VwGH vom 14.06.2012, 2011/21/0278
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Mauhart, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Jahnstraße 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-730339/4/Wg/Wu, betreffend Aufenthaltsverbot (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Dezember 1988 geborene Beschwerdeführer ist ukrainischer Staatsangehöriger und zog im September 2001 zu seiner bereits in Österreich lebenden Mutter nach. Hier erhielt er zunächst Niederlassungsbewilligungen "Familiengemeinschaft mit Österreicher", ehe ihm mit Gültigkeit ab ein Niederlassungsnachweis erteilt wurde.
Der Beschwerdeführer wurde straffällig. Wegen einer am begangenen Körperverletzung wurde er zunächst am nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe im Ausmaß von 50 Tagessätzen verurteilt. Unter Bedachtnahme auf diese Verurteilung gemäß §§ 31 und 40 StGB verhängte das Landesgericht Linz mit Urteil vom eine - gleichfalls bedingt nachgesehene - Zusatzfreiheitsstrafe im Umfang von sechs Monaten und fünf Tagen. Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit anderen 2005 bis Sommer 2006 anlässlich regelmäßiger Zusammenkünfte "Rechtsrockmusik" gehört und sich dadurch in seiner nationalsozialistischen bzw. rechtsgerichteten Gesinnung bestärkt hatte und dass er mit seinen Mittätern im Regelfall im Anschluss daran verschiedene Lokale und Festveranstaltungen aufgesucht hatte, um dort vor allem gegenüber türkischen Staatsangehörigen (insbesondere) nationalsozialistische Parolen zu rufen, wodurch (mehrfach) das Verbrechen nach § 3g erster Fall Verbotsgesetz begangen worden sei.
Zwischen den genannten Strafurteilen liegen zwei weitere Verurteilungen durch das Landesgericht Linz, und zwar vom zu einer bedingt nachgesehenen fünfmonatigen Freiheitsstrafe sowie vom zu einer Geldstrafe in der Höhe von 120 Tagessätzen und einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten. Einerseits lagen dem das Vergehen des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB (Diebstahl von Cannabispflanzen) sowie verschiedene Vergehen nach § 27 SMG (in Bezug auf Cannabiskraut, Marihuana und Haschisch) zugrunde (Tatzeitraum bis August 2007), andererseits hatte der Beschwerdeführer das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (Diebstahl von Navigationsgeräten aus Autos nach Einschlagen der Fensterscheibe in acht Fällen im Zeitraum Dezember 2007 bis Februar 2008) sowie das Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG (Ankauf und Besitz von Marihuana und anderen Cannabisprodukten im Zeitraum September 2007 bis Juni 2009) zu verantworten.
Nachdem im Hinblick auf diese Verurteilungen zunächst schon von der Bundespolizeidirektion Linz Ermittlungen eingeleitet worden waren, beabsichtigte die in der Folge zuständig gewordene Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes. Der vorgeladene Beschwerdeführer wurde dazu am niederschriftlich einvernommen und gab u.a. an, dass er sich mittlerweile geändert und ein geregeltes Leben begonnen habe. In diesem Zusammenhang verwies er darauf, "zwischenzeitlich einen Job gefunden" zu haben.
Im Anschluss an diese Niederschrift verfasste das einvernehmende Organ der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung folgenden Aktenvermerk:
"Auf Grund des während der Niederschrift mit (Beschwerdeführer) gewonnenen Eindrucks wird von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Ausweisung abgesehen."
Die dann wieder zuständig gewordene Bundespolizeidirektion Linz führte das fremdenpolizeiliche Verfahren allerdings fort. Sie forderte vom Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme ab und erließ dann mit Bescheid vom gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm §§ 66 und 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom teilweise statt; der erstinstanzliche Bescheid werde mit der Maßgabe bestätigt, dass das Aufenthaltsverbot mit fünf Jahren festgesetzt werde.
Die belangte Behörde legte die eingangs wiedergegebenen Umstände zugrunde und gab ergänzend den Inhalt der vom - unvertretenen - Beschwerdeführer verfassten Eingaben (Stellungnahme für die Bundespolizeidirektion Linz sowie Berufung) sowie von zwei für den Beschwerdeführer erstatteten Empfehlungsschreiben (eines von seinem derzeitigen Arbeitgeber) wieder. Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits feststehe, sei eine mündliche Verhandlung gemäß § 67d Abs. 1 AVG - so die belangte Behörde - nicht erforderlich.
In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde zunächst auf § 125 Abs. 16 FPG, wonach vor Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 38 (FrÄG 2011), erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG oder Rückkehrverbote gemäß § 62 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig blieben. Sie wies weiter darauf hin, dass gegen den rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Beschwerdeführer nunmehr auf Basis des FrÄG 2011 die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 63 FPG in Betracht komme und dass beim Beschwerdeführer insoweit gemäß § 63 Abs. 3 iVm § 53 Abs. 3 Z 1 FPG die Voraussetzungen für ein höchstens zehnjähriges Aufenthaltsverbot vorlägen. Da der dem Beschwerdeführer erteilte Niederlassungsnachweis nunmehr als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" gelte, setze die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aber auch gemäß § 64 Abs. 4 und 5 FPG das Vorliegen einer gegenwärtigen, hinreichend schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit voraus, was freilich im Fall des Beschwerdeführers zu bejahen sei. Aus von der belangten Behörde näher angestellten Erwägungen sei das Aufenthaltsverbot auch im Grunde des § 61 Abs. 1 FPG zulässig. Es sei jedoch auf fünf Jahre herabzusetzen, weil diese Dauer ausreiche, um einen nachhaltigen Gesinnungswandel annehmen zu können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:
Gegen den Beschwerdeführer war mit erstinstanzlichem Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom ein auf § 60 FPG (in der Fassung vor dem FrÄG 2011) gestütztes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Der nunmehr bekämpfte Bescheid wurde nach Inkrafttreten des FrÄG 2011 (mit ) erlassen. Da für die Berufungsbehörde grundsätzlich die (Sach- und) Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgeblich ist, war von der belangten Behörde somit mangels abweichender Übergangsbestimmungen bereits die neue Rechtslage anzuwenden.
Gemäß § 125 Abs. 16 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 (die folgenden Gesetzeszitate beziehen sich, wenn nichts Anderes angegeben wird, auf diese Fassung) bleiben vor Inkrafttreten des FrÄG 2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG oder Rückkehrverbote gemäß § 62 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig. Diese Bestimmung erfasst jedoch nur rechtskräftige Maßnahmen. Ihr kommt daher im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu, weshalb die darauf erfolgte Bezugnahme durch die belangte Behörde ins Leere geht. Im Rahmen ihrer "Maßgabebestätigung" hätte sie demgegenüber schon im Spruch ihrer Entscheidung die neue Rechtsgrundlage für das Aufenthaltsverbot anzuführen gehabt. Dass dies unterblieben ist, stellt indes keinen relevanten Verfahrensmangel dar, weil die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides klar zum Ausdruck brachte, sich insoweit auf § 63 FPG ("Aufenthaltsverbot für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel") iVm § 53 Abs. 3 Z 1 FPG zu stützen.
Da dem Beschwerdeführer 2005 ein Niederlassungsnachweis ausgestellt worden war, der seit - wie von der belangten Behörde richtig erkannt - als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" zu beurteilen ist, erweist sich die Heranziehung des § 63 FPG als Grundlage für ein gegen den Beschwerdeführer zu verhängendes Aufenthaltsverbot als zutreffend. Die belangte Behörde ist ferner damit im Recht, auch wenn der Gesetzgeber eine diesbezügliche ausdrückliche Regelung mit der Novellierung durch das FrÄG 2011 nicht vorgenommen hat, dass sie - und nicht etwa die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich - zuständige Berufungsbehörde war. Ihre Zuständigkeit ergibt sich aus den Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0097, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.
§ 63 Abs. 1 bis 3 FPG und § 64 Abs. 4 und 5 FPG, der sich trotz der alleinigen Bezugnahme auf Ausweisungen auch auf die erstgenannte Bestimmung bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0291), lauten wie folgt:
" Aufenthaltsverbot für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel
§ 63. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
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1. | die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder |
2. | anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. |
(2) Bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 sind insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.
(3) Ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 ist in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
…
Aufenthaltsverfestigung
§ 64.
…
(4) Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt-Familienangehöriger" verfügen, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(5) Als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 4 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem inländischen Gericht
1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption, wegen eines mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB oder
2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten
rechtskräftig verurteilt worden ist. § 73 StGB gilt."
Als bestimmte Tatsache im Sinn des von § 63 Abs. 2 FPG u. a. angesprochenen § 53 Abs. 3 FPG gilt insbesondere, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 1).
Ausgehend von den eingangs dargestellten gerichtlichen Verurteilungen liegt im Fall des Beschwerdeführers, wie von der belangten Behörde richtig erkannt, eine "bestimmte Tatsache" im Sinn des eben referierten § 53 Abs. 3 Z 1 FPG (in Gestalt des 2. Falles 1. Alternative und des 3. Falles) vor. Damit ist aber auch eine "bestimmte Tatsache" nach § 63 Abs. 2 FPG gegeben, die nach § 63 Abs. 3 FPG die Erlassung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes ermöglicht. Im Hinblick auf die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens nach § 3g erster Fall Verbotsgesetz einerseits und wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch andererseits liegt beim Beschwerdeführer aber auch - von der belangten Behörde gleichfalls richtig beurteilt - ein Fall des § 64 Abs. 5 Z 1 FPG vor, was im Sinn des § 64 Abs. 4 FPG ein Indiz dafür darstellt, dass sein weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
Bei der gebotenen Prognosebeurteilung sowohl im Grunde des § 63 Abs. 1 als auch des § 64 Abs. 4 FPG kommt es aber nicht auf die strafgerichtlichen Verurteilungen als solche an (vgl. etwa das, insoweit auf die neue Rechtslage nach dem FrÄG 2011 übertragbare, hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603). Es ist vielmehr eine - aktuelle - Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Fremden vorzunehmen und die Frage zu beantworten, ob sich daraus (weiterhin) eine maßgebliche Gefährdung ableiten lässt.
Die belangte Behörde nahm an, dass im vorliegenden Fall - wie erwähnt - sogar die erhöhte Gefährdungsprognose nach § 64 Abs. 4 FPG gerechtfertigt sei. Das begründete sie im Wesentlichen mit der bisherigen, bis ins Jahr 2009 reichenden kriminellen Laufbahn des Beschwerdeführers, wobei sie u.a. - bezogen auf die Verurteilung vom - auf den raschen Rückfall des Beschwerdeführers und die Begehung von Tathandlungen während aufrechten Strafverfahrens hinwies. Diesen Gesichtspunkten kommt zweifelsohne gewichtige Bedeutung zu. Der von der belangten Behörde getroffenen Prognose steht aber die auf Grund des persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer gewonnene Einschätzung durch ein Organ der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung gegenüber, die dieses Organ gemäß dem eingangs wiedergegebenen Aktenvermerk vom zur Abstandnahme von der Verhängung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme veranlasste. Das stand der späteren Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - auch bei unverändertem Sachverhalt - nicht grundsätzlich entgegen (vgl. zur Möglichkeit der formlosen Wiederaufnahme eines Aufenthaltsverbotsverfahrens das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0178). Vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers einerseits und der im besagten Aktenvermerk festgehaltenen Einschätzung andererseits hätte sich die belangte Behörde aber nicht mit einer bloß auf dem Akteninhalt beruhenden Beurteilung begnügen dürfen. Das umso mehr, als es nach der niederschriftlichen Einvernahme vom zu keiner weiteren strafbaren Handlung des Beschwerdeführers gekommen ist und er am Arbeitsmarkt Fuß fassen konnte. Insbesondere hätte sie im Sinn des § 67d Abs. 1 AVG die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als erforderlich ansehen müssen (ähnlich jüngst das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0277). Der Sache nach wird das auch - gerade noch erkennbar - in der Beschwerde geltend gemacht, wenn es dort heißt, es sei dem Beschwerdeführer "nicht einmal die Möglichkeit der Beweisführung" gegeben worden, dass er sich wieder in einen "normalen Arbeits- und Lebenszyklus"eingeordnet habe.
Im gegebenen Zusammenhang ist unter nochmaliger Bezugnahme auf das schon erwähnte hg. Erkenntnis Zl. 2011/22/0097 ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Verhängung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes als Maßnahme im Sinn der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungs-RL) - und außerdem auch als eine solche nach der Richtlinie 2003/109/EG - zu verstehen ist. Damit hat die belangte Behörde jedenfalls in "Durchführung des Rechts der Union" im Sinn des Art. 51 Abs. 1 der Grundrechte-Charta (GRC) gehandelt, weshalb auch auf die Verbürgungen der GRC Bedacht zu nehmen ist. Konkret ist damit Art. 47 Abs. 2 GRC angesprochen, wonach - so der erste Satz dieser Bestimmung - jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Grundsätzlich besteht daher in fremdenpolizeilichen Berufungsverfahren der vorliegenden Art - jedenfalls nach Maßgabe des § 67d AVG und allenfalls auch des § 9 Abs. 7 FPG (zur Unbedenklichkeit der ähnlich formulierten Bestimmung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , U 466/11-18 und U 1836/11-13) - ein Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (so der Sache nach schon das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0298).
Im Einzelnen muss hier im Hinblick auf das Vorgesagte nicht näher auf die Auslegung von Art. 47 Abs. 2 GRC eingegangen werden. Festgehalten sei nur, dass Art. 47 Abs. 2 GRC im Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK die gleiche Tragweite und Bedeutung wie die genannte Konventionsbestimmung hat. Jenseits dessen gelten die Garantien des Art. 6 EMRK für den Anwendungsbereich des Art. 47 Abs. 2 GRC entsprechend (vgl. das eben erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, Punkt II.7.2. der Entscheidungsgründe). Was das Verhandlungsgebot anlangt, ist davon ausgehend darauf hinzuweisen, dass auch im Anwendungsbereich des Art. 47 Abs. 2 GRC bei einer unvertretenen Partei nur dann vom Vorliegen eines schlüssigen Verzichts auf die Durchführung einer Verhandlung ausgegangen werden kann, wenn sie über die ihr nach § 67d Abs. 1 AVG eingeräumte Möglichkeit einer Antragstellung auf Durchführung einer solchen Verhandlung belehrt wurde oder wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (so vor dem Hintergrund des Art. 6 EMRK in einer Streitigkeit betreffend Zivilrechte das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0315). Im vorliegenden Fall des im Berufungsverfahren noch unvertretenen Beschwerdeführers ist weder das eine noch das andere ersichtlich.
Vorliegend ergibt sich aber schon aus den obigen Ausführungen, dass die belangte Behörde ihr Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet hat, weshalb der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am