VwGH vom 30.06.2010, 2007/08/0322

VwGH vom 30.06.2010, 2007/08/0322

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des F W in Wien, vertreten durch Mag. Oliver Ertl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMSK- 325625/0001-II/A/3/2007, betreffend Zurückweisung wegen entschiedener Sache in einer Angelegenheit der Versicherungspflicht nach dem ASVG (mitbeteiligte Parteien:

1. Wiener Gebietskrankenkasse in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3,

2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65, 3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse (in der Folge: GKK) den Antrag des Beschwerdeführers vom auf "Ausfertigung eines Bescheides über die Versicherungspflicht von September 1965 bis einschließlich Oktober 1971" wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass aus den Unterlagen der GKK hervorgehe, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom bis als Lehrling zur Vollversicherung gemeldet gewesen sei und als Arbeiter in der Zeit vom bis sowie als Angestellter vom bis gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 ASVG in der bis geltenden Fassung in der Unfall- und Pensionsversicherung ordnungsgemäß gemeldet gewesen sei. Nach dem Ableben seines Vaters - der auch sein Dienstgeber gewesen sei - am sei der Betrieb als Witwen- und Deszendentenbetrieb fortgeführt worden. Aus den Unterlagen ergebe sich weiters, dass mit Bescheid vom festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit als leitender Angestellter beim Dienstgeber ab nicht der Versicherungspflicht unterlegen sei. Mit gleichem Datum sei ein zweiter Bescheid ergangen, in welchem die Anmeldung für den Beschwerdeführer ab abgelehnt worden sei. Dies ergebe sich aus den Eintragungen auf der Stammkarte und den Lochkarten. Diese Bescheide seien auch dem Beschwerdeführer zugekommen. Die bezughabenden Akten würden auf Grund der Aufbewahrungsvorschriften nicht mehr vorliegen.

Der Landeshauptmann von Wien hat mit Bescheid vom den gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Dies wurde verweisend auf § 68 AVG damit begründet, dass aus den Unterlagen der GKK insbesondere aus handschriftlichen Vermerken auf der Stammkarte und den Lochkarten betreffend den Beschwerdeführer hervorgehen würde, dass dessen Versicherungspflicht bereits mit Bescheid vom per beendet worden und mit gleichem Datum ein Bescheid ergangen sei, in welchem die Anmeldung des Beschwerdeführers ab abgelehnt worden sei. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei niemals leitender Angestellter gewesen, weshalb beide Bescheidempfänger bei ordnungsgemäßer Zustellung gegen die Bescheide vom berufen hätten und der Beschwerdeführer somit davon ausgehe, dass die Bescheide vom niemals erlassen worden seien, wurde entgegnet, dass aus den Vermerken auf der Stammkarte und den Lochkarten vom Beschwerdeführer nicht hervorgehe, aus welchen Gründen die Versicherungspflicht beendet bzw. abgelehnt worden sei. Da dem Vermerk des Versicherungsträgers auf der Stammkarte bzw. den Lochkarten durchaus Beweiskraft zukomme, dass seitens der GKK tatsächlich Bescheide über die Beendigung der Pflichtversicherung sowie der Ablehnung der Anmeldung zur Pflichtversicherung erlassen worden seien, habe dem Einspruch der Erfolg versagt bleiben müssen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom keine Folge.

In ihrer Begründung stützte sie sich nach Darlegung des Verfahrensganges und Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen darauf, dass sich auf den (in Kopie im Akt der GKK einliegenden) Stammkarten bzw. Lochkarten betreffend den Beschwerdeführer handschriftliche Vermerke befinden würden, wonach die Anmeldung des Beschwerdeführers ab dem mittels Bescheid vom abgelehnt worden sei, und die ungebührlich entrichteten Beiträge nicht rückerstattet worden seien, da kein Ansuchen gestellt worden sei. Weiters finde man den - ebenfalls handschriftlichen - Vermerk, wonach mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tag als Ende der Versicherung der festgestellt worden sei. Mangels Aufbewahrungsfrist seien beide genannten Bescheide nicht mehr vorhanden. Der Beschwerdeführer habe behauptet, dass ihm kein diesbezüglicher Bescheid zugestellt worden sei und ihm diese handschriftlichen Vermerke niemals zur Kenntnis gebracht worden seien. Zur Wahrung des Parteiengehörs habe die belangte Behörde die handschriftlichen Vermerke den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers übermittelt. In der dazu erstatteten, am eingelangten Stellungnahme sei eingewendet worden, dass die handschriftlichen Vermerke ohne Unterschrift, ohne Zeichnungsberechtigung, ohne Namen, ohne Angaben der GZ des zitierten angeblichen Bescheides vom seien und er im strittigen Zeitraum kein handelsrechtlicher Geschäftsführer gewesen sei. Dem hielt die belangte Behörde entgegen, dass sie - wie auch die Unterinstanzen - auf Grund der nicht mehr existenten Bescheide und der fehlenden Zustellnachweise diese handschriftlichen Vermerke als Beweismittel zu würdigen habe. Es gebe für sie auch keinen Anhaltspunkt dafür, an der inhaltlichen Richtigkeit und Glaubwürdigkeit dieser handschriftlichen Vermerke zu zweifeln, auch wenn diese keine Unterschriften tragen. Dass sich keine Geschäftszahl auf diesen Vermerken befinde, sei nicht weiter bedeutsam, da sich aus den Unterlagen eine eindeutige Zuordnung zum Versicherungsverlauf des Beschwerdeführers ergebe. Aus diesem Grunde sei als Ergebnis der durchgeführten Beweiswürdigung davon auszugehen, dass seitens der GKK diese beiden Bescheide am erlassen worden seien und somit eine rechtskräftige Entscheidung über den gegenständlichen Zeitraum vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von einer Gegenschrift Abstand genommen und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, die eine Gegenschrift erstattet hat, - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 AVG sind amtliche Wahrnehmungen und Mitteilungen, die der Behörde telefonisch zugehen, ferner mündliche Belehrungen, Aufforderungen und Anordnungen, über die keine schriftliche Ausfertigung erlassen wird, schließlich Umstände, die nur für den inneren Dienst der Behörde in Betracht kommen, wenn nicht anderes bestimmt und kein Anlass zur Aufnahme einer Niederschrift gegeben ist, erforderlichenfalls in einem Aktenvermerk kurz festzuhalten. Der Inhalt des Aktenvermerks ist vom Amtsorgan durch Beisetzung von Datum und Unterschrift zu bestätigen.

Im vorliegenden Fall stützt sich die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung auf Aktenvermerke, die die Formalerfordernisse des AVG nicht erfüllen, zumal darin weder der relevante Bescheidinhalt noch die wirksame Bescheiderlassung gegenüber dem Beschwerdeführer bzw. das Datum des Vermerks dokumentiert ist.

Indem die belangte Behörde in Verkennung dessen daraus das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers im gegenständlichen Zeitraum ableitet, welche gemäß § 68 AVG einer (neuerlichen) Entscheidung entgegenstünde, belastet sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde den Zurückweisungsbescheid der mitbeteiligten GKK zu beheben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen haben. Die GKK wird im Hinblick auf den Antrag des Beschwerdeführers, der auf die Anrechnung bzw. Anerkennung von Versicherungszeiten gerichtet ist, auch die Frage zu untersuchen haben, ob nicht im Hinblick auf die vorliegenden Beitragszahlungen im Zeitraum vom bis und vom bis (laut Vermerk auf den verfilmten Lochkarten im Beitragsakt) eine Formalversicherung im Sinne des § 21 ASVG eingetreten ist.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG unterbleiben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ein Ersatz für Eingabegebühren war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zuzusprechen. Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer, sodass das auf deren Ersatz gerichtete Begehren ebenfalls abzuweisen war.

Wien, am