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VwGH vom 24.01.2012, 2009/11/0227

VwGH vom 24.01.2012, 2009/11/0227

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Gruber Partner Rechtsanwalts KG, in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-09-1030, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, Lenkverbot und begleitende Maßnahmen (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom , Zl. UVS-03/P/13/6813/2009 wegen einer am begangenen Übertretung des § 5 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bestraft. Die dagegen erhobene Beschwerde, protokolliert zu hg. Zlen. 2010/02/0266, 0267, wurde mit Beschluss vom zurückgewiesen.

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit bis "einschließlich ", sohin für die Dauer von fünf Monaten ab dem Tag der Abnahme, entzogen und für dieselbe Zeit ein Lenkverbot ausgesprochen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die Absolvierung begleitender Maßnahmen aufgetragen. Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Bezirkshauptmannschaft Baden mit Bescheid vom ab, bestätigte den Mandatsbescheid und erkannte einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung abgewiesen und die fünfmonatige Entziehungsdauer bestätigt. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf die Weigerung des Beschwerdeführers, sich nach dem wegen Erfolglosigkeit abgebrochenen Alkoholtest dem Amtsarzt zur Feststellung des Alkoholisierungsgrades vorführen zu lassen. Bezug nehmend auf die in § 26 Abs. 2 Führerscheingesetz (FSG) festgelegte Mindestentziehungsdauer von vier Monaten wies die belangte Behörde auf die besondere Verwerflichkeit von Alkoholdelikten hin. Die ausgesprochene Dauer der Entziehung liege "im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens" und sei spezial- und generalpräventiv angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat über die Beschwerde erwogen:

1. Auf den Beschwerdefall ist nach der Übergangsbestimmung des § 41 Abs. 9 Z 3 FSG idF der 12. FSG-Novelle, BGBl. I Nr. 93/2009, das FSG in der Fassung vor dieser Novelle anzuwenden. Die gegenständlich maßgeblichen Vorschriften des FSG idF der 11. FSG-Novelle, BGBl. I Nr. 31/2008, lauten auszugsweise:

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, …

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) …

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. …

§ 26. (1) …

(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges eine Übertretung gem. § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen. …

…"

3. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die Bemessung der Entziehungszeit entbehre einer ausreichenden Begründung, und ist damit im Recht.

3.1. Im Beschwerdefall liegt eine rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 vor (vgl. den hg. Beschluss vom , Zlen. 2010/02/0266, 0267). Dass der Beschwerdeführer beim Vorfall am ein Kfz gelenkt oder in Betrieb genommen hat, wird in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/11/0065).

Die belangte Behörde hatte daher nach § 26 Abs. 2 FSG in der oben zitierten Fassung davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen war. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stehen die in § 26 Abs. 1 und 2 FSG normierten Mindestentziehungszeiten dem Ausspruch einer Entziehung für einen längeren Zeitraum jedenfalls dann nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die - im Sinne einer Wertung nach § 7 Abs. 4 FSG - auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen. Die Festsetzung einer über die Mindestzeit des § 26 FSG hinausreichenden Entziehungsdauer hat nach der allgemeinen Regel des § 25 Abs. 3 FSG zu erfolgen, d.h. die Behörde darf über eine solche Mindestentziehungszeit nur insoweit hinausgehen, als der Betreffende für einen die Mindestentziehungsdauer überschreitenden Zeitraum verkehrsunzuverlässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0023, mwN).

Für den Beschwerdefall folgt daraus, dass sich die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte fünfmonatige Dauer der Entziehung nur dann als rechtmäßig erweisen kann, wenn Umstände vorlagen, die - sei es auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung, sei es aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers - die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen.

3.2. Dass derartige besondere Umstände im Beschwerdefall vorgelegen wären, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde hebt zwar (zutreffend) die besondere Verwerflichkeit von Alkoholdelikten hervor. Dabei wird aber übersehen, dass diese (allgemeine) Wertung schon der Gesetzgeber vorgenommen hat, indem er insbesondere für Alkoholdelikte im Straßenverkehr in § 26 FSG eine Mindestentziehungsdauer oder eine fixe Entziehungsdauer festgelegt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/11/0101, mwN).

Da der angefochtene Bescheid somit weder Feststellungen zu einem allfälligen sonstigen Fehlverhalten des Beschwerdeführers noch eine Wertung desselben im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG enthält, ist nicht nachvollziehbar begründet, weshalb gegenständlich eine längere als die in § 26 Abs. 2 FSG vorgesehene Mindestentziehungszeit erforderlich sein sollte (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/11/0231, mwN). Aus diesen Gründen steht der angefochtene Bescheid - entgegen der in der Gegenschrift vertretenen Ansicht der belangten Behörde - auch nicht "im Einklang mit der ständigen höchstgerichtlichen VwGH-Judikatur".

4. Da dem angefochtenen Bescheid somit zufolge Verkennung der Rechtslage wesentliche Verfahrensmängel anhaften, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am