VwGH vom 28.03.2014, Ro 2014/16/0035

VwGH vom 28.03.2014, Ro 2014/16/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Revision der T GmbH in K, vertreten durch Dr. Peter Petzer, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein, Unterer Stadtplatz 24, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-17687/5-2013, betreffend Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde K), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Revision und dem dieser in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist Folgendes zu entnehmen:

Die revisionswerbende Gesellschaft m.b.H. (Revisionswerberin) betreibt ein Hotel und Restaurant im Bereich der mitbeteiligten Stadtgemeinde. Der Rechtsvorgänger der Revisionswerberin habe - nach dem Sachverhaltsvorbringen in der Revision - für die Jahre 1995, 1996 und 1997 die Getränkesteuer erklärt und bezahlt. Für die Jahre 1998 und 1999 habe er die Bemessungsgrundlagen erklärt, die zu entrichtende Steuer mit Null angegeben und "keine Getränkesteuer" bezahlt.

Mit Schriftsatz vom habe er die Rückzahlung der "zwischen 1995 und 1997 entrichteten Speiseeissteuer" beantragt, was mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadt vom "abgelehnt" worden sei. Mit diesem Bescheid sei auch die Getränke- und Speiseeissteuer für das Jahr 1997 mit einem näher angeführten Betrag festgesetzt worden.

Gegen diesen Bescheid habe der Rechtsvorgänger der Revisionswerberin berufen. Das Berufungsverfahren sei mit der Begründung eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes ausgesetzt worden. Die mitbeteiligte Stadtgemeinde habe dem Rechtsvorgänger der Revisionswerberin das "darauf ergangene Erkenntnis des EuGH" übermittelt, wonach die Getränkesteuer nach damaliger Auffassung gemeinschaftsrechtswidrig gewesen sei (Anmerkung: gemeint ist offensichtlich das ).

Der Rechtsvorgänger der Revisionswerberin habe sich dadurch "beholfen", dass er bis einschließlich Mai 2003 eine Gegenverrechnung mit der von ihm zu bezahlenden Kommunalsteuer vorgenommen und regelmäßig eine Abrechnung mit dem behaupteten Getränkesteuerguthaben der mitbeteiligten Stadtgemeinde übermittelt habe. Die mitbeteiligte Stadtgemeinde habe "keinerlei weitere Tätigkeiten" gesetzt und die sohin "nicht mehr entrichtete" Kommunalsteuer nicht eingefordert.

Mit Berufungsvorentscheidung vom habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde über die "in den Jahren 1997 - 1999 erhobenen" Berufungen erstmals abgesprochen sowie die Getränke- und Speiseeissteuer für den Zeitraum 1995 bis 1999 festgesetzt.

Der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde habe mit Bescheid vom "der Berufung" nur teilweise stattgegeben. Eine dagegen erhobene Vorstellung habe die Tiroler Landesregierung abgewiesen, wogegen eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erhoben worden sei, die dieser mit Erkenntnis vom , 2011/16/0206, als unbegründet abgewiesen habe.

Mit Schriftsatz vom habe die Revisionswerberin bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde einen Abrechnungsbescheid beantragt. Dieser Antrag sei vom Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde im Instanzenzug mit Bescheid vom als verspätet zurückgewiesen worden, wogegen die Revisionswerberin Vorstellung an die belangte Behörde erhoben habe.

Der diese Vorstellung abweisende nunmehr angefochtene Bescheid geht von der Sachverhaltsannahme aus, dass der Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides einen Zeitraum von 1995 bis 2003 betreffe. Daraus zieht die Tiroler Landesregierung den rechtlichen Schluss, dass der Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides vom verspätet gewesen und daher zurückzuweisen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in welcher sich die Revisionswerberin im Recht auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides verletzt erachtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG gelten für die Behandlung der vorliegenden Revision die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.

§ 163 der Tiroler Landesabgabenordnung (TLAO) lautete bis zu seiner Aufhebung mit Ablauf des :

"§ 163. Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat die Abgabenbehörde darüber auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid)."

Diese Bestimmung war wortgleich dem § 216 BAO in der Stammfassung.

Zu § 216 BAO in der Stammfassung bestand die zeitliche Grenze für den Antrag auf Abrechnungsbescheid in der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 1478 ABGB (vgl. Ritz, BAO5, Tz 7 zu § 216 und die dort zitierte hg. Rechtsprechung).

§ 216 BAO lautet seit der Neufassung durch das Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 180:

"§ 216. Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder hätte erfolgen müssen, zulässig."

§ 216 BAO trat gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG mit Ablauf des in Kraft.

Die ErlRV (686 BlgNR, 22.GP) führen zur Neufassung des § 216 BAO aus:

"Über den derzeitigen engen Wortlaut hinaus dient der Abrechnungsbescheid ganz allgemein dem Abspruch über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto vgl. zB VwGH ...). Dem trägt nunmehr auch der Gesetzestext Rechnung.

Darüber hinaus erscheint (in Anlehnung an die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO) eine Befristung des Rechtes der Antragstellung zweckmäßig. Die derzeit nach der Judikatur () angenommene Befristung von 30 Jahren würde nämlich eine ebenso lange Aufbewahrung der maßgebenden Aktenteile durch die Finanzämter erfordern."

Mit dem Abgabenverwaltungsreformgesetz (AbgVRefG), BGBl. I Nr. 20/2009 wurde § 1 BAO geändert und der Anwendungsbereich der BAO auch auf Abgaben der Länder und Gemeinden ausgedehnt. Diese Änderungen traten gemäß § 323a Abs. 1 Z 1 BAO mit in Kraft.

§ 323a Abs. 1 Z 3 BAO lautet:

"§ 323a. (1) Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt Folgendes:

...

3. Abgesehen von Verjährungsfristen gelten die Fristen dieses Bundesgesetzes auch für jene Fälle, in denen die für Landes- und Gemeindeabgaben maßgeblichen Fristen des bisherigen Rechtes am noch nicht abgelaufen waren.

..."

Die Revisionswerberin trägt zusammengefasst vor, die TLAO habe in ihrem § 163 keine Frist vorgesehen, die den Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides beschränkt hätte. Mit der Ausdehnung des Anwendungsbereiches der BAO (und damit dessen § 216) auf die Landes- und Gemeindeabgaben zum sei aber die Einschränkung der Möglichkeit eines Antrages auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides auf fünf Jahre nicht auf Zeiträume vor dem erfasst. Die Revisionswerberin stützt sich dabei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1129/10 ua. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 323a Abs. 1 Z 1 BAO gilt die BAO, soweit sich aus Z 2 bis 7 nicht anderes ergibt, mit auch für Landes- und Gemeindeabgaben. § 323a Abs. 1 Z 3 leg. cit. sieht eine Ausnahme für Verjährungsfristen vor.

Die in § 216 BAO vorgesehene Frist für die Stellung eines Antrages ist aber keine Verjährungsfrist, keine Frist, nach deren Ablauf ein (der Behörde zustehendes) Recht erlischt.

Somit ist § 216 BAO grundsätzlich ab auch auf Landes- und Gemeindeabgaben anzuwenden. Damit stellt sich die Rechtsfrage der Anwendung der neuen Bestimmung des § 216 BAO auf Landes- und Gemeindeabgaben in gleicher Weise wie sie sich mit der Neufassung des § 216 BAO durch das Abgabenänderungsgesetz 2004 für bundesrechtlich geregelte Abgaben gestellt hatte.

Aus den Materialien zum Abgabenänderungsgesetz 2004 ist erkennbar, dass der Gesetzgeber die neue Bestimmung mit einer Befristung des Antragsrechtes nicht auf erst nach dem Inkrafttreten sich ereignende Gebarungsfälle und erfüllte Tilgungstatbestände angewendet wissen wollte, weil dies eine Aufbewahrung aller bisherigen Akten durch die Abgabenbehörde über (weitere) 30 Jahre erfordert hätte, sondern auf alle Anträge, die nach Inkrafttreten der neuen Bestimmung gestellt werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , B 1129/10 ua, VfSlg 19.513, ausgesprochen, der Umstand, dass ab dem für den Bereich der Landes- und Gemeindeabgaben die BAO und damit auch deren § 216 wirksam geworden ist, habe zunächst zur Folge, dass für Anträge auf Erlassung von Abrechnungsbescheiden, die Zeiträume nach diesem Datum betreffen, die Fünf-Jahres-Frist des § 216 leg. cit. von Bedeutung ist. Eine Anwendung dieser Vorschrift auf Anträge die vor diesem Datum gestellt wurden, sei dem Wortlaut nach nicht zwingend. In jenem vom Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fall war der Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides noch vor dem zur Rechtslage im Geltungsbereich der TLAO gestellt worden. Eine Anwendung des § 216 BAO auf solche Anträge verbiete sich - so der Verfassungsgerichtshof in jenem Erkenntnis - , wenn sie dazu führe, dass zulässige Anträge nachträglich unzulässig würden, weil dem Abgabepflichtigen in diesem Fall der Weg zur Rückzahlung von Abgabenguthaben versperrt oder zumindest erschwert werde.

Im vorliegenden Revisionsfall wurde der Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides jedoch nach dem und somit im zeitlichen Geltungsbereich des § 216 BAO gestellt. Es handelt sich im Gegensatz zu dem jenem Verfahren vor dem Verfassungsgerichthof zugrunde liegenden Sachverhalt somit nicht um einen Antrag, der im Vertrauen auf eine bestehende Rechtslage gestellt und mangels Entscheidung durch die Behörde dann durch das Wirksamwerden des § 216 BAO auf Landes- und Gemeindeabgaben nachträglich unzulässig geworden wäre, sondern um einen Antrag, der bereits nach der Rechtslage im Zeitpunkt, in dem er gestellt wurde, nicht mehr zulässig gewesen ist.

Die vom Verfassungsgerichtshof in Zusammenhang damit gebrachte Möglichkeit der Rückzahlung von Getränkesteuer ist im vorliegenden Revisionsfall unter dem Blickwinkel zu betrachten, dass der Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides erst nach Ergehen des erwähnten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom gestellt wurde, welches über die Beschwerde gegen einen Vorstellungsbescheid der belangten Behörde nach einem Rückzahlungsverfahren vor den Behörden der mitbeteiligten Stadtgemeinde abgesprochen hat, in welchem jedenfalls vom Jahr 2000 bis zur Berufungsvorentscheidung im Dezember 2009 ein Zeitraum gegeben war, innerhalb dessen der Rechtsvorgänger der Revisionswerberin zu seinem Rechtsschutz eine Säumnisbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof hätte erheben können.

Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am