VwGH vom 24.11.2010, 2007/08/0333

VwGH vom 24.11.2010, 2007/08/0333

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der J GmbH in F, vertreten durch Dr. Hannes Grabher und Dr. Gerhard Müller, Rechtsanwälte in 6890 Lustenau, Maria-Theresien-Straße 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMSK-326350/0001- II/A/3/2007, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. I B in D;


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2.
Vorarlberger Gebietskrankenkasse in 6850 Dornbirn, Jahngasse 4;
3.
Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass E.B. (der am bei einem Arbeitsunfall verstorbene Ehemann der Erstmitbeteiligten) hinsichtlich seiner Tätigkeit für die beschwerdeführende Partei in der Zeit vom 15. Februar bis der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG sowie § 2 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen folgenden Sachverhalt fest (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Die (beschwerdeführende Partei) hat im Kalenderjahr 2005 fünf Excenterpressen nach mehrjähriger Verwendung in ausländischen Sub-Betrieben zurückgenommen.

In der Folge stellte sich die Frage, wie diese Maschinen überholt und wieder betriebstüchtig gemacht werden konnten. Verschiedene Dienstnehmer der (beschwerdeführenden Partei), darunter u.a. auch Herr D.K., seines Zeichens Produktionsleiter der (beschwerdeführenden Partei), erinnerten sich aus ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit der inzwischen geschlossenen Firma L. an zwei ehemalige Mitarbeiter dieser Firma. Dabei handelte es sich zum einen um Herrn K.A., der dort für die Instandhaltung der Elektronik verantwortlich war, und zum anderen eben um Herrn E.B., der mit der Führung der betriebsinternen Schlosserei beauftragt war. In der Folge wurden der Letztgenannte vom Geschäftsführer der (beschwerdeführenden Partei), Herrn Mag. D.W., mit der Überholung, Aufstellung und Anschließung der Excenterpressen beauftragt. Vor diesem Hintergrund fand in der ersten Kalenderwoche des Jahres 2006 eine gemeinsame Besichtigung der Maschinen und der Örtlichkeiten statt, mit dem Ergebnis, dass vier der Maschinen von Herrn K.A. und Herrn E.B. überholt und aufgestellt werden sollten. Vereinbart wurde eine Abrechnung gegen Vorlage von Stundenaufzeichnungen, wobei Herr E.B. mit den mechanischen und Herr K.A. mit den elektronischen Arbeiten beauftragt wurden. Mit den diesbezüglichen Überholungsarbeiten wurde im Februar 2006 begonnen, in deren Verlauf Herr E.B. am einen tödlichen Arbeitsunfall erlitten hat. Zum Unfallzeitpunkt am waren schon drei Maschinen voll betriebsbereit.

Über Ersuchen der Vorarlberger Gebietskrankenkasse beurteilte das Finanzamt F in einem Schreiben vom die Tätigkeit von Herrn E.B. für die (beschwerdeführende Partei) in verfahrensgegenständlichem Zeitraum als der Lohnsteuerpflicht gemäß § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 unterliegend.

In einer in der Folge bei der (beschwerdeführenden Partei) durchgeführten GPLA-Prüfung (gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben), für den Zeitraum bis , hat das Finanzamt F, die an die im Prüfbericht erfassten Dienstnehmer geleisteten Zahlungen als Arbeitslohn im Sinne des § 25 Z. 1 lit. a EStG angesehen (darunter auch die Tätigkeit von Herrn E.B. in verfahrensgegenständlichem Zeitraum) und mit Haftungs- und Abgabenbescheiden vom der (beschwerdeführenden Partei) die entsprechenden Lohnabgaben vorgeschrieben. Dagegen wurde seitens der (beschwerdeführenden Partei) keine Berufung erhoben und sind diese Haftungs- und Abgabenbescheide (jeweils für die Kalenderjahre 2004, 2005 und Jänner bis (gemeint wohl: 2006)) somit in Rechtskraft erwachsen."

Beweiswürdigend legte die belangte Behörde dazu dar, dass sich der festgestellte Sachverhalt aus den Verwaltungs- und Versicherungsakten, insbesondere aus den Haftungs- und Abgabenbescheiden, samt dem dazugehörigen Prüfbericht des Finanzamtes F vom ergebe und im Übrigen nicht strittig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass gemäß der Neuregelung des § 4 Abs. 2 letzter Satz ASVG (ab ) in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung der 55. ASVG-Novelle als Dienstnehmer jedenfalls auch gelte, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig sei. Durch diesen Verweis im ASVG auf die entsprechenden Bestimmungen im Einkommensteuergesetz solle sichergestellt werden, dass jeder lohnsteuerpflichtige Erwerbstätige Dienstnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinn sei. Die Frage der Lohnsteuerpflicht sei für die Beurteilung der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 2 ASVG eine grundsätzlich von den zuständigen Finanzbehörden zu beurteilende Vorfrage. Mittels eines Haftungs- und Abgabenbescheides des Finanzamtes F vom auf Grund einer durchgeführten Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum Jänner bis Juli 2006 sei die Frage der Lohnsteuerpflicht u.a. für die Beschäftigung des Dienstnehmers E.B. bei der beschwerdeführenden Partei als Dienstgeber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bejaht worden. Dieser Abgabenhaftungsbescheid sei laut Auskunft des Finanzamtes F in Rechtskraft erwachsen. Hier sei der Haftungsbescheid in Zusammenschau mit dem Prüfbericht zu sehen. Die belangte Behörde sei gemäß § 38 AVG an die Entscheidung des Finanzamtes F gebunden, da die Vorfrage der Lohnsteuerpflicht von der zuständigen Behörde als Hauptfrage bereits rechtskräftig entschieden worden ist. Eine eigene Beurteilung durch die belangte Behörde sei nicht mehr zulässig. Schon auf Grund der im vorliegenden Fall bestehenden Lohnsteuerpflicht sei die Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 erster Satz ASVG festzustellen gewesen. Dem Einwand der beschwerdeführenden Partei in deren Eingabe vom , wonach aus dem Bericht des Finanzamtes F vom (Seite 2) ersichtlich sei, dass für E.B. eben keine Lohnsteuerpflicht (0,00) festgestellt worden sei, hielt die belangte Behörde entgegen, dass - wenngleich es zu keiner Lohnsteuernachforderung gekommen sei - aus dem Bescheid in Zusammenschau mit dem Bericht und der Eintragung "L" wie Lohnsteuerpflicht bei der Abgabenart (AA) ersichtlich sei, dass grundsätzlich Lohnsteuerpflicht bestanden habe. Im Übrigen habe das Finanzamt F auch den Dienstgeberbeitrag (EUR 113,83) sowie einen Zuschlag (EUR 9,86) in der Nachforderung veranschlagt (vgl. die Haftungs- und Abgabenbescheide, samt dem dazugehörigen Prüfbericht des Finanzamtes F vom ). Den Dienstgeberbeitrag gemäß § 41 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 sowie den damit einzuhebenden Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag gemäß § 122 Wirtschaftskammergesetz 1998 hätten alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen, jedoch - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in deren Gegenschrift - beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt hat in ihrer Gegenschrift beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 132/2005, lautet (auszugsweise) :

"§ 4. (1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet:

1. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer;

...

(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der

Erwerbstätigkeit überwiegen. ... Als Dienstnehmer gilt jedenfalls

auch, wer gemäß § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um

1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit. a oder b EStG 1988 oder

2. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen"

§ 47 Abs. 1 und Abs. 2 EStG lautete für den hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum (auszugsweise) folgendermaßen:

"§ 47. (1) Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§ 81) des Arbeitgebers besteht. Arbeitnehmer ist eine natürliche Person, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Arbeitgeber ist, wer Arbeitslohn im Sinne des § 25 auszahlt. ...

(2) Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Dienstverhältnis ist weiters dann anzunehmen, wenn bei einer Person, die an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich im Sinne des § 22 Z 2 beteiligt ist, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b vorliegen. Ein Dienstverhältnis ist weiters bei Personen anzunehmen, die Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 beziehen."

2. In der Beschwerde wird zusammengefasst eingewendet, dass der Haftungs- und Abgabenbescheid des Finanzamtes F vom keine Bindungswirkung für das gegenständliche Verfahren entfalten könne, da weder im Spruch noch in der Begründung über das Vorliegen eines Dienstverhältnisses bzw. den Umstand, ob E.B. Arbeitnehmer sei, abgesprochen worden sei. Die belangte Behörde hätte daher selbst als Vorfrage klären müssen, ob hinsichtlich E.B. eine Lohnsteuerpflicht gemäß § 47 EStG vorgelegen sei. Im Anschluss daran legt die beschwerdeführende Partei ihre Argumente dar, weshalb die Tätigkeit von E.B. als in Erfüllung eines Werkvertrages zu sehen sei, und rügt dazu die unterlassene Einvernahme namentlich genannter Personen sowie das Fehlen von konkreten Sachverhaltsfeststellungen zu den von ihr ins Treffen geführten Tätigkeitsmerkmalen von E.B.

3. Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Wie die belangte Behörde bereits aufgezeigt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 4 Abs. 2 letzter Satz ASVG ausgesprochen, dass die wesentliche Bedeutung dieser Verweisung auf Vorschriften des Einkommensteuergesetzes darin liegt, dass für jene Zeiträume, für welche die Lohnsteuerpflicht der betreffenden Person nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 mit Bescheid der Finanzbehörde festgestellt ist, damit jedenfalls auch die Sozialversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 erster Satz ASVG bindend feststeht; gleichgültig ob ein solcher bindender Hauptfragenbescheid (im Sinne eines Feststellungsbescheides) vorliegt oder ob die Behörde auf dem Wege einer Vorfragenlösung zur Bejahung dieser Frage gelangt, ist (arg.: "jedenfalls" in § 4 Abs. 2 zweiter Satz ASVG) schon deshalb auch die Versicherungspflicht zu bejahen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/08/0264, und vom , Zl. 2004/08/0066).

Unstrittig ist, dass im rechtskräftigen Haftungs- und Abgabenbescheid des Finanzamtes F vom ausgesprochen wurde, dass die beschwerdeführende Partei für den Zeitraum "01 bis 07/2006" als Arbeitgeber gemäß § 82 EStG für die "Einhaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden lohnabhängigen Abgaben" hinsichtlich der für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag ausgewiesenen Beträge in Anspruch genommen wurde. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, dass die Festsetzung auf Grund der durchgeführten Lohnsteuerprüfung erfolgt sei.

In dem ebenso in den Verwaltungsakten einliegenden Bericht zur "Lohnsteuerprüfung 2001 bis 2006" bei der beschwerdeführenden Partei wird u.a. die Frage der Lohnsteuerpflicht für die Beschäftigung des Dienstnehmers E.B. hinsichtlich des Zeitraumes 15. Februar bis bejaht. Von der beschwerdeführenden Partei wird auch nicht behauptet, dass sie diesen Prüfergebnissen entgegengetreten wäre, sondern vielmehr außer Streit gestellt, dass sie (den darauf aufbauenden) Haftungs- und Abgabenbescheid unbekämpft gelassen hat.

Durch Übernahme dieser Prüfergebnisse hat das Finanzamt F im Haftungs- und Abgabenbescheid vom erkennbar auch über die notwendige Vorfrage, ob Lohnsteuerpflicht im Sinn des § 47 Abs. 1 und 2 EStG bezüglich der davon umfassten Dienstnehmer, darunter auch von E.B. im gegenständlichen Zeitraum, entschieden. Damit kommt diesem rechtskräftigen Bescheid auch hinsichtlich dieser Vorfragenentscheidung Bindungswirkung für die gegenständliche sozialversicherungsrechtliche Prüfung im Hinblick auf § 4 Abs. 2 ASVG zu (das Vorliegen von Ausnahmen im Sinne von § 4 Abs. 2 Z. 1 und 2 leg. cit. wurde weder behauptet, noch gab es dafür Anhaltspunkte).

Da somit schon auf Grund der im vorliegenden Fall bestehenden Lohnsteuerpflicht die Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG zutreffend festgestellt wurde, braucht auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen zu werden.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war der begehrte Schriftsatzaufwand mangels Einbringung durch einen Rechtsanwalt nicht zuzuerkennen.

Wien, am