VwGH vom 30.06.2010, 2007/08/0330
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2007/08/0331 E
2007/08/0332 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des HS in H, vertreten durch Olsacher Gradnitzer Rechtsanwälte OG in 9800 Spittal/Drau, Burgplatz 6/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zl. 14-SV- 3151/3/06, betreffend Beitragsgrundlagen nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern in 1031 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer führt einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb einschließlich Pachtflächen auf eigene Rechnung und Gefahr. Unstrittig ist, dass die monatliche Beitragsgrundlage für diese Flächen (ausgehend von einem Einheitswert von EUR 400,-- für Eigengrund und EUR 1.200,-- für Pachtgrund) im Jahr 2004 EUR 227,85 betragen hat. Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer im Kalenderjahr 2004 auch land(forst)wirtschaftliche Nebentätigkeiten als Holzakkordant für das Forstgut W. ausgeübt und dafür laut Mitteilung des Forstgutes an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt EUR 9.401,20 ausbezahlt erhalten, wovon auf reine Arbeitsleistung EUR 3.006,78 sowie auf Maschinenkosten EUR 6.394,42 entfielen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde für den Beschwerdeführer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung der Bauern für die Zeit vom bis eine monatliche Beitragsgrundlage von EUR 583,48 festgestellt.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde zunächst im Rahmen der Darlegung des Verfahrensganges aus, dass das Verfahren auf Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom ausgesetzt worden sei, da zur Entscheidung der Rechtsfrage über die sozialversicherungsrechtliche Berechung der Beitragsgrundlage hinsichtlich der land- und forstwirtschaftlichen Nebentätigkeiten mehrere gleich gelagerte Einspruchsverfahren anhängig gewesen seien und die Klärung eines Musterfalles abgewartet werden sollte.
Neben Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen setzte die belangte Behörde - soweit für den Beschwerdefall von Relevanz - im Wesentlichen fort, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. G 3/07, die Wortfolge "3.2. und" im § 294 Abs. 3 BSVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2004 - SRÄG 2004, BGBl. I Nr. 105/2004, als verfassungswidrig aufgehoben habe. Mit dem (weiteren) Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, habe der Verfassungsgerichtshof lediglich für Anlassfälle verfügt, dass Vorgängerbestimmungen nicht zur Anwendung kommen. Nicht hingegen habe er damit ausgesprochen, dass über die Anlassfallwirkung hinaus auch andere bei den Unterbehörden anhängige Verfahren in den Genuss der Anlassfallwirkung kommen. Dem gegenständlichen Verfahren komme durch dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes keine Anlassfallwirkung zu.
Davon ausgehend, dass die Tätigkeiten des Beschwerdeführers in der forstwirtschaftlichen Nebentätigkeit mit Verrechnung der eigenen Arbeitskraft erbracht wurden und daher die Einnahmen gemäß § 20a BSVG auch aufzuzeichnen und nach § 23 Abs. 4b leg. cit. bei der Bildung der Beitragsgrundlage zu berücksichtigen gewesen sind, errechnete die belangte Behörde hinsichtlich der Einnahmen aus der Holzakkordantentätigkeit (Mannstunden inkl. Maschineneinsatz von insgesamt EUR 9.401,20 - davon 30% gemäß § 23 Abs. 4b BSVG) eine monatliche Beitragsgrundlage von EUR 235,03 und ergänzte, dass durch dessen Zusammenrechnung mit dem sich aus dem Flächenbetrieb ergebenden Versicherungswert von EUR 227,85 die im Jahr 2004 geltende monatliche Mindestbeitragsgrundlage von EUR 583,48 nicht überschritten werde; als monatliche Beitragsgrundlage für das Jahr 2004 sei somit die erwähnte Mindestbeitragsgrundlage heranzuziehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des zweitinstanzlichen Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG sind in der Kranken- und in der Pensionsversicherung natürliche Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des LAG führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird, versichert. Die Pflichtversicherung erstreckt sich nach Maßgabe der Anlage 2 zum BSVG auch auf (unter anderem) "persönliche Dienstleistungen mit oder ohne Betriebsmittel für andere land(forst)wirtschaftliche Betriebe einschließlich der Tätigkeit als Betriebshelfer/in im Rahmen eines Maschinen- und Betriebshilferinges sowie als Holzakkordant/in" (Punkt 3.2. der Anlage). In diesen Fällen ist nach § 23 Abs. 4b leg. cit. die Beitragsgrundlage auf Basis von 30% der sich aus den Aufzeichnungen nach § 20a ergebenden Einnahmen (inkl. Umsatzsteuer) aus diesen Tätigkeiten zu ermitteln. Jeweils ein Zwölftel hievon gilt als monatliche Beitragsgrundlage; werden hingegen Tätigkeiten unterjährig begonnen oder eingestellt, so sind die maßgeblichen Einnahmen auf die Monate der tatsächlichen Ausübung umzulegen.
Die Z. 3.2.1 der Anlage 2 zum BSVG hatte zunächst (idF der 23. Novelle zum BSVG) bestimmt, dass "Dienstleistungen mit oder ohne Betriebsmittel für andere land(forst)wirtschaftliche Betriebe einschließlich der Tätigkeit als Betriebshelfer im Rahmen eines Maschinen- und Betriebshilferinges sowie als Holzakkordant, sofern die Einnahmen aus diesen Tätigkeiten S 330.000,-- nicht übersteigen" als land(forst)wirtschaftliche Nebentätigkeiten im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 1 letzter Satz BSVG vom Einheits- bzw. Versicherungswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (§ 23 Abs. 1 Z 1 BSVG) umfasst sind. Sofern die Einnahmen diese Summen überstiegen, war für diese Nebentätigkeiten (schon idF der 23. Novelle zum BSVG) eine gesonderte Beitragsgrundlage nach § 23 Abs. 1 Z. 3 BSVG zu bilden (Z 3.2.2 der Anlage 2 zum BSVG).
Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2004 - SRÄG 2004, BGBl. I Nr. 105/2004, wurden diese beiden Ziffern in der Anlage 2 zum BSVG durch die Z. 3.2 ersetzt, wonach nunmehr unter Wegfall der Freigrenze für "persönliche Dienstleistungen mit oder ohne Betriebsmittel für andere land(forst)wirtschaftliche Betriebe einschließlich der Tätigkeit als Betriebshelfer/in im Rahmen eines Maschinen- und Betriebshilferinges sowie als Holzakkordant/in" eine gesonderte Beitragsgrundlage nach § 23 Abs. 1 Z. 3 BSVG zu bilden ist.
Des Weiteren wurde mit dem SRÄG 2004 § 20a BSVG ein zweiter Satz angefügt, sodass diese Bestimmung wie folgt lautete:
"§ 20a. Die im § 2 Abs. 1 Z 1 genannten Personen haben die zur Ermittlung der Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 4b erforderlichen Aufzeichnungen über die Einnahmen aus den entsprechenden Tätigkeiten zu führen. Einnahmen aus Dienstleistungen, die auf Selbstkostenbasis und ohne Verrechnung der eigenen Arbeitskraft erbracht werden, und aus Vermietungen im Rahmen der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit sind von der Aufzeichnungspflicht ausgenommen."
Diese Änderungen der Anlage 2 zum BSVG und des § 20a leg. cit. sind mit in Kraft getreten (§ 294 Abs. 1 Z. 3 BSVG). Hinsichtlich ihrer Anwendung bestimmte der - durch Z. 8 der Kundmachung betreffend die Berichtigung von Verlautbarungen im Bundesgesetzblatt BGBl. I 119/2004, berichtigte - § 294 Abs. 3 BSVG:
"Die §§ 20a, 20b, 23 Abs. c lit. a, 30 Abs. 1 sowie die Z 3.2 und 5 in der Anlage 2 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 105/2004 sind erstmals für das Beitragsjahr 2004 anzuwenden."
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg.Nr. 18137/2007, wurde die Wortfolge "3.2. und" in § 294 Abs. 3 des BSVG - BGBl. Nr. 559/1978 idF des SRÄG 2004, BGBl. I Nr. 105/2004 und der Kundmachung betreffend die Berichtigung von Verlautbarungen im Bundesgesetzblatt, BGBl. I Nr. 119/2004, als verfassungswidrig aufgehoben. Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.
Im vorliegenden Fall wendet sich der Beschwerdeführer ausschließlich dagegen, dass die belangte Behörde verneint hat, dass das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auch hier zum Tragen komme.
Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.
Der Beschwerdeführer verkennt, dass der Verfassungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis nicht ausgesprochen hat, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.
Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis im Recht, wenn sie die aufgehobene Bestimmung auf den vorliegenden, vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestand anwendet und daher auch die gegenständlichen Einnahmen aus der Holzakkordantentätigkeit als Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1 Z. 3 BSVG neben dem Versicherungswert nach § 23 Abs. 1 Z. 1 BSVG heranzieht. Gegen die rechnerische Ermittlung der daraus resultierenden monatlichen Beitragsgrundlage für das Beitragsjahr 2004 wurde in der Beschwerde nichts eingewendet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am