VwGH vom 15.12.2016, Ro 2014/17/0002

VwGH vom 15.12.2016, Ro 2014/17/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätin Mag.a Dr. Zehetner als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der S M GmbH in K, vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Dr.-Koss-Straße 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , BMLFUW-LE.4.3.2/0055-I/2/2011, betreffend Agrarmarketingbeiträge für Wein, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem am der Rechtsvorgängerin der revisionswerbenden Partei zugestellten angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich I der Agrarmarkt Austria vom betreffend die Vorschreibung von Agrarmarketingbeiträgen für die Verbringung von zugekauftem Wein ins Ausland für drei Quartale des Jahres 2009 und das "1. Quartal 2007" (richtig nach dem Inhalt des vorgelegten Aktes: für alle vier Quartale des Jahres 2010) samt einem Erhöhungsbetrag als unbegründet abgewiesen.

2 Begründend verwies die belangte Behörde insbesondere auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge der Begriff des Inverkehrbringens im AMA-Gesetz 1992 sehr weit gefasst sei. Es bestünden nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts auch keine unionsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der einschlägigen Abgabentatbestände des AMA-Gesetzes 1992. § 21b Z 16 AMA-Gesetz 1992 unterscheide zwei Fälle, und zwar das erstmalige Inverkehrbringen von Wein, der in Behältnissen mit einem Inhalt bis zu 50 l abgefüllt sei, und andererseits das Verbringen von Wein außerhalb des Bundesgebiets in Behältnissen mit einem Inhalt über 50 l. Der Einwand der revisionswerbenden Partei, der "Transport offen im Tankzug" könne nicht mit "Abfüllen" gleichgesetzt werden, könne nicht nachvollzogen werden. Die Beitragspflicht entstehe im Zeitpunkt des Verbringens oder des Exportes von Wein im Tank und erlösche auch nicht, wenn der Grundwein "zB als Sekt wieder reimportiert" werde.

Nach näherer Auseinandersetzung mit Einwänden in der Berufung hinsichtlich der Art der Durchführung der Werbung für Wein und unionsrechtlichen Bedenken im Lichte des Beihilfenrechts der Union begründete die belangte Behörde die Vorschreibung des Erhöhungsbetrages gemäß § 21g Abs 3 AMA-Gesetz 1992.

3 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die revisionswerbende Partei beruft sich insbesondere auf Art 25 EG (nunmehr Art 30 AEUV) und ein Gutachten von Univ-Prof DDr. E und Ass-Prof Dr. H zur Frage der Vereinbarkeit des § 21b Z 16 iVm § 21c AMA-Gesetz 1992 mit Unionsrecht.

4 Das gemäß Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG ins Verfahren eingetretene Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 Die vorliegende Revision wurde am und damit rechtzeitig gemäß § 4 Abs 1 VwGbk-ÜG, BGBl I Nr 33/2013, eingebracht. Gemäß § 4 Abs 5 letzter Satz VwGbk-ÜG gelten für die Revision gegen eine Entscheidung eines Bundesministers, der keine unabhängige Verwaltungsbehörde oder Behörde gemäß Art 20 Abs 2 Z 2 oder 3 B-VG ist, die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht. Für die Behandlung der Revision gelten nach § 4 Abs 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung.

6 Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des AMA-Gesetzes 1992, BGBl Nr 376 in der Fassung BGBl I Nr 55/2007, lauten auszugsweise:

" Begriffsbestimmungen

§ 21b. Im Sinne dieses Abschnitts sind:

...

15. Wein: Tafelwein, Landwein und Qualitätswein im Sinne

des Weingesetzes 1999, BGBl. I Nr. 141/1999;

16. Erstmaliges Inverkehrbringen von Wein:

a) Zukauf von Wein in Behältnissen mit einem Inhalt über

50 Liter samt Abfüllung dieses zugekauften Weines in Behältnissen

mit einem Inhalt bis zu 50 Liter oder

b) Erzeugung von Wein aus zugekauften Trauben samt

Abfüllung dieses aus zugekauften Trauben erzeugten Weines in

Behältnissen mit einem Inhalt bis zu 50 Liter oder

c) Verbringung oder Export dieses zugekauften oder aus

zugekauften Trauben erzeugten Weines in Behältnissen mit einem

Inhalt über 50 Liter außerhalb des Bundesgebietes.

Beitragsgegenstand

§ 21c. (1) Bei

1. ...

...

9. erstmaligem Inverkehrbringen von Wein in Behältnissen

mit einem Inhalt bis zu 50 Liter sowie in Behältnissen mit einem Inhalt über 50 Liter, soweit diese außerhalb des Bundesgebietes verbracht werden,

ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen ein Beitrag zu

entrichten."

"Beitragserklärung

§ 21g. (1) Der Beitragsschuldner hat bis zu dem in § 21f Abs. 2 oder 3 genannten Termin unter Verwendung eines hiefür von der AMA aufgelegten Vordrucks eine Beitragserklärung einzureichen, in der er (...) den für die jeweils vorangehenden drei Monate zu entrichtenden Beitrag selbst zu berechnen hat.

(2) Wird der Beitrag vom Beitragsschuldner nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in der richtigen Höhe entrichtet, so hat die AMA den Beitrag mit Bescheid vorzuschreiben.

(3) Stellt die AMA fest, dass der Beitrag nicht oder nicht in der richtigen Höhe entrichtet wurde, kann sie eine Erhöhung bis zum Zweifachen des Beitrags vorschreiben. Bei der Festsetzung dieser Erhöhung ist zu berücksichtigen, inwieweit dem Beitragsschuldner bei Beachtung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Beitragsschuld zugemutet werden konnte und die Nichtentrichtung oder nicht richtige Entrichtung erstmalig oder wiederholt erfolgt ist. Bei verspäteter Entrichtung kann die AMA, soweit es im Einzelfall keine unbillige Härte bedeutet, Säumniszuschläge vorschreiben."

7 Gemäß Art 25 EG (nunmehr Art 30 AEUV) sind "Ein- und

Ausfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung ... zwischen den

Mitgliedstaaten verboten. Dieses Verbot gilt auch für Finanzzölle".

8 Im Beschwerdefall ist strittig, ob eine uneingeschränkte Abgabenpflicht von Weinexport ungeachtet späterer Verarbeitungsschritte im Ausland nach dem AMA-Gesetz 1992 besteht, oder ob dann, wenn diese Verarbeitungsschritte im Inlandsfall eine Beitragspflicht ausschließen würden, eine derartige abgabenrechtliche Belastung gegen Art 25 EG verstoßen würde.

9 Wie der Verwaltungsgerichtshof hiezu in seinem Erkenntnis vom , 2009/17/0278, ausgeführt hat, lässt das nationale Recht eine unionsrechtskonforme Auslegung dahingehend zu, dass das AMA-Gesetz 1992 auch bei der Verbringung von Wein ins Ausland dann keine Beitragspflicht auslöst, wenn die verbrachte Flüssigkeit gar nicht zur Abfüllung als "Tafelwein, Landwein und Qualitätswein im Sinne des Weingesetzes 1999, BGBl I Nr 141/1999" bestimmt ist. Gemäß § 43 Abs 2 VwGG wird auf die näheren Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Es besteht daher kein Raum für eine Beitragserhebung, wenn die Verbringung von Wein ins Ausland nachweisbar zu solchen Zwecken erfolgt, die im Inland nicht beitragspflichtig wären, also wenn der Wein etwa zur Essig- oder Sektproduktion bestimmt ist.

10 Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, wenn sie unter ausschließlicher Bezugnahme auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor dem genannten Erkenntnis vom von der Abgabepflicht auch in Fällen ausgegangen ist, die im Falle der Verarbeitung im Inland wegen Nichterfüllung des Tatbestandes nicht der Beitragspflicht unterlägen. Mangels Feststellungen zu den Zwecken der Verbringung des Weins ins Ausland decken die Feststellungen der belangten Behörde die Annahme der Beitragspflicht im vorliegenden Fall nicht. Die belangte Behörde hat den mit Revision bekämpften Bescheid daher mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.

Da die Vorschreibung eines Erhöhungsbetrages gemäß § 21g Abs 3 AMA-Gesetz 1992 voraussetzt, dass der Beitrag nicht oder nicht in der richtigen Höhe entrichtet wurde, entfällt mit der Aufhebung der Beitragsvorschreibung auch die Grundlage für die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Vorschreibung des Erhöhungsbetrages.

11 Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen näher einzugehen war.

12 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

13 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 in der Fassung BGBl II Nr 8/2014, noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am