VwGH vom 18.10.2016, Ro 2014/16/0040

VwGH vom 18.10.2016, Ro 2014/16/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Thoma und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der M S in S, vertreten durch Dr. Herbert Margreiter, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 8, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg vom , Zl. Jv 5000/13k- 33, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin schloss am in einem wegen Zahlung eines monatlichen Unterhalts von EUR 240,- geführten streitigen Verfahren vor dem Bezirksgericht Salzburg zu Zl. 26 C (...) als Beklagte folgenden Vergleich ab:

"1. (Die Klägerin), vertreten durch die Sachwalterin A(...), verpflichtet sich, hinsichtlich des Wohnrechtes an der Wohnung (...) eine Löschungserklärung zu unterfertigen.

2. (Die Beklagte) verpflichtet sich, die in Punkt 1 genannte Wohnung bis Jahresende 2009 um zumindest EUR 70.000 zu verkaufen.

3. Aus dem Verkaufserlös sind EUR 20.000 an den Magistrat der Stadt S(...) unter der Voraussetzung, dass der Magistrat der Stadt S(...) daraus auch die derzeitigen Schulden der (Klägerin) in der Höhe von EUR 3.068,96 an das Pensionistenheim L(...) bezahlt und auf weitere Forderungen gegenüber (der Beklagten), resultierend aus dem Notariatsakt vom , verzichtet.

4. Aus dem Verkaufserlös sind weitere EUR 5.000 für (die Klägerin) zu Handen der Sachwalterin A(...) zu bezahlen.

5. Die Klägerin zu hg. 17 C (...) zieht die Klage unter Anspruchsverzicht zurück.

6. Ein allfälliger Mehrerlös aus dem Wohnungsverkauf verbleibt (der Beklagten).

7. Im Verfahren zu hg. 26 C (...) verpflichtet sich (die Beklagte) aus dem obgenannten Verkaufserlös einen Kostenbeitrag von EUR 1.500 inkl. USt an den Klagevertreter zu Konto Nummer (...) zu bezahlen.

8. Der vorliegende Vergleich ist aufschiebend bedingt durch:


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a)
pflegschaftsgerichtliche Genehmigung
b)
Wohnungsverkauf bis Ende 2009
9.
Die angeführten Zahlungen sind jeweils spätestens vier Wochen nach Verfügungsmöglichkeit des Kaufpreises zur Zahlung fällig."
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom erfolgte die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Vergleichs. Die Klägerin des Zivilverfahrens war auf Grund bewilligter Verfahrenshilfe von der Tragung der Gerichtsgebühren einstweilen befreit.
Nach einer Beanstandung der Gebührenberechnung des Bezirksgerichtes Salzburg durch den Revisor beim Landesgericht Salzburg vom mit dem Grund "Auch die Beklagte haftet bei Vergleichen" erging an die Revisionswerberin die Zahlungsaufforderung der Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Salzburg vom , welche die Revisionswerberin mit dem Hinweis an das Gericht zurückstellte, dass der Wohnungsverkauf nicht stattgefunden habe, weshalb der Vergleich als nicht zu Stande gekommen gelte. Daraufhin forderte die Kostenbeamtin mit Zahlungsauftrag vom von der Revisionswerberin die Zahlung einer Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG samt Einhebungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 GEG.
2 Die belangte Behörde gab dem dagegen erhobenen Berichtigungsantrag mit dem angefochtenen Bescheid nicht statt und führte aus, dass die Gebührenpflicht auch bei einer in einem Vergleich enthaltenen Verabredung eines erst künftig abzuschließenden Vertrages begründet werde, weshalb es nicht von Relevanz sei, ob die in Rede stehende Wohnung verkauft werde oder nicht. Die Revisionswerberin sei daher gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GGG für die bereits gemäß § 2 Z 1 lit b GGG mit Beginn der Protokollierung des Vergleichs entstandene Gebührenschuld zahlungspflichtig.
3 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Revision erachtet sich die Revisionswerberin in ihrem Recht verletzt, keine "gesetzwidrigen Pauschalgebühren" zahlen zu müssen; sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und den Ersatz ihrer Aufwendungen.
4 Das Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Anschluss einer "Revisionsbeantwortung" der belangten Behörde vor.


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5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Gegen den am genehmigten, der Revisionswerberin am zugestellten angefochtenen Bescheid konnte gemäß § 19a Abs. 12 Z. 2 GGG in der Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes - Justiz (VAJu), BGBl. I Nr. 190/2013, innerhalb von sechs Wochen in sinngemäßer Anwendung des Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Für die Behandlung einer solchen Revision gelten in analoger Anwendung des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.
7 Die Revisionswerberin hält im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ihren im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkt aufrecht, dass der Vergleich mangels Eintritts der aufschiebenden Bedingung nicht wirksam geworden sei und daher keine Plicht zur Zahlung der Pauschalgebühr auslösen könne.
8 T 1 des Gerichtsgebührengesetzes - GGG sieht als Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz bei einem näher abgestuften Wert des Streitgegenstandes abgestufte Gebühren vor.
Gemäß § 2 Z 1 lit b GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren, wenn das Klagebegehren erweitert wird, mit dem Zeitpunkt der Überreichung des Schriftsatzes begründet; wird das Klagebegehren erweitert, ohne dass vorher die Klagserweiterung mit einem Schriftsatz dem Gericht mitgeteilt worden ist, so entsteht eine allfällige zusätzliche Pauschalgebühr mit dem Beginn der Protokollierung.
Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Hievon tritt gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 leg. cit. die Ausnahme ein, dass dann, wenn der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird, die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen ist; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
9 Die von den Parteien des Zivilprozesses dem abgeschlossenen Vergleich beigesetzten Suspensivbedingungen lassen dessen Rechtswirkungen erst beginnen, wenn die dafür vorgesehenen Ereignisse eintreten (vgl. etwa Kletecka in Koziol/Welser, Bürgerliches Recht13 I (2006), 194). Die Erteilung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung wurde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich konstatiert, allerdings maß die belangte Behörde dem - zusätzlich für das Zustandekommen des Vergleichs als erforderlich vereinbarten - Verkauf der Wohnung keine Bedeutung zu und traf dazu keine Sachverhaltsfeststellungen. Die in der noch als Gegenschrift zu wertenden "Revisionsbeantwortung" (vgl oben Rz 6) aufgestellte Behauptung der Rechtswirksamkeit des Vergleichs vermag fehlende Feststellungen darüber, ob der Wohnungsverkauf bis Jahresende 2009 erfolgte, nicht zu ersetzen. (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2004/16/0028). Auf der Grundlage des angefochtenen Bescheides kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die von den Parteien des Vergleichs vereinbarten Bedingungen (zur Gänze) erfüllt worden seien. Das hindert aber die Annahme, dass der Vergleich überhaupt wirksam geworden sei (vgl. RIS-Justiz RS0032546-T3). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die in
Wais/Dokalik , Gerichtsgebühren12 unter E 116 des § 18 GGG wiedergegebene Rechtsprechung) sind aufschiebend bedingte Vergleiche bis zum Bedingungseintritt (gerichts)gebührenrechtlich irrelevant. Für eine Vorschreibung der Pauschalgebühr nach TP 1 GGG wäre es daher erforderlich gewesen, Feststellungen über den Eintritt der strittigen Bedingung, nämlich des Verkaufs der Eigentumswohnung bis Jahresende 2009 zu treffen. Schon daher ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet.
10 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GGG bei zivilgerichtlichen Verfahren der Kläger; bei prätorischen Vergleichen (§ 433 ZPO) und Vereinbarungen nach § 55a Abs. 2 EheG jedoch beide vertragschließenden Parteien ohne Rücksicht auf entgegenstehende Abreden; bei sonstigen Vergleichen über Ansprüche, die im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen sind, welche aber in einem anderen außerstreitigen oder streitigen Verfahren verglichen werden, jene Person, die die Entscheidungs-, Verfahrens-, Eingaben- oder Vergleichsgebühren zu tragen gehabt hätte, wären die Ansprüche in jenem außerstreitigen Verfahren geltend gemacht worden, das zur Durchsetzung dieser Ansprüche vorgesehen ist; in sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend der Kostentragungsregel des § 77 Abs. 1 ASGG die Versicherungsträger mit Ausnahme der Träger der Sozialversicherung zahlungspflichtig sind.
Gemäß § 20 GGG ist in den Fällen des § 70 ZPO sowie bei persönlicher Gebührenfreiheit aus anderen Gründen (§ 10) der Gegner zur Zahlung der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, verpflichtet, soweit ihm die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind oder soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat. Im Zweifel ist die Hälfte der Gebühr einzuheben.
11 Aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist nicht ersichtlich, dass der Vergleich vom (auch) über Ansprüche, die im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen wären, geschlossen wurde, sodass die Revisionswerberin als Beklagte - entgegen der Auffassung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - nicht nach § 7 Abs. 1 Z 1 GGG zahlungspflichtig ist (vgl. die in
Wais/Dokalik , aaO unter E 3 des § 7 GGG wiedergegebene Rechtsprechung).
12 Nach der hg. Judikatur trifft bei Anwendung des § 20 GGG die Gebührenpflicht den Gegner der gebührenbefreiten Partei nur soweit, als er die Kosten des Verfahrens durch Vergleich übernommen hat. Es sind daher - unter Berücksichtigung des ursprünglichen Klagebegehrens und dessen Bewertung sowie des Verfahrensaufwandes - Feststellungen dahin zu treffen, in welchem Verhältnis der Gegner der gebührenbefreiten Partei durch die Übernahme einer Prozesskostenzahlungspflicht die der gebührenbefreiten Prozesspartei erwachsenen Kosten übernommen hat. Nur in jenem Verhältnis (arg. "soweit") ist der Gegner der gebührenbefreiten Partei dann gemäß § 20 GGG zahlungspflichtig. Für die Anwendung der Zweifelsregel des § 20 letzter Satz GGG ist erst dann Raum, wenn Feststellungen über das Verhältnis der vergleichsweisen Kostenübernahme nicht getroffen werden können. Die Gebührenpflicht trifft den Gegner der gebührenbefreiten Partei nur in jenem Verhältnis, in dem der Prozesskostenersatz von den Prozessparteien vergleichsweise geregelt wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 2002/16/0061, mwN). Auch für eine derartige Prüfung fehlt es an Feststellungen im angefochtenen Bescheid.
13 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Revisionsfall noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am