VwGH vom 25.04.2016, Ro 2014/16/0068

VwGH vom 25.04.2016, Ro 2014/16/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der M F in W, vertreten durch die KRW Taus Steuerberatung GmbH in 1020 Wien, Schönngasse 15-17, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7300021/2013, betreffend Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit a und § 33 Abs. 1 FinStrG,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie den Schuldspruch der Abgabenhinterziehung durch Verkürzung der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer des Jahres 2007 sowie der Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner bis Mai 2009 betrifft, zurückgewiesen; und

2. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es den Schuldspruch der Abgabenhinterziehung durch Verkürzung der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer des Jahres 2008 sowie den Ausspruch der Strafe und des Kostenersatzes betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug die ein Escort Service betreibende Revisionswerberin für schuldig, in Bezug auf konkret genannte Zeiträume und Beträge an Umsatz- und Einkommensteuer unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Nichterfassung von Umsätzen und Erlösen im Rechenwerk und in der Folge Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben bewirkt sowie Umsatzsteuervorauszahlungen nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet bzw. die Höhe der geschuldeten Beträge bekannt gegeben zu haben, wodurch sie das (richtig: die) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG und die Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen habe. Sie wurde hiefür nach § 33 Abs. 5, § 49 Abs. 2 und § 21 FinStrG mit einer Geldstrafe von 12.800 EUR bestraft; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 32 Tagen festgesetzt. Gemäß § 185 FinStrG wurde die Revisionswerberin zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 500 EUR verpflichtet. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für zulässig erklärt.

Das Bundesfinanzgericht stellte ausgehend von den Bewerbungen über Zeitungsinserate und auf der Website der Revisionswerberin fest, für den Kunden sei erkennbar gewesen, dass die Revisionswerberin die "Escort-Leistung" im eigenen Namen erbracht habe und dass ihr die Kunden einen einheitlichen Preis und nicht bloß eine Vermittlungsprovision zu entrichten hätten.

In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Erkenntnisses stützte sich das Bundesfinanzgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der es für die umsatzsteuerrechtliche Zurechnung von Umsätzen zu einer Begleitagentur wesentlich darauf ankomme, wie die Kontaktaufnahme zwischen dem Kunden und der Begleitagentur erfolge und mit welchem Leistungsangebot die Agentur dem Kunden gegenüber auftrete. Unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0199, wurde darauf verwiesen, dass es entscheidend sei, welche Leistungen die Begleitagentur mit dem jeweiligen Kunden vereinbart und ihm erbracht habe, sowie welche Leistung der Kunde mit der Zahlung des Entgelts an die Escorts abgelten wolle. Die Anforderungen für die Zurechnung der gesamten Umsätze an die Revisionswerberin sah das Bundesfinanzgericht als erfüllt an.

Das Bundesfinanzgericht führte zur Zulässigkeit der Revision aus, dass es zwar der in seiner Begründung zitierten Rechtsprechung gefolgt sei, der Verteidiger jedoch meine, dass die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf den hier zu beurteilenden Fall nicht anzuwenden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG) ist nach Abs. 4 leg. cit. nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache

1. eine Geldstrafe von bis zu 750 EUR und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und

2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 EUR verhängt wurde.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der "ordentlichen" (d.h. vom Verwaltungsgericht nach § 25a Abs. 1 VwGG für zulässig erklärten) Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ro 2015/16/0029, mwN).

Allein auf Grund der abweichenden Rechtsauffassung des Verteidigers sind indes die Voraussetzungen für den Ausspruch des Bundesfinanzgerichts, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei, nicht erfüllt, geht es doch selbst ausdrücklich davon aus, dass sein Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die Revision weicht mit ihrem Vorbringen zur bloßen Vermittlungstätigkeit der Revisionswerberin vom festgestellten Sachverhalt im angefochtenen Erkenntnis ab, ohne der Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts entgegenzutreten. Damit zeigt sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Gleiches gilt für das Revisionsvorbringen, das Bundesfinanzgericht hätte zur Berechnung des steuerpflichtigen Gewinns die Betriebsausgaben nicht von den Brutto- sondern von den Nettoeinnahmen abziehen müssen, weil (insb. im Hinblick auf § 4 Abs. 3 Satz 3 EStG) nicht dargelegt wird, inwiefern das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da in der Revision insofern keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war sie, soweit sie den Schuldspruch der Abgabenhinterziehung durch Verkürzung der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer des Jahres 2007 sowie der Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner bis Mai 2009 betrifft, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Betreffend den Schuldspruch für die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer des Jahres 2008 bringt die Revision vor, dass "die Feststellungen für das Jahr 2008" im Mai 2009 getroffen worden seien. Wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens sei der Revisionswerberin die Abgabe von Steuererklärungen nicht mehr möglich gewesen. Da zu diesem Zeitpunkt die gemäß § 134 Abs. 1 BAO normierte Einreichungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei der Tatbestand der Abgabenhinterziehung noch nicht erfüllt.

Dazu ergibt sich aus dem angefochtenen Erkenntnis und den vorgelegten Verfahrensakten, dass am wegen des Verdachtes der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung Anzeige an den Vorsitzenden des zuständigen Spruchsenates erstattet und zur Verdachtslage ausgeführt wurde, dass nach Beobachtungen der Homepage im Zeitraum von März bis Juni 2008 durchschnittlich 19 Hostessen für die Begleitagentur tätig gewesen seien, wobei für das Jahr 2007 durch die Revisionswerberin keine entsprechenden Jahreserklärungen über erzielte Umsätze und Gewinne eingereicht worden seien.

Mit Bescheid vorn wurde gegen die Revisionswerberin das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes, u. a. ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 iVm § 38 FinStrG durch vorsätzliche Nichtabgabe von Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2007 begangen zu haben, eingeleitet. Im Zuge dieses Verfahrens wurde am in der Wohnung eines Zeugen eine Hausdurchsuchung vorgenommen, wobei u. a. Buchkalender für die Jahre 2007, 2008 und 2009 gefunden und sichergestellt wurden. In weiterer Folge umfasste die Außenprüfung des Finanzamtes die Jahre 2007 und 2008, was zur Schätzung von Umsatz und Gewinn der Revisionswerberin für diesen Zeitraum führte. Am stellte das Finanzamt auf der Grundlage der Schätzung jeweils einen Umsatz- und einen Einkommensteuerbescheid für die Revisionswerberin betreffend die Jahre 2007 und 2008 in der Höhe, wie sie im angefochtenen Erkenntnis als strafbestimmender Wertbetrag zugrunde gelegt wurden, aus. Steuererklärungen betreffend Umsatz und Einkommen für das Jahr 2008 gab die Revisionswerberin nicht ab.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Nach Abs. 3 leg. cit. (für den Revisionsfall noch in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1998, BGBl. I Nr. 28/1999) ist diese Abgabenverkürzung bewirkt, wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt wurden oder infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist nicht festgesetzt werden konnten.

§ 134 Abs. 1 BAO (in der Fassung des Abgabenverwaltungsreformgesetzes, BGBl. I Nr. 20/2009) ordnet an, dass die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Umsatzsteuer sowie für die Feststellung der Einkünfte (§ 188) bis zum Ende des Monats April jeden Folgejahres einzureichen sind. Diese Abgabenerklärungen sind bis Ende des Monats Juni einzureichen, wenn die Übermittlung elektronisch erfolgt. § 33 Abs. 3 lit a FinStrG enthält eine Legaldefinition des Bewirkens einer Abgabenverkürzung, das heißt der möglichen Arten und des Zeitpunktes der technischen Vollendung des Vergehens (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0011). Für die Verwirklichung der ersten Alternative der genannten Bestimmung fehlt es an einem Bescheid des Finanzamtes, mit dem die Umsatz- oder die Einkommensteuer für das Jahr 2008 zu niedrig festgesetzt worden wäre. Mit der Begründung, dass die Abgabenbehörde zum Ablauf der Erklärungsfrist keine Kenntnis vom Betrieb der Vermittlungsagentur gehabt habe, ging das Bundesfinanzgericht von der Vollendung der Abgabenverkürzung nach der zweiten Alternative des § 33 Abs. 3 lit a FinStrG aus. Dem stehen allerdings die oben wiedergegebenen, bereits vor dem vom Finanzamt geführten, auch das Jahr 2008 betreffenden Ermittlungen entgegen, sodass nicht eine Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches und damit auch hier keine Vollendung des Delikts der Abgabenhinterziehung angenommen werden kann.

Aus diesen Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis sowohl hinsichtlich des Schuldspruchs der Abgabenhinterziehung durch Verkürzung der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer des Jahres 2008 als auch des davon abhängigen Ausspruchs der Strafe und des Kostenersatzes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am