VwGH vom 30.09.2011, 2009/11/0178
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des P W in W, vertreten durch Mag. Christoph Ulrich Kuhn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30a, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten durch Foidl Trappmaier Rechtsanwälte in 1030 Wien, Ungargasse 53) vom , Zl. B 22/07-27/090513, B 98/08- 27/090513, Arzt Nr. 9300, betreffend Beiträge zum Wohlfahrtsfonds für die Jahre 2006 und 2007, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zum Wohlfahrtsfonds gemäß Abschnitt I Abs. 9 der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (Beitragsordnung) für das Jahr 2006 mit EUR 5.481,99 und für das Jahr 2007 mit EUR 6.300,00 festgesetzt.
Begründend führte der Beschwerdeausschuss aus, der Ermittlung des Fondsbeitrages seien sowohl das Gehalt des Beschwerdeführers als Militärarzt als auch die Einkünfte aus seiner freiberuflichen Tätigkeit als niedergelassener Facharzt zugrunde gelegt worden, da - ebenso wie Amtsärzte - auch Militärärzte, wenn sie außerdem freiberuflich tätig seien, nach Maßgabe ihrer gesamten Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit beitragspflichtig seien. Aufgrund der Definitivstellung seines Dienstverhältnisses sei der Beschwerdeführer von der Verpflichtung zur Leistung von Fondsbeiträgen bis auf den zur Grundleistung einzuhebenden Betrag befreit. Die Ermittlungen des Beschwerdeausschusses hätten überdies ergeben, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Militärarzt nicht als Tätigkeit eines Amtssachverständigen, sondern als ärztliche Tätigkeit iS des § 2 Ärztegesetz (ÄrzteG 1998) einzustufen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Beide Parteien haben zudem weitere Stellungnahmen erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in Ansehung der Frage, ob die erstinstanzlichen Erledigungen des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds als Bescheide zu qualifizieren sind, jenen, über welche bereits mit den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2006/11/0058, und Zl. 2006/11/0108, und - was den Hinweis auf § 230 Abs. 7 ÄrzteG 1998 in der Fassung der 14. Ärztegesetz-Novelle durch die belangte Behörde anlangt - jenen, über welche mit den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2008/11/0054, sowie vom , Zl. 2008/11/0006, entschieden wurde. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf diese Erkenntnisse hinzuweisen.
2. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen, weil sich die Berufungen des Beschwerdeführers gegen Erledigungen richteten, die keine Bescheide darstellen, und demnach unzulässig waren, gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
3. Für das fortzusetzende Verfahren weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass der Beschwerdeführer durch die Ermittlung des Fondsbeitrags auf Basis seiner Einkünfte als Militärarzt und als niedergelassener Facharzt aus folgenden Gründen nicht in Rechten verletzt wurde:
3.1. Das ÄrzteG 1998 lautet in der vorliegend anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 122/2006, auszugsweise wie folgt:
"Der Beruf des Arztes
§ 2. (1) Der Arzt ist zur Ausübung der Medizin berufen.
(2) Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfaßt jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere
1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Mißbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind;
2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;
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3. | die Behandlung solcher Zustände (Z 1); |
4. | die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut; |
5. | die Vorbeugung von Erkrankungen; |
6. | die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe; |
7. | die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln; |
8. | die Vornahme von Leichenöffnungen. |
(3) Jeder zur selbständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt ist befugt, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten.
…
Amtsärzte, Polizeiärzte, Militärärzte
§ 41. (1) Amtsärzte sind die bei den Sanitätsbehörden hauptberuflich tätigen Ärzte, die behördliche Aufgaben zu vollziehen haben. Als Amtsärzte gelten auch die Arbeitsinspektionsärzte gemäß § 17 Abs. 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993, BGBl. Nr. 27.
(2) ...
(3) Militärärzte sind die als Offiziere des militärmedizinischen Dienstes sowie die auf Grund eines Vertrages oder auf Grund einer Einberufung zum Präsenz- oder Ausbildungsdienst beim Bundesheer tätigen Ärzte.
(4) Dieses Bundesgesetz ist auf Amtsärzte hinsichtlich ihrer amtsärztlichen Tätigkeit nicht anzuwenden.
(5) Übt ein Amtsarzt neben seinem amtsärztlichen Beruf eine ärztliche Tätigkeit als Arzt für Allgemeinmedizin, approbierter Arzt oder Facharzt aus, so unterliegt er hinsichtlich dieser Tätigkeit diesem Bundesgesetz.
(6) …
(7) Militärärzte sind hinsichtlich der Anwendung dieses Bundesgesetzes den Amtsärzten insoweit gleichgestellt, als sie als Amtssachverständige der Militärbehörden tätig sind; ...
…
Befreiung von der Beitragspflicht
§ 112. (1) Erbringt ein ordentlicher Kammerangehöriger den Nachweis darüber, dass ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuss auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach einem Gesetz oder den Pensionsvorschriften einer Dienstordnung gegenüber einer solchen Körperschaft zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht, ist er auf Antrag nach Maßgabe des Antragsbegehrens und der folgenden Bestimmungen von der Verpflichtung nach § 109 zu befreien. Übt der Antragsteller keine ärztliche oder zahnärztliche Tätigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 dieses Bundesgesetzes oder § 23 Z 1 Zahnärztegesetz aus, kann die Satzung vorsehen, dass die Beitragspflicht zur Todesfallbeihilfe und zu den Unterstützungsleistungen bestehen bleibt. Übt der Antragsteller eine ärztliche oder zahnärztliche Tätigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 dieses Bundesgesetzes oder § 23 Z 1 Zahnärztegesetz aus, bleibt jedenfalls die Beitragspflicht zur Grundleistung bestehen. Die Satzung kann vorsehen, dass die Beitragspflicht darüber hinaus auch für die Ergänzungsleistungen, die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen bestehen bleibt."
Nach dem jeweiligen Abschnitt I Abs. 9 der vorliegend anzuwendenden Beitragsordnungen betrug die Höhe des Fondsbeitrages für Fondsmitglieder, die bis auf den zur Grundleistung einzuhebenden Teil befreit sind, 15,8 % der Bemessungsgrundlage, jedoch im Jahr 2006 maximal EUR 5.481,99 und im Jahr 2007 maximal EUR 6.300,-.
3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei als Militärarzt am Heeresspital ausschließlich amtsärztlich als Sachverständiger für seine Behörde tätig, weshalb sein Gehalt aus dieser Tätigkeit nicht zur Berechnung der Fondsbeiträge heranzuziehen sei. Der Beschwerdeausschuss habe die Beurteilung der Tätigkeit des Beschwerdeführers als "ärztliche" iS des § 2 ÄrzteG ausschließlich auf die Inhalte von Internetseiten gestützt, zu denen ihm kein Parteiengehör gewährt worden sei.
3.3. Zwar ist der Beschwerdeführer im Recht, wenn er rügt, der Beschwerdeausschuss habe sein Recht auf Parteiengehör zu den Ermittlungsergebnissen verletzt, doch hätte eine Vermeidung dieses Verfahrensmangels aus folgenden Gründen zu keinem anderen Bescheid führen können:
Abgesehen davon, dass sowohl der Beschwerdeausschuss als auch der Beschwerdeführer in - vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 3 ÄrzteG 1998 - nicht nachvollziehbarer Weise davon ausgehen, amtsärztliche Sachverständigentätigkeit falle im Gegensatz zur kurativen ärztlichen Tätigkeit nicht unter den in § 2 ÄrzteG 1998 definierten Begriff des ärztlichen Berufes (vgl. aber die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/11/0275, und vom , Zl. 2003/11/0292), kommt es auf die Unterscheidung zwischen kurativer und sachverständiger Tätigkeit im Beschwerdefall nicht an. Selbst wenn der Beschwerdeführer nämlich im Heeresspital nur als Amtssachverständiger der Militärbehörden tätig und daher gemäß § 41 Abs. 7 ÄrzteG 1998 den Amtsärzten gleichgestellt wäre, unterläge er angesichts seiner freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit auch mit seinem Gehalt als Militärarzt der Beitragspflicht.
Dies ergibt sich aus der nach der - eine frühere Fassung des Ärztegesetzes betreffenden - Judikatur des Verfassungsgerichtshofes gebotenen restriktiven Interpretation des § 41 Abs. 5 ÄrzteG 1998 (vgl. das Erkenntnis VfSlg. 6947/1972 zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 42 Abs. 5 ÄrzteG idF der Novelle BGBl. 50/1964; die Auslegung dieser Bestimmung stand im Zusammenhang mit der Prüfung des § 45a Abs. 1 ÄrzteG idF der Novelle BGBl. 229/1969, der dem vorliegend ebenfalls anzuwendenden § 112 Abs. 1 ÄrzteG 1998 inhaltlich gleicht), welche auf folgenden Erwägungen beruht: Die in § 41 Abs. 4 ÄrzteG 1998 statuierte Ausnahme der Amtsärzte vom Anwendungsbereich des ÄrzteG 1998 bedeutet lediglich ihre Ausnahme von der - sich normalerweise aus der Standeszugehörigkeit ergebenden - Kammerangehörigkeit, um allfällige Pflichtenkollisionen zu vermeiden, ohne jedoch ihre Standeszugehörigkeit als solche zu berühren. Aus § 41 Abs. 5 ÄrzteG 1998 kann daher für auch freiberuflich tätige - und als solche der Ärztekammer angehörende - Amtsärzte keine "teilweise" Standeszugehörigkeit und folglich auch keine teilweise Kammerangehörigkeit herausgelesen werden, die eine Beitragspflicht nur hinsichtlich der freiberuflich erzielten Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit rechtfertigen würde. Amtsärzte, die auch eine freiberufliche Tätigkeit ausüben und daher ordentliche Kammerangehörige sind, haben somit Beiträge zum Wohlfahrtsfonds nach Maßgabe ihrer gesamten aus ärztlicher Tätigkeit erzielten Einnahmen zu entrichten (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/09/0257).
Vor diesem Hintergrund ist die - unter Beachtung des § 112 Abs. 1 ÄrzteG 1998 iVm Abschnitt I Abs. 9 der Beitragsordnung erfolgte und ziffernmäßig nicht in Beschwerde gezogene - Festsetzung der Fondsbeiträge auf Basis des Gehalts als Militärarzt und der Einkünfte aus freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit im Ergebnis auch dann nicht zu beanstanden, wenn der Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht kurativ, sondern bloß als Amtssachverständiger für die Militärbehörden tätig und daher den Amtsärzten gleichgestellt war.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am