerde auch in Bezug auf die Gefährdungsprognose einen über das Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens hinaus gehenden Sachverhalt vorgebracht (vgl. oben Punkt 2.2.), sodass auch unter diesem Gesichtspunkt vom BVwG eine Verhandlung durchzuführen gewesen wäre. Außerdem ist in diesem Zusammenhang noch einmal auf die besondere Bedeutung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hinzuweisen (vgl. etwa das schon zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl 2011/21/0278; siehe idS auch zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0198).

4.1. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte schon gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 5 VwGG abgesehen werden.

4.2. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. In den dort angeführten Pauschalbeträgen ist die Umsatzsteuer bereits enthalten, sodass das Mehrbegehren auf deren gesonderten Zuspruch abzuweisen war.

Wien, am