VwGH vom 26.01.2010, 2009/11/0237

VwGH vom 26.01.2010, 2009/11/0237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall sowie die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl, Mag. Samm und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der T Z in N, vertreten durch Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom , Zl. BHBL-VI-1100.01-2009/0056, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Suchtmittelgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist nach dem aktenkundigen Bericht des Bezirkspolizeikommandos Bludenz an die Staatsanwaltschaft Feldkirch vom eines Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG) verdächtig. In diesem Bericht wird sie beschuldigt, Cannabisprodukte in einer unbestimmten Menge und einem unbestimmten Zeitraum an einem unbestimmten Ort erworben, besessen und konsumiert zu haben. Als Beweismittel für den Tatvorwurf wird das Ergebnis einer Untersuchung des gerichtsmedizinischen Institutes Innsbruck angeführt, wonach in einer Blut- und Harnprobe (die bei der Beschwerdeführerin im Rahmen anhängiger Ermittlungen bezüglich fahrlässiger Körperverletzung im Straßenverkehr und Imstichlassen eines Verletzten erfolgt sei) das Vorhandensein von THC festgestellt worden sei.

In der Folge wurde die Beschwerdeführerin von der Behörde mit Bescheid vom zum Zweck der amtsärztlichen Untersuchung wegen Übertretung des Suchtmittelgesetzes gemäß § 12 SMG vorgeladen; dem hat die Beschwerdeführerin (laut Beschwerde) nicht Folge geleistet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ladungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Androhung einer Zwangsstrafe aufgefordert, am persönlich bei der belangten Behörde zu erscheinen. Als Grund der Ladung wurde neuerlich "amtsärztliche Untersuchung wegen Übertretung des Suchtmittelgesetzes gemäß § 12 SMG" angeführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangten Behörde erwogen hat:

In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin im Recht, nur bei Vorliegen einer rechtlich tragfähigen Grundlage geladen zu werden, verletzt. Hinsichtlich des Sachverhaltes wird in der Beschwerde ausdrücklich zugestanden, dass gegenständlich ein "aktueller Konsum" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung zu § 12 Abs. 1 SMG "zweifelsohne vorliegt". Im Weiteren vertritt die Beschwerdeführerin zusammengefasst den Rechtsstandpunkt, gegenständlich liege ein Fall des § 35 Abs. 4 SMG vor, somit ein Fall, in dem die Staatsanwaltschaft - ohne vorherige Einholung einer Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde - von der Verfolgung der Straftat nach § 27 SMG vorläufig zurückgetreten sei. Von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 SMG sei deshalb auszugehen, weil die Beschwerdeführerin lediglich verdächtig sei, einmal Cannabis zum persönlichen Gebrauch besessen zu haben. Wenn aber die Staatsanwaltschaft ohne Stellungnahme der Gesundheitsbehörde von der Verfolgung der Tat zurücktrete, dann sei es nach Ansicht der Beschwerdeführerin unzulässig, wenn die Gesundheitsbehörde von sich aus die betreffende Person einer Begutachtung durch den Arzt im Sinne des § 12 Abs. 1 SMG zuführe.

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes (SMG) lauten auszugsweise:

"Gesundheitsbezogene Maßnahmen bei Suchtgiftmissbrauch

§ 11. (1) Personen, die wegen Suchtgiftmissbrauchs oder der Gewöhnung an Suchtgift gesundheitsbezogener Maßnahmen gemäß Abs. 2 bedürfen, haben sich den notwendigen und zweckmäßigen, ihnen nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen. Bei Minderjährigen haben die Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten im Rahmen ihrer Pflicht zur Pflege und Erziehung dafür zu sorgen, dass sie sich solchen Maßnahmen unterziehen.

(2) Gesundheitsbezogene Maßnahmen sind


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
die ärztliche Überwachung des Gesundheitszustands,
2.
die ärztliche Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung,
3.
die klinisch-psychologische Beratung und Betreuung,
4.
die Psychotherapie sowie
5.
die psychosoziale Beratung und Betreuung
durch qualifizierte und mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertraute Personen.
...

§ 12. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine Person Suchtgift missbraucht, so hat sie die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde der Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinischpsychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammenzuarbeiten hat, zuzuführen. Die Person hat sich den hiefür notwendigen Untersuchungen zu unterziehen.

(2) Ergibt die Begutachtung, dass eine gesundheitsbezogene Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 notwendig ist, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darauf hinzuwirken, dass sich die Person einer solchen zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen Maßnahme unterzieht. ...

...

§ 14. (1) Steht eine Person, die Suchtgift missbraucht, im Verdacht, eine Straftat nach § 27 Abs. 1 oder 2 begangen zu haben, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde nur dann Strafanzeige zu erstatten, wenn sich die Person den notwendigen, zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen gemäß § 11 Abs. 2 nicht unterzieht. Besteht Grund zur Annahme, dass die Voraussetzungen des § 35 vorliegen, so hat sie statt einer Strafanzeige sogleich eine Stellungnahme nach § 35 Abs. 3 Z 2 zu erstatten.

(2) Die Sicherheitsbehörden haben der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde die von ihnen wegen des Verdachts einer Straftat nach den §§ 27, 28 oder 28a an die Staatsanwaltschaft erstatteten Berichte unverzüglich mitzuteilen.

...

Vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft

§ 35. (1) Die Staatsanwaltschaft hat unter den in den Abs. 3 bis 7 genannten Voraussetzungen und Bedingungen von der Verfolgung einer Straftat nach den §§ 27 Abs. 1 und 2 oder 30, die ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden ist, ohne dass der Beschuldigte daraus einen Vorteil gezogen hat, unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig zurückzutreten.

...

(3) Ein vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung setzt voraus, dass

1. eine Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend im Sinne des § 26 und

2. eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darüber eingeholt worden sind, ob der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 bedarf, um welche Maßnahme es sich gegebenenfalls handeln soll, ob eine solche Maßnahme zweckmäßig, ihm nach den Umständen möglich und zumutbar und nicht offenbar aussichtslos ist.

(4) Die Staatsanwaltschaft kann von der Einholung einer Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde absehen, wenn der Beschuldigte ausschließlich deshalb verfolgt wird, weil er

1. Stoffe oder Zubereitungen aus der Cannabispflanze, die in § 27 Abs. 1 Z 3 genannten Pilze oder einen psychotropen Stoff zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben, besessen, erzeugt, befördert, eingeführt oder ausgeführt oder einem anderen ausschließlich für dessen persönlichen Gebrauch angeboten, überlassen oder verschafft habe, ohne daraus einen Vorteil zu ziehen, oder

2. die in § 27 Abs. 1 Z 2 und 3 genannten Pflanzen oder Pilze zum Zweck der Gewinnung oder des Missbrauchs von Suchtgift ausschließlich für den persönlichen Gebrauch oder persönlichen Gebrauch eines anderen angebaut habe,

und wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme bedarf. Eine Stellungnahme ist jedoch einzuholen, wenn gegen den Beschuldigten innerhalb der letzten fünf Jahre vor diesem Strafverfahren bereits ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat nach den §§ 27 bis 31a geführt wurde.

(5) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat vor Abgabe ihrer Stellungnahme die Begutachtung des Beschuldigten durch einen mit Fragen des Suchtmittelmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinischpsychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammenzuarbeiten hat, zu veranlassen.

..."

Zunächst ist der Beschwerde entgegen zu halten, dass gegen die Beschwerdeführerin nicht bloß der Verdacht des einmaligen Cannabisbesitzes zum persönlichen Gebrauch besteht. Nach der wiedergegebenen Aktenlage bezieht sich dieser Verdacht auf eine unbestimmte Menge Cannabis, die die Beschwerdeführerin in einem unbestimmten Zeitraum erworben, besessen und konsumiert habe.

Davon abgesehen liegt ein Fall des § 35 Abs. 4 SMG gegenständlich nicht vor. Vielmehr hat die Staatsanwaltschaft Feldkirch - wie die Aktenlage zeigt - eine "Anfrage nach § 35 Abs. 3 Z. 2 SMG" an die belangte Behörde gerichtet. Darin ist der Verdacht der Begehung einer Straftat gemäß § 94 Abs. 1 StGB und § 27 SMG durch die Beschwerdeführerin festgehalten und vor allem das Ersuchen an die Bezirksverwaltungsbehörde, auf Grund der Ergebnisse einer ärztlichen Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtmittelmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt Stellung zu nehmen, ob die Beschwerdeführerin einer gesundheitsbezogenen Maßnahme nach § 11 Abs. 2 SMG bedürfe.

Zwar konnte diese Anfrage der Staatsanwaltschaft, die vom stammt, anders als die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, im vorliegenden Fall noch keine Grundlage (§ 35 Abs. 3 und 5 SMG) für den angefochtenen Ladungsbescheid zum Zwecke der amtsärztlichen Untersuchung bilden, weil sie erst nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangen ist.

Auf Grund dieser Anfrage der Staatsanwaltschaft steht allerdings fest, dass gegenständlich ein Fall des § 35 Abs. 4 SMG, also ein Fall, in dem die Staatsanwaltschaft von der Strafverfolgung ohne Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde zurück tritt, nicht vorliegt. Schon deshalb gehen die rechtlichen Überlegungen der Beschwerdeführerin, in einem Fall des § 35 Abs. 4 SMG sei ein Ladungsbescheid gemäß § 12 Abs. 1 SMG unzulässig, gegenständlich ins Leere.

Im Übrigen erschöpft sich das Beschwerdevorbringen im Hinweis, dass die vorliegende Beschwerde jener gleicht, die zur hg. Zl. 2009/11/0061 protokolliert wurde. Dem ist entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnisses vom , Zl. 2009/11/0061, einen Ladungsbescheid deshalb aufgehoben hat, weil infolge des Zeitabstandes zwischen dem verdachtsbegründenden Vorfall und der Ladung nicht mehr von einem aktuellen Suchtmittelmissbrauch ausgegangen werden konnte. Dies trifft auf den gegenständlichen Fall nicht zu, weil (abgesehen davon, dass die verdachtsauslösende Harn- und Blutprobe nach der Beschwerde vom stammt), die Beschwerde selbst einen "aktuellen Konsum" zugesteht.

Da dem angefochtenen Bescheid demnach die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am