VwGH vom 16.05.2012, 2011/21/0277

VwGH vom 16.05.2012, 2011/21/0277

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des O in L, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-730226/3/BP/Wu, betreffend Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Kamerun, reiste am illegal nach Österreich ein und stellte am einen Asylantrag. Dieser wurde in erster Instanz mit Bescheid des Bundesasylamtes vom und in zweiter Instanz mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom abgewiesen; zugleich wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kamerun für zulässig erklärt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die unbestrittenen Feststellungen der Erstbehörde zugrunde, wonach der Beschwerdeführer bei der Einreise nach Österreich zweiundzwanzig Jahre alt gewesen sei. In Kamerun seien neben seinen Eltern noch fünf Geschwister aufhältig. Er habe dort sieben Jahre eine Grundschule, vier Jahre ein Gymnasium und zwei Jahre ein "College" besucht. Derzeit sei er als Zeitungszusteller auf Basis eines Werkvertrages tätig. An Familienangehörigen habe der Beschwerdeführer seine am geborene Tochter und deren Mutter (beide österreichische Staatsbürger) angegeben. Er sei zwar unbescholten, allerdings sei im Jahr 2010 ein Betretungsverbot wegen Tätlichkeiten gegen seine damalige Lebensgefährtin (die Kindesmutter) ausgesprochen worden. Der Beschwerdeführer lebe nicht mit seiner Tochter im gemeinsamen Haushalt.

Bis Juni 2010 sei der Beschwerdeführer auf die Grundversorgung angewiesen gewesen und laut Versicherungsdatenauszug nie einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen. Er beziehe zwar laut vorgelegter "Lohnzettel" Einkünfte durch Zeitungsaustragen in Höhe von EUR 500,-- bis EUR 700,-- monatlich, jedoch sei der Lebensunterhalt dadurch keineswegs gesichert.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er zwar nicht mit seiner Tochter und deren Mutter in einem Haushalt leben würde, sich aber um seine Tochter kümmern würde und zu ihr eine intensive Beziehung aufgebaut hätte, was die Mutter bestätigen könnte. Er spräche sehr gut Deutsch und hätte die Prüfung auf Niveau A 2 erfolgreich abgelegt. Das Strafverfahren wegen Tätlichkeiten gegen seine Lebensgefährtin hätte mit einem Freispruch geendet. Er wäre in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch das Verteilen von Zeitungen selbst zu bestreiten. In einem Schreiben vom habe er außerdem erklärt, monatlich EUR 100,-- an Unterhalt für seine Tochter zu zahlen.

In Ergänzung zu den Feststellungen der Erstbehörde führte die belangte Behörde schließlich aus, dass der Beschwerdeführer "auch bis dato" keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehe. Ein Telefonat mit der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers habe ergeben, dass er sich zwar - wenn es die Kindesmutter gestatte - um seine Tochter kümmere, die Mutter dies jedoch an Geldleistungen knüpfe, die aufzubringen für den Beschwerdeführer wegen seiner geringen finanziellen Möglichkeit äußerst schwierig sei.

Unter Bezugnahme auf § 67d AVG erklärte die belangte Behörde sodann, sie habe von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen können, weil eine solche nicht erforderlich gewesen sei, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergebe, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig sei und die Akten erkennen ließen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lasse. Insbesondere dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der sprachlichen Integration und seines Bemühens um eine gute Beziehung zu seiner Tochter sei völlige Glaubwürdigkeit zuzumessen. Auch die - wenn auch geringen -

Einkünfte als Zeitungsausträger stünden außer Frage. Genauso sei aber unbestritten, dass der Beschwerdeführer keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit nachweisen könne, nur über geringe Einkünfte verfüge und nicht im gleichen Haushalt wie seine Tochter lebe, für die die Mutter das Sorgerecht habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die gegenständliche Ausweisung auf Basis des § 53 FPG in der Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38 (FrÄG 2011) erlassen worden sei. Gemäß § 125 Abs. 14 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 sei sie nunmehr als Rückkehrentscheidung im Sinne des § 52 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 anzusehen und zu beurteilen.

Der Beschwerdeführer verfüge über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet und sei somit "grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig". Allerdings sei bei der Beurteilung der "Ausweisung beziehungsweise der Rückkehrentscheidung" auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen und im Sinne dieser Normen eine Interessensabwägung vorzunehmen.

Im Hinblick auf § 61 FPG hielt die belangte Behörde fest, dass durch die drohende Rückkehrentscheidung "primär das Privat- und nicht so sehr das Familienleben" des Beschwerdeführers betroffen sei, zumal er mit seiner in Österreich geborenen Tochter nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe und ihm auch nicht das Sorgerecht für sie übertragen sei. Allerdings sei bei der Interessenabwägung als gewichtig zu erachten, dass er um eine intensive Beziehung zu seiner Tochter bemüht sei. Auch sei im Sine des § 61 Abs. 3 FPG das Interesse der Tochter, einer österreichischen Staatsbürgerin, am Verbleib ihres Vaters im Bundesgebiet zu erörtern.

Auf Grund des mittlerweile achtjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, der während des Asylverfahrens bis zum auch als rechtmäßig anzusehen gewesen sei, sei grundsätzlich von einem gewissen Maß an erreichter Integration auszugehen. Jedoch sei der Beschwerdeführer - obwohl es ihm offenbar durchaus hätte zugemutet werden können - zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes im Bundesgebiet einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen, beziehe überdies nur relativ geringe Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Zeitungsausträger und sei bis ins Jahr 2010 durch die Grundversorgung unterstützt worden, was ebenfalls "kein positives Licht" auf seine Selbsterhaltungsfähigkeit werfe. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer es bislang verabsäumt habe, sich effektiv um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bemühen, wozu er sich durch die erhaltene Grundversorgung offenbar nicht veranlasst gesehen habe, falle auch unter dem Aspekt besonders ins Gewicht, dass er in seinem Heimatland eine "durchaus als prädestinierend anzusehende Ausbildung" genossen habe. Die Tatsache, dass es dem Beschwerdeführer gänzlich an einer verfestigten beruflichen Integration mangle, falle schwer zu seinen Lasten ins Gewicht.

In Bezug auf die soziale Integration hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zwar seine nachgewiesenen Deutschkenntnisse sowie den Umstand zugute, dass er "offenbar um den Kontakt zu seiner Tochter bemüht" sei. Wenngleich die belangte Behörde grundsätzlich den besonders hohen Stellenwert einer funktionierenden Eltern-Kind-Beziehung anerkenne, sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer mangels Sorgerecht die Beziehung zu seiner Tochter "in eher eingeschränkter Weise" pflegen könne; vom "Nachkommen seiner finanziellen Verpflichtungen in ausreichendem Umfang" müsse hier "gar nicht gesprochen werden". Für die Aufrechterhaltung des persönlichen Kontakts sei darüber hinaus auf die Möglichkeiten der modernen Kommunikationsmittel zu verweisen. Aus diesem Grund werde das "Gewicht der reflexiven Vater-Tochter-Beziehung als geschmälert anzusehen" sein.

Hinsichtlich der Bindungen des Beschwerdeführers an den Heimatstaat sei bei der Abwägung festzustellen, dass er zweiundzwanzig Jahre in Kamerun gelebt habe, wo sich neben seinen Eltern noch seine fünf Geschwister aufhielten. Er habe somit nicht nur den überwiegenden Teil seines Lebens dort verbracht, sondern auch eine bis zum College führende, immerhin sechzehn bzw. neunzehn Jahre dauernde Ausbildung genossen, welche ihm fraglos eine Reintegration erleichtern werde. Diese sei also als absolut zumutbar anzusehen.

Zudem sei bei der Interessenabwägung der relativ unsichere Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers während des Asylverfahrens zu berücksichtigen, in dem er zumindest seit der erstinstanzlichen Entscheidung schon im Jahr 2003 begründet damit rechnen habe müssen, nach Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Aufenthalt berechtigt zu sein. Dadurch werde der erreichte Grad der Integration nicht unwesentlich geschmälert.

Die Dauer des Asylverfahrens sei mit knapp sieben Jahren zwar durchaus beträchtlich, allerdings komme ihr nicht ein - die vorigen Überlegungen überwiegendes - Gewicht zu, zumal dem Akt nicht zu entnehmen sei, dass die Dauer entscheidend durch Verzögerungen der Behörden hervorgerufen worden sei.

Im Ergebnis sei zu konstatieren, dass den öffentlichen Interessen an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes ein erheblich größeres Gewicht zukomme als den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet, wobei nochmals auf die mangelnde berufliche Integration und Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers hinzuweisen sei. Sohin sei auch im Sinne des § 61 FPG die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung festzustellen, woran auch die Berücksichtigung der Interessen der Tochter des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 3 FPG nichts ändere.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Gegen den Beschwerdeführer wurde mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom eine Ausweisung gemäß § 53 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011 erlassen. Der angefochtene Bescheid wurde jedoch nach Inkrafttreten des FrÄG 2011 (mit ) erlassen; da für die Berufungsbehörde grundsätzlich die (Sach- und) Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgeblich ist, war von der belangten Behörde somit mangels abweichender Übergangsbestimmungen bereits die neue Rechtslage anzuwenden.

Gemäß § 125 Abs. 14 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 (die folgenden Zitate beziehen sich, wenn nichts Anderes angegeben wird, auf diese Fassung) gelten "vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 (…) als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist".

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass im Beschwerdefall die erstinstanzliche Ausweisung auf Grund dieser Übergangsbestimmung als Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ohne Einreiseverbot weitergegolten habe. § 125 Abs. 14 FPG bezieht sich jedoch nur auf rechtskräftige Ausweisungen (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2012/21/0062). Die erstinstanzliche, nicht rechtskräftige Ausweisung der Bundespolizeidirektion Linz gemäß § 53 FPG (alt) ist demnach nicht schon ex lege zur Rückkehrentscheidung geworden. Ihre Bestätigung hätte daher mit der ausdrücklichen Maßgabe erfolgen müssen, dass sie nunmehr als - nicht mit einem Einreiseverbot verbundene - Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gilt; außerdem wäre gemäß § 55 Abs. 1 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen gewesen, welche nach § 55 Abs. 2 FPG grundsätzlich 14 Tage ab Erlassung des Bescheides beträgt. Die - nach § 53 Abs. 1 FPG regelmäßig gebotene - Erlassung eines Einreiseverbotes ist in einem Übergangsfall wie dem vorliegenden deswegen nicht zulässig, weil dadurch die Sache des Berufungsverfahrens überschritten und dem Beschwerdeführer "eine Instanz genommen" würde (vgl. auch dazu den hg. Beschluss vom mwH).

Ungeachtet des den erstinstanzlichen Bescheid ohne Maßgabe bestätigenden Spruchs des angefochtenen Bescheides besteht aber in Verbindung mit seiner Begründung kein Zweifel daran, dass - im Ergebnis zutreffend - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ohne Einreiseverbot erlassen werden sollte.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Asylverfahren rechtskräftig negativ beendet ist. Der Beschwerde ist auch nicht zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 FPG für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Beschwerdeführer halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf und es sei daher der Tatbestand des § 52 Abs. 1 FPG erfüllt.

Würde durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung einer solchen Maßnahme gemäß § 61 Abs. 1 FPG aber nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. § 61 FPG entspricht in weiten Bereichen dem bisher geltenden § 66 FPG (alt), weshalb sinngemäß auf die dazu ergangene Judikatur verwiesen werden kann. Es ist daher nach wie vor unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im (nunmehr) § 61 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus (nunmehr) § 61 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0237, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.3. der Entscheidungsgründe).

Unter diesem Gesichtspunkt weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass ihm als Asylwerber eine weitergehende berufliche Integration - gerade im Rahmen einer seiner Ausbildung entsprechenden qualifizierten Tätigkeit - auf Grund der ausländerbeschäftigungsrechtlichen Beschränkungen nicht möglich gewesen sei; dennoch habe er durch seine Tätigkeit als Zeitungsausträger gezeigt, dass er bereit sei, auch unter schlechten Bedingungen zu arbeiten. Er verfüge außerdem über ausgezeichnete Deutschkenntnisse.

Des Weiteren rügt er, dass die belangte Behörde das vorhandene sehr gute Verhältnis zu seiner Tochter nicht entsprechend gewürdigt habe. Es bestehe seit der Geburt ein regelmäßiger intensiver Kontakt zu ihr. Für ein Kleinkind sei eine funktionierende Eltern-Kind-Beziehung sehr wichtig, und der Beschwerdeführer als Vater sei immer persönlich für das Kind da. Bei einem Kleinkind im Alter von nicht einmal drei Jahren sei es nicht angemessen, für die Aufrechterhaltung des persönlichen Kontakts auf die Möglichkeiten moderner Kommunikationsmittel zu verweisen. Der Bedeutung des persönlichen Kontakts hätte mehr Gewicht zugesprochen werden müssen. Außerdem könne für eine funktionierende Eltern-Kind-Beziehung nicht das Sorgerecht ausschlaggebend sein, und es sei in keiner Weise nachgewiesen, dass diese Beziehung, wie von der Behörde angenommen, in eher eingeschränkter Weise gepflegt werde. Da keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden sei, habe sich das entscheidende Mitglied der belangten Behörde kein persönliches Bild vom Beschwerdeführer, dem Kind und der Mutter machen können, und es könne keine Beurteilung über die Intensität und den Umfang der Vater-Kind-Beziehung getroffen werden. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten auch Unterhalt für seine Tochter geleistet; vor allem aber habe er sich sehr viel faktisch um sie gekümmert, sie immer wieder beaufsichtigt und so der Kindesmutter eine Erwerbstätigkeit ermöglicht. Das von der belangten Behörde geführte Telefonat mit der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers sei nicht ausreichend, um den Sachverhalt umfassend und ordnungsgemäß zu ermitteln, zumal es sich lediglich um eine informative Stellungnahme auf Basis des gerade vorhandenen Wissens der Rechtsvertreterin gehandelt habe und nicht ersichtlich gewesen sei, dass das Telefonat im Ermittlungsverfahren als Beweismittel herangezogen werde.

Damit zeigt die Beschwerde relevante Verfahrensmängel auf:

Die belangte Behörde durfte bei der von ihr vorzunehmenden Interessenabwägung zwar der geringen beruflichen Integration des Beschwerdeführers Bedeutung zumessen. Dabei kommt es - entgegen der offenbar sowohl von der belangten Behörde als auch vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht - nicht darauf an, ob ihm in dieser Hinsicht ein Vorwurf zu machen ist, sondern in erster Linie darauf, inwieweit ihm die Integration objektiv gelungen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0242). Im Ergebnis zutreffend ist die belangte Behörde auch davon ausgegangen, dass das Gewicht der vom Beschwerdeführer erlangten Integration insofern als gemindert anzusehen war, als er sich seit der erstinstanzlichen, nur zwei Monate nach der Antragseinbringung erfolgten Abweisung seines Asylantrags bereits im Mai 2003 offenkundig seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Es ist aber anhand der Aktenlage und der Feststellungen der belangten Behörde nicht zu erkennen, dass die Dauer des Asylverfahrens bis März 2010 nicht "entscheidend durch Verzögerungen der Behörden" (sondern durch andere Umstände, insbesondere das Verhalten des Beschwerdeführers) hervorgerufen worden sei; dieser Umstand wäre daher im Sinn des § 61 Abs. 2 Z 9 FPG zugunsten des Beschwerdeführers in die gebotene Abwägung miteinzubeziehen gewesen.

Die belangte Behörde hat sich aber vor allem nicht ausreichend mit der Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Tochter - die im Übrigen in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK hinsichtlich des Familien- und nicht nur des Privatlebens fällt - und den Auswirkungen der Aufenthaltsbeendigung auf ihn und das Kind, eine österreichische Staatsbürgerin, auseinandergesetzt. Sie hat zwar angegeben, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich "seines Bemühens um eine gute Beziehung zu seiner Tochter völlige Glaubwürdigkeit zugemessen" werde und den "besonders hohe(n) Stellenwert einer funktionierenden Eltern-Kind-Beziehung anerkannt". Sie hat aber auch festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Beziehung nur "in eher eingeschränkter Weise" pflegen könne. Dieser Feststellung fehlt aber eine schlüssige Begründung. Angesichts des Berufungsvorbringens, in dem der Beschwerdeführer darauf verwiesen hatte, sich täglich um seine Tochter zu kümmern, wären ungeachtet seines fehlenden Sorgerechts weitere Ermittlungen hinsichtlich der tatsächlichen Beziehung zwischen Vater und Tochter erforderlich gewesen. Das Telefongespräch mit der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers war dafür in keiner Weise ausreichend. Zwar kommt ausgehend vom Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel gemäß § 46 AVG auch eine telefonische Befragung an Stelle einer förmlichen Einvernahme als Beweismittel in Betracht, wenn sie zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des Falles zweckdienlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0017, mwN). Im Beschwerdefall war aber die formlose Befragung der Rechtsvertreterin nicht geeignet, die maßgebliche Frage der Art und Intensität der Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Tochter zu klären. Dazu wäre es vielmehr erforderlich gewesen, den Beschwerdeführer persönlich zu hören und allenfalls auch die Mutter des gemeinsamen Kindes einzuvernehmen. Zweckmäßigerweise wäre dazu eine mündliche Verhandlung abzuhalten gewesen. Eine solche wurde zwar vom - bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen - Beschwerdeführer nicht beantragt, gemäß § 67d Abs. 1 AVG hat der unabhängige Verwaltungssenat aber von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn er dies für erforderlich hält; damit steht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des unabhängigen Verwaltungssenates (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb , AVG § 67d Rz 17, und die dort zitierte Rechtsprechung, etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/20/0336, und vom , Zl. 2005/05/0017). Der in der Gegenschrift enthaltene Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im fremdenpolizeilichen Verfahren kein Recht des Fremden bestehe, von der Berufungsbehörde mündlich gehört zu werden, geht im Übrigen deshalb fehl, weil den insoweit ins Treffen geführten Erkenntnissen (vom , Zl. 2007/21/0528, und vom , Zl. 2008/21/0571) Berufungsbescheide von Sicherheitsdirektionen, für die § 67d AVG nicht gilt, zugrunde lagen (vgl. zur Verhandlungspflicht der unabhängigen Verwaltungssenate im fremdenpolizeilichen Berufungsverfahren das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0298).

Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang noch anzumerken, dass die Aufrechterhaltung des Kontaktes mittels "moderner Kommunikationsmittel" - "per Telefon, Skype oder mittelfristig gesehen per Internet" (so die belangte Behörde in der Gegenschrift) - mit einem Kleinkind kaum möglich ist und dem Vater eines Kindes grundsätzlich das Recht auf persönlichen Kontakt zukommt (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0303).

Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am