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VwGH vom 09.09.2015, Ro 2014/16/0031

VwGH vom 09.09.2015, Ro 2014/16/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision der Dr. S K in W, vertreten durch die Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zlen. RV/1996-W/10, RV/1997-W-10, betreffend Erbschaftssteuer und Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Erbschaftssteuer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen (somit soweit der angefochtene Bescheid die Grunderwerbsteuer betrifft) wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Revisionswerberin und ihr Ehemann waren u.a. je zur Hälfte Eigentümer von Mindestanteilen an einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum.

Am verstarb der Ehemann der Revisionswerberin.

In der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Ablichtung der Niederschrift über die vom öffentlichen Notar Dr. S. als Gerichtskommissär am mit der Revisionswerberin und mit Mag. K., dem Sohn des Verstorbenen, errichtete Todesfallaufnahme scheint der handschriftliche Vermerk "unbedingte EE" auf.

In der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Ablichtung eines vom öffentlichen Notar Dr. S. als Gerichtskommissär, von der Revisionswerberin und von Mag. K., gefertigten Protokolls vom , ist festgehalten, dass weder ein formell gültiges Testament noch eine sonstige letztwillige Anordnung des Verstorbenen vorlägen. Daher trete die gesetzliche Erbfolge ein, wonach Mag. K. zu zwei Drittel und die Revisionswerberin zu einem Drittel des Nachlasses zu Erben berufen seien. Nach Rechtsbelehrung durch den Gerichtskommissär gäben Mag. K. und die Revisionswerberin jeweils die unbedingte Erbantrittserklärung ab.

In der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Ablichtung eines vom öffentlichen Notar Dr. S. als Gerichtskommissär, von der Revisionswerberin und von Mag. K., gefertigten Protokolls vom , ist festgehalten, dass die Revisionswerberin und Mag. K. je eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hätten und erklärten, es bestehe keine Vereinbarung iSd § 14 WEG, weshalb die näher angeführten Hälften an Mindestanteilen an EZ xxx im Grundbuch Y, verbunden mit Wohnungseigentum an W 31, 32 und 33, der Witwe (Revisionswerberin) auf Grund des Gesetzes zuwachse, und dass diese auf ihr Anwachsungsrecht nicht verzichte. Die Revisionswerberin erkläre, dass ihr die Wohnung R. straße zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses diene. Da sowohl die Witwe (Revisionswerberin) als auch der Sohn Mag. K. abstrakt pflichtteilsberechtigt seien, sei von der übernehmenden "Eigentümerpartnerin" für die Wohnung in R. straße ein Übernahmspreis in Höhe von einem Viertel des Verkehrswertes des Mindestanteiles an die Verlassenschaft zu bezahlen. Der Verkehrswert des Mindestanteils werde mit 2,400.000 EUR von den Erben festgelegt, der Übernahmspreis betrage daher 600.000 EUR.

Mit Beschluss des BG Innere Stadt Wien vom wurde die Verlassenschaft dem Mag. K. zu zwei Drittel Anteilen und der Revisionswerberin zu einem Drittel Anteil des Nachlasses eingeantwortet.

Mit Bescheiden vom setzte das (damalige) Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber der Revisionswerberin Erbschaftssteuer und Grunderwerbsteuer in jeweils näher angeführter Höhe fest. Bei der Erbschaftssteuer scheint bei der Aufgliederung der Bemessungsgrundlage des steuerpflichtigen Erwerbs eine Position "Geld ..... 200.000 EUR" auf. Bei der Grunderwerbsteuer wird als Bemessungsgrundlage eine Gegenleistung mit "Ausgleichszahlung 600.0000 EUR" angeführt.

Mit Schriftsätzen vom berief die Revisionswerberin gegen diese Bescheide. Beim Übergang des Hälfteanteiles ihrer Eigentumswohnung, der ihrem verstorbenen Ehemann gehört habe, handle es sich um einen Erwerb von Todes wegen, weshalb die Erbschaftssteuer vom dreifachen Einheitswert festzusetzen sei und der Erwerb von der Grunderwerbsteuer befreit sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der unabhängige Finanzsenat die Berufung gegen den Erbschaftssteuerbescheid als unbegründet ab und setzte die Grunderwerbsteuer mit einem geringfügig höheren Betrag (als im bekämpften Bescheid des Finanzamtes) fest.

Zur rechtlichen Beurteilung betreffend die Erbschaftssteuer führte der unabhängige Finanzsenat aus, dass der Tatbestand des Erwerbes durch Erbanfall durch die Annahme der Erbschaft, also durch die Abgabe der Erbantrittserklärung erfüllt sei. Der Zuwachs des halben Mindestanteils (der Eigentumswohnung) an den überlebenden Partner finde abseits von erbrechtlichen Anknüpfungspunkten statt. Damit der überlebende Partner nicht aus dem Vermögen des Erblassers bereichert werde, sei er aus § 14 WEG verpflichtet, einen Übernahmspreis für den halben Mindestanteil des Verstorbenen zu begleichen. Der im Eigentum des Erblassers stehende halbe Mindestanteil falle bei der Anwachsung nach § 14 WEG wegen des unmittelbaren Eigentumsüberganges nicht in die Verlassenschaftsmasse. Anstelle des halben Mindestanteiles trete die Forderung der Verlassenschaft auf Zahlung eines Übernahmspreises. Der ermittelte Übernahmspreis stelle das Surrogat für den Wohnungseigentumsanteil des Erblassers dar. Das Surrogat "Übernahmspreis" gehöre zur Verlassenschaft, sei in das Inventar aufzunehmen und unterliege bei den Erben, hier bei der Revisionswerberin zu einem Drittel, der Erbschaftsbesteuerung. Da an die Stelle des Grundstückes ex lege die Forderung gegen den Anwachsungsberechtigten auf Zahlung des Übernahmspreises trete, sei bei der Revisionswerberin bei der Berechnung der Erbschaftsteuer ein Drittel des Übernahmspreises einzubeziehen.

Zur rechtlichen Beurteilung betreffend die Grunderwerbsteuer führt der unabhängige Finanzsenat aus, dass im Revisionsfall ein Erwerb eines Grundstückes gemäß § 14 WEG von Gesetzes wegen vorliege. § 14 WEG sei gegenüber den Bestimmungen des Erbrechts eine lex specialis. In die Verlassenschaft falle der Übernahmspreis, der als Geldforderung und nicht als Grundstück der Erbschaftssteuer unterliege. Damit sei der Mindestanteil des Verstorbenen von der Revisionswerberin nicht im Sinne des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes erworben worden, weshalb keine Befreiung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 GrEStG zur Anwendung gelange. Eine Doppelbesteuerung liege nach dem Wortlaut des § 14 WEG nicht vor.

In der dagegen erhobenen Revision erachtet sich die Revisionswerberin im Recht, "für den gemäß § 14 Abs. 3 WEG geleisteten Übernahmspreis keine Erbschaftssteuer und Grunderwerbsteuer entrichten zu müssen", und im Recht "auf ein gesetzmäßiges Abgabenverfahren" verletzt.

Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG an die Stelle der belangten Behörde getretene Bundesfinanzgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher es die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 5 BFG iVm § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG gelten für die Behandlung der vorliegenden Revision die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Bescheides dem Beschwerdepunkt (Revisionspunkt) nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers oder Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Beschwerdeführer oder Revisionswerber behauptet. Durch den Beschwerdepunkt (Revisionspunkt) wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist. Wird der Beschwerdepunkt (Revisionspunkt) unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang einer Beschwerde (Revision) nicht zugänglich (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom , 2013/16/0164).

Ein abstraktes subjektives Recht "auf ein gesetzmäßiges Abgabenverfahren", wie es die Revisionswerberin anführt, besteht nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2013/16/0184, mwN).

Damit verbleibt als tauglicher Beschwerdepunkt (Revisionspunkt) das Recht, "für den gemäß § 14 Abs. 3 WEG geleisteten Übernahmspreis keine Erbschaftssteuer und Grunderwerbsteuer entrichten zu müssen".

§ 14 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002) in der im Revisionsfall noch maßgeblichen Fassung der Wohnrechtsnovelle 2006 (WRN 2006), BGBl. I Nr. 124, lautet auszugsweise:

"§ 14. (1) Beim Tod eines Partners gilt für den Anteil des Verstorbenen - unter Ausschluss sonstigen Erwerbs von Todes wegen, aber vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nach Abs. 5 - Folgendes:

1. Der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum geht von Gesetzes wegen unmittelbar ins Eigentum des überlebenden Partners über.

2. Der Eigentumsübergang tritt jedoch nicht ein, wenn der überlebende Partner innerhalb einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist entweder auf ihn verzichtet oder gemeinsam mit den Erben des Verstorbenen unter Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten eine Vereinbarung schließt, auf Grund derer der Anteil des Verstorbenen einer anderen Person zukommt.

3. Verzichtet der überlebende Partner auf den Eigentumsübergang, so hat das Verlassenschaftsgericht eine öffentliche Feilbietung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen Wohnungseigentums durch Versteigerung vorzunehmen.

4. Solange die Möglichkeit des Verzichts besteht, sind die Rechte des überlebenden Partners am Anteil des Verstorbenen auf jene eines Verwalters (§ 837 ABGB) beschränkt.

5. Erwirbt der überlebende Partner den Anteil des Verstorbenen nach Z 1 oder geht dieser Anteil auf Grund einer Vereinbarung nach Z 2 auf eine andere Person über, so gilt für die Eintragung in das Grundbuch § 182 Abs. 3 AußStrG sinngemäß.

(2) Der überlebende Partner, der den Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und Wohnungseigentum gemäß Abs. 1 Z 1 erwirbt, hat der Verlassenschaft nach dem Verstorbenen die Hälfte des Verkehrswerts (§ 2 Abs. 2 LBG) des Mindestanteils zu bezahlen (Übernahmspreis). Eine einvernehmliche Bestimmung des Übernahmspreises ist nur zulässig, wenn kein Inventar zu errichten ist und soweit dadurch nicht in Rechte von Gläubigern oder Pflichtteilsberechtigten des Verstorbenen eingegriffen wird.

(3) Ist der überlebende Partner ein Pflichtteilsberechtigter des Verstorbenen und war Gegenstand des gemeinsamen Wohnungseigentums eine Wohnung, die dem Überlebenden zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient, so gilt Abs. 2 nicht. Wenn aber noch ein anderer Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist, hat der überlebende Partner ein Viertel des Verkehrswerts des Mindestanteils an die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen zu bezahlen. Wenn zwar kein anderer Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist, die Verlassenschaft jedoch ohne eine Zahlung des überlebenden Partners überschuldet wäre, hat der Überlebende bis zur Höhe eines Viertels des Verkehrswerts des Mindestanteils den zur Deckung der Nachlassverbindlichkeiten erforderlichen Betrag an die Verlassenschaft zu bezahlen. Abs. 2 zweiter Satz gilt entsprechend. Ist dem überlebenden Partner die sofortige Zahlung dieses verminderten Übernahmspreises nach seinen Verhältnissen, insbesondere seinem Vermögen, seinem Einkommen, seinen Sorgepflichten sowie seinen Aufwendungen für die Wohnung und zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebenshaltung, nicht zumutbar, so hat das Verlassenschaftsgericht mangels einer anders lautenden Vereinbarung auf Antrag die Zahlungspflicht bis zu einer Frist von höchstens fünf Jahren hinauszuschieben oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums zu bewilligen; in beiden Fällen ist eine angemessene Verzinsung festzusetzen.

(4) .....

(5) 1. Die Partner können durch eine vor einem Notar oder unter anwaltlicher Mitwirkung schriftlich geschlossene Vereinbarung bestimmen, dass anstelle des gesetzlichen Eigentumsübergangs nach Abs. 1 Z 1 der Anteil des Verstorbenen am Mindestanteil und gemeinsamen Wohnungseigentum einer anderen natürlichen Person zukommt. Der durch eine solche Vereinbarung Begünstigte erwirbt durch den Erbfall nicht unmittelbar Eigentum am halben Mindestanteil, sondern erhält damit erst einen Anspruch auf dessen Übereignung. Er hat diesen Anspruch innerhalb einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist durch Anmeldung im Verlassenschaftsverfahren gegen den Nachlass des

Verstorbenen geltend zu machen. ....... Der Begünstigte hat für

die Übereignung des anteils des 'Verstorbenen am Mindestanteil den Übernahmspreis nach Abs. 2 an die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen zu bezahlen; wenn beim Begünstigten aber die in Abs. 3 erster Satz genannten Voraussetzungen entsprechend vorliegen, gilt für ihn Abs. 3; .....

2. Unterlässt der Begünstigte die fristgerechte Verfolgung seines Anspruchs, so tritt der Eigentumsübergang nach Abs. 1 Z 1 mit der Rechtsfolge des Abs. 2 oder 3 ein. Gleiches gilt, wenn der Begünstigte den Erbfall nicht erlebt. Wenn der Begünstigte nach dem Erbfall, aber vor seiner Eintragung ins Grundbuch stirbt, gilt für den Anspruch des Begünstigten die Regelung des Abs. 1 Z 1 entsprechend.

(6) ....."

Der unabhängige Finanzsenat hat die Grunderwerbsteuer im Instanzenzug nicht "für den gemäß § 14 Abs. 3 WEG geleisteten Übernahmepreis" festgesetzt. Den Steuergegenstand bildete vielmehr der aufgrund des Gesetzes (§ 14 Abs. 1 Z 1 WEG 2002) eingetretene Erwerb des Eigentums am halben Mindestanteil einer Liegenschaft, ohne dass ein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG).

Im in Ausführung des Beschwerdepunktes (Revisionspunktes) angeführten Recht, für den Übernahmspreis keine Grunderwerbsteuer entrichten zu müssen, wurde die Revisionswerberin durch den angefochtenen Bescheid somit nicht verletzt.

Die Revision war daher, soweit sie sich gegen den angefochtenen Bescheid betreffend die Grunderwerbsteuer richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Nach § 1 Abs. 1 Z 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 (ErbStG) unterlag der Steuer nach diesem Bundesgesetz der Erwerb von Todes wegen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 54/06 ua., VfSlg 18.093, § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt.

Art. 140 Abs. 7 B-VG lautet:

"(7) Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden."

Wann ein "verwirklichter Tatbestand" im Sinn des Art. 140 Abs. 7 B-VG (gemeint: verwirklichter Sachverhalt, der einem gesetzlichen Tatbestand entspricht; vgl. Rohregger/Schuch in Holoubek/Lang, Das verfassungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, 297ff (310), Fn 55) gegeben ist, hängt im Allgemeinen vom materiellen Recht ab, um dessen Anwendung es geht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2011/16/0209, und vom , 2009/16/0196, VwSlg. 8.506/F, jeweils mwN).

Die mit dem genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgehobene Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG enthielt den Tatbestand "Erwerb von Todes wegen".

§ 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG lautet:

"§ 2. (1) Als Erwerb von Todes wegen gilt:

1. der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches;"

§ 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG lautet:

"(1) Die Steuerschuld entsteht

1. bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers, jedoch

a) für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter einer Befristung Bedachten mit dem Zeitpunkt des Eintrittes der Bedingung oder des Ereignisses;

b) für den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung;

c) ....."

Nach § 18 ErbStG ist für die Wertermittlung, soweit sich aus dem ErbStG nichts anderes ergibt, der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend.

Nach § 20 Abs. 1 ErbStG gilt als Erwerb soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gesamte Vermögensanfall an den Erwerber.

Die Revisionswerberin trägt vor, der Übergang des Eigentums am halben Mindestanteil iSd § 14 Abs. 1 WEG 2002 trete u.a. dann nicht ein, wenn der überlebende Partner innerhalb einer vom Verlassenschaftsgericht festzusetzenden angemessenen Frist auf ihn verzichtet. Der Eigentumserwerb erfolgte daher nur bedingt. Solange die Möglichkeit eines Verzichts bestehe, stehe der Anspruch auf den Übernahmspreis iSd § 14 Abs. 3 WEG 2002 noch nicht fest. Dieser Schwebezustand habe im Revisionsfall erst nach dem geendet, weshalb der Anspruch auf den Übernahmspreis erst nach dem Inkrafttreten der Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG entstanden sei und somit nicht mehr der Erbschaftssteuer unterliege. Im Ergebnis führt die Revisionswerberin damit ins Treffen, der Tatbestand des Erwerbs des Übernahmspreises sei erst nach dem Inkrafttreten der Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG durch den Verfassungsgerichtshof verwirklicht worden.

Es kann im Revisionsfall dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der Revisionswerberin über das Entstehen des Anspruchs auf den Übernahmspreis zutrifft.

Im bürgerlichen Recht setzt der Erwerb einer Erbschaft das Erbrecht, die Erbantrittserklärung und die Einantwortung voraus (vgl. Taucher, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz8, Anm. 2.2. zu § 2). Der Erwerb der Erbschaft durch den Erben vollzieht sich schrittweise, im Wesentlichen in drei Stadien - Erbanfall, Erbantrittserklärung und Einantwortung (vgl. Welser in Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13, 445). Die Einantwortung - nach § 797 ABGB die Übergabe des Nachlasses in den rechtlichen Besitz des Erben - bewirkt den Rechtsübergang auf den Erben eo ipso (vgl. Welser, aaO, 573f). Für den Zeitraum zwischen dem Tod des Verstorbenen und der Einantwortung kennt das bürgerliche Recht die Rechtsfigur des ruhenden Nachlasses (§ 531 ABGB - hereditas iacens).

Da gemäß § 79 BAO im Abgaben(verfahrens-)recht für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts gelten, ist der ruhende Nachlass beispielsweise auch Adressat von Bescheiden (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom , 2010/16/0029, und vom , 2010/15/0096).

Für das hier interessierende materielle Erbschaftssteuerrecht bedarf es, um einen die Steuerpflicht auslösenden Erwerb von Todes wegen annehmen zu können, neben dem gültigen Erbrechtstitel bloß der Erbantrittserklärung, mit deren Abgabe der Erwerb durch Erbanfall erbschaftssteuerrechtlich vollzogen ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/16/0006, mwN; kritisch Taucher, aaO, Anm. 2.55 zu § 2 ErbStG).

Einen solchen Erwerb nimmt die Rechtsprechung seit dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 90/16/0167, VwSlg. 6.690/F, auch an, wenn vor einer Erbantrittserklärung eine sog. qualifizierte Erbsausschlagung (Erklärung des Erben, auf die Erbschaft zu Gunsten einer bestimmten Person zu verzichten) erfolgt, wobei diese Ausschlagung entgeltlich (Erbschaftskauf) oder unentgeltlich (Erbschaftsschenkung) sein kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/16/0091).

Abgesehen von dieser Ausnahme ist der Tatbestand des Erwerbes durch Erbanfall nach der ständigen hg. Rechtsprechung sohin mit der Annahme der Erbschaft, also mit der Abgabe der Erbantrittserklärung erfüllt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 95/16/0098, VwSlg. 7.027/F, und vom , 95/16/0191, VwSlg. 7.127/F, das erwähnte Erkenntnis vom und die Erkenntnisse vom , 97/16/0214, VwSlg. 7.504/F, vom , 2000/16/0327, vom , 2001/16/0032, vom , 2004/16/0038, und vom , 2010/16/0155).

Daran ändert nichts, dass die Erbschaftssteuerschuld gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG grundsätzlich schon durch den mit dem Tod des Erblassers eintretenden Erbanfall entsteht. Das Entstehen der Steuerschuld ist eine Rechtsfolge und setzt voraus, dass der diese Rechtsfolge auslösende Tatbestand des Erwerbs durch Erbanfall erfüllt ist. Erst wenn der Tatbestand des Erwerbs erfüllt ist, tritt die (hier auf einen zurückliegenden Zeitpunkt bezogene) Rechtsfolge des Entstehens der Steuerschuld ein. Der Tatbestand des Erwerbs kann von verschiedenen Erben zu verschiedenen Zeitpunkten erfüllt werden, doch haben diese Erwerbe ihre Wurzel in dem mit dem Tod des Verstorbenen gegebenen Erbanfall, weshalb der solcherart einheitliche Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld auch für die Bewertung des Nachlasses maßgeblich ist (§ 18 ErbStG).

Mag auch im Revisionsfall der für eine allfällige Entstehung der Erbschaftssteuerschuld maßgebliche Tod des Verstorbenen am noch vor dem Inkrafttreten der Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG eingetreten sein, so wird in den vorgelegten Verwaltungsakten die Erbantrittserklärung und damit die Tatbestandserfüllung für einen Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten der Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG dokumentiert.

Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass aus den erwähnten hg. Erkenntnissen vom , 2011/16/0209, und vom , 2009/16/0196, VwSlg. 8.506/F, in denen der Verwaltungsgerichtshof bei mehrere Jahre vor dem Inkrafttreten der Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG liegenden Todeszeitpunkten (im einen Fall im Jahr 1999, im anderen Fall im Jahr 1980) das Entstehen der Steuerschuld vor der Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG festgestellt hat, für den angefochtenen Bescheid nichts zu gewinnen ist. Denn jene Fälle betrafen Erwerbe durch Vermächtnis und nicht durch Erbanfall (zum Tatbestand des Erwerbs durch Vermächtnis vgl. etwa Taucher, aaO, Anm. 3.24 und

3.25 zu § 2 ErbStG). Im einen Fall lag das Inkrafttreten der Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG zwischen dem Erlassen eines vorläufigen und dem Erlassen eines endgültigen Erbschaftssteuerbescheides, im anderen Fall verneinte der Verwaltungsgerichthof die Frage, ob nach Erwerb einer Rente durch Vermächtnis mit dem Jahre später erfolgten Inkrafttreten dieser Aufhebung ein Tilgungstatbestand für die Erbschaftsteuerschuld eingetreten sei, welche zufolge einer im Jahr 1984 gewählten Entrichtung statt vom Kapitalwert der Rente jährlich im Voraus vom Jahreswert (§ 29 ErbStG) im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Aufhebung teilweise noch nicht entrichtet war.

Der unabhängige Finanzsenat führt im angefochtenen Bescheid selbst aus, der Tatbestand des Erwerbs durch Erbanfall sei durch die Erbantrittserklärung erfüllt, vernachlässigt jedoch die in den vorgelegten Verwaltungsakten aufscheinende Dokumentation der Erbantrittserklärung nach Inkrafttreten der Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG, wonach der Tatbestand des Erwerbs durch Erbanfall erst nach diesem Zeitpunkt verwirklicht wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er über die Erbschaftssteuer abspricht, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der im Revisionsfall noch anwendbaren VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am